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Missbrauchsvorwürfe Gegen Katholischen Orden

The Welt
July 11, 2012

http://www.welt.de/politik/deutschland/article108264032/Missbrauchsvorwuerfe-gegen-katholischen-Orden.html

Das Hauptquartier des umstrittenen Orden "Legionäre Christi" in Rom

In einem Brief an den Vatikan berichten ehemalige Schülerinnen von schweren psychischen Misshandlungen beim katholischen Orden Legionäre Christi. Viele von ihnen litten heute noch unter Suizidgedanken.

Der umstrittene katholische Orden Legionäre Christi steht erneut in der Kritik. 77 Frauen haben den Vatikan aufgefordert, die Jugendprogramme des Ordens zu beenden, weil sie dort Missbrauch erfahren hätten. Ein entsprechender Brief liegt der Nachrichtenagentur AP vor.

Die Legionäre Christi stehen nach anderen Skandalen schon seit Sommer 2010 unter Zwangsleitung des von Papst Benedikt XVI. beauftragten Kardinals Velasio De Paolis, der den Orden umfassend reformieren soll.

"Die Mädchen heute haben mehr verdient als Versuchskaninchen zu sein bei einem Reformprozess, der sich erst am Ende als glaubwürdig beweisen wird oder nicht", schrieben die Frauen an den Vatikan. Zwölf von ihnen offenbarten Einzelheiten des Erlebten. Dabei ging es nicht um sexuelle Übergriffe, sondern den völligen Verlust von Privatsphäre und Selbstbestimmung. Durch ein strikt hierarchisches System und ein massives Regelwerk fühlten sich die Heranwachsenden unter Druck gesetzt und entmündigt.

Viele der heute erwachsenen Frauen beschrieben, wie sie immer noch unter Magersucht, Migräne, Depression oder Selbstmordgedanken leiden. "Rückblickend war ich suizidgefährdet", sagte etwa Sarita Duffy (28), die als Jugendliche das berüchtigte Mädchenseminar in Wakefield im US-Staat Rhode Island besucht. Zeitweise wurden dort mehr als 700 Mädchen auf das Leben als missionierende Nonnen vorbereitet.

Psychische und physische Probleme bei Ehemaligen

Vier Jahre verbrachte Duffy in Wakefield, bevor sie schließlich doch nicht in das von ihr angestrebte Missionarsprogramm der Legionäre Christi übernommen wurde. "Warum hasst Du mich, Gott? Ich hasse mich", schrieb Duffy 2002 in ihr Tagebuch. Damals habe sie den Glauben in die katholische Kirche verloren, sagte sie jetzt.

In der Erziehungseinrichtung muss eine Organisation geherrscht haben, die gegen grundsätzliche Kirchenregeln für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen verstieß. 49 Wochen im Jahr verbrachten die Mädchen im Pensionat, von ihren Familien abgeschnitten, auf bedingungslosen Gehorsam getrimmt, durch Gruppenleiter und Priester kontrolliert. Selbst das Beichtgeheimnis galt wohl nur bedingt.

Vorgeschrieben wurde sogar, wie zu gehen, sitzen und essen sei, erinnerte sich Mary nun an 1998, als sie nach Wakefield kam. Freundschaften seien verboten gewesen. Aus dem Gefühl der Einsamkeit habe sie Essstörungen entwickelt. Als sie nur noch 30 Kilogramm wog, floh sie nach Hause. "Gefühle von Wertlosigkeit, Scham und Isolation sind mit den Erinnerungen verbunden, bis heute lebendig und schockierend", wirft Mary den Legionären Christi vor.

In Wakefield weiß die heutige Leitung, dass in der Vergangenheit viel falsch gelaufen ist. "Wir entschuldigen uns für alle Fehler, die von unserem Orden in der Vergangenheit gemacht wurden", sagte die Schulleiterin Margarita Martinez und verwies auf Reformen.

Reformen und Einsicht

Nach aktuellen Angaben wurden auf Geheiß von Kardinal De Paolis die Regeln in Wakefield bereits deutlich gelockert. Private Post werde nicht mehr kontrolliert, Freizeit gewährt und die Kleiderordnung erlaube nun auch kurze Hosen bei sportlichen Aktivitäten, sagte Sasha Jurchak, die bis Mai an dem Programm teilnahm.

"Ich glaube fest daran, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen, mit dem Heiligen Geist als Führer", sagte Schulleiterin Martinez. Den 77 ehemaligen Schutzbefohlenen genügt das nicht. Sich auf die Reformen zu verlassen, sei zu riskant, schrieben sie an den Vatikan. Eltern müssten dringend davor gewarnt werden, ihre Kinder in die Einrichtungen der Legionäre Christi in den USA, Mexiko oder Spanien zu senden.

Schon 2009 erschütterte ein Skandal die Legionäre Christi. Damals stellte sich heraus, dass der 2008 verstorbene Gründer Marcial Maciel zu Lebzeiten Kinder missbraucht und Drogen genommen hatte sowie Vater dreier Kinder war. Daraufhin setzte Papst Benedikt XVI. den Kardinal De Paolis als Leiter des Ordens von außen ein. Die neuen Enthüllungen und Vorwürfe dürften im Vatikan wieder für Aufruhr sorgen. In Deutschland sind die Legionäre Christi auch mit ihrer Laienorganisation Regnum Christi tätig.




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