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Katholische Bischofe Achten Steuerverweigerer

Die Welt
September 20, 2012

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Die deutschen Bischofe haben Sanktionen fur Kirchenaustritte beschlossen: Wer keine Kirchensteuer zahlt, wird faktisch exkommuniziert. Die Oberhirten reagieren mit klarer Kante auf ein heikles Thema. Von Lucas Wiegelmann

Die Frage ist so alt wie das Christentum selbst. Schon die Apostel Petrus und Paulus haben sich daruber in die Haare bekommen. Und wenn es stimmt, was im Katechismus steht, dann wird diese Frage spatestens nach unserem Tod noch einmal ziemlich wichtig werden: Wer gehort eigentlich zur Kirche? Wer ist Mitglied in der Gemeinschaft der Glaubigen – und wer muss drau?en bleiben?

Diese Frage ist unter deutschen Katholiken derzeit umstritten wie lange nicht mehr. Seit einigen Jahren vertreten manche Gelehrte die Auffassung, man konne auch katholisch sein, ohne Kirchensteuer zu zahlen. Es musse moglich sein, aus der Kirche als Korperschaft offentlichen Rechts auszutreten, damit die Steuer zu umgehen – und sich trotzdem weiterhin als glaubig und als Mitglied der Kirche zu empfinden.

Das Seelenheil, so argumentieren sie, hange nicht von einer monatlichen Zahlung ab, und eine Austrittserklarung ans Standesamt sei ein burokratischer Kontakt mit dem Staat, der keinerlei Folgen fur das Leben in der Glaubensgemeinschaft Christi habe.

Ganz katholisch – oder gar nicht

Eine heikle Debatte fur die katholischen Bischofe, immerhin ruhrt sie an das Selbstverstandnis jedes einzelnen Glaubigen, und gleichzeitig stellt sie das bisherige System der Kirchensteuer grundsatzlich in Frage. Nach monatelangen Verhandlungen haben sie daher nun ein Gesetz erlassen, das die Debatte beenden soll.

Das "Allgemeine Dekret", das die deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag veroffentlicht hat, legt nun eindeutig fest: Wer katholisch sein will, muss entweder ganz dabei sein oder gar nicht. Die Kirche lasst sich nicht in einen weltlichen Apparat und eine geistliche Glaubensgemeinschaft aufspalten; beides gehort zusammen.

Wer aus der Kirche austritt, kann kein Katholik mehr sein. Er verliert die Mitgliedschaftsrechte der Kirche, so lange, bis er wieder zuruckehrt.

Der Papst personlich hat das Papier gebilligt

Wortlich hei?t es in dem zwei DinA4-Seiten langen Dokument, das der Papst personlich gebilligt hat und das am 24. September in Kraft tritt: "Die Erklarung des Kirchenaustritts vor der zustandigen zivilen Behorde stellt als offentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenuber der kirchlichen Gemeinschaft."

Wer austritt, versto?e "gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren", sowie "gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfullen kann".

Entsprechend mussen ausgetretene Christen mit bestimmten Sanktionen ("Rechtsfolgen") rechnen: Wer keine Kirchensteuer zahlt, kann kunftig nicht mehr die Kommunion empfangen, gefirmt werden oder zur Beichte gehen. Er kann keine Taufpatenschaften mehr ubernehmen und keinem offentlichen kirchlichen Verein mehr angehoren.

Erlaubnis fur Trauung hangt an Bedingungen

Fur eine kirchliche Trauung kann er eine Sondergenehmigung bekommen, unter der Bedingung, dass er "die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung" verspricht. Schlie?lich hei?t es: "Falls die aus der Kirche ausgetretene Person nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begrabnis verweigert werden." Zusammengefasst sind die Folgen eines Kirchenaustritts damit dieselben wie bei einer Exkommunikation.

Gleichzeitig mussen sich die Pfarrer kunftig darum bemuhen, verlorene Schafe wieder in die Kirche zuruckzuholen. Als Zusatz zu ihrem Dekret haben die Bischofe ein "Pastorales Schreiben" beschlossen.

Teilt ein Katholik dem Standesamt seinen Austritt mit, muss der fur ihn zustandige Pfarrer ihm diesen Brief schicken und ihm darin ein klarendes Gesprach anbieten, das zur "Versohnung mit der Kirche" fuhren soll. Neben dem Gesprachsangebot listet das Schreiben auch die besagten Sanktionen auf, die mit dem Kirchenaustritt verbunden sind.

Freiburger Theologe wollte Prazedenzfall schaffen

Das Dekret der Bischofe ist eine Sonderregelung, die nur in Deutschland gilt. Das deutsche Kirchensteuersystem stellt namlich eine Ausnahme dar, in den meisten anderen Landern hat die katholische Kirche die Beitragszahlungen ihrer Mitglieder anders geregelt. Die deutsche Kirchensteuer wurde im 19. Jahrhundert eingefuhrt, als Ausgleichszahlung fur die Verstaatlichung kirchlicher Besitztumer (Sakularisation).

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Zapp trat aus der Kirche aus, erklarte aber, sich trotzdem weiterhin als katholisches Kirchenmitglied zu empfinden. Dabei konnte er sich auf bestimmte vatikanische Gesetzestexte berufen, die einen Kirchenaustritt nicht von staatlichen Stellen abhangig machen, sondern einzig und allein von der inneren Haltung des Glaubigen.

Rom widersprach den deutschen Bischofen

Au?erdem vertrat Rom bisher stets die Position: Egal, was ein Glaubiger irgendeinem deutschen Standesamt gegenuber erklart – so lange er der Kirche nichts von Austritt erzahlt, wird er als Mitglied behandelt. Rein theologisch betrachtet ist ein Kirchenaustritt sowieso gar nicht moglich. Wer einmal getauft ist, gehort unwiderruflich zur katholischen Gemeinschaft.

Die Bischofskonferenz steckt bei dem Thema in der Zwickmuhle. Sie muss sich gegen Kirchenaustritte wehren, aber egal wie sie das tut, sie setzt sich zwangslaufig dem Verdacht aus, nur auf das Steuergeld scharf zu sein.

Gleichzeitig werfen Kritiker den Bischofen vor, den Willen des Vatikans zu ignorieren. Entsprechend schwierig war die Verhandlungsposition der deutschen Bischofe, die in dieser Frage unbedingt Klarheit schaffen wollten.

Das bose Wort "Exkommunikation" wird vermieden

Das nun vorgestellte Papier stellt einen Kompromiss mit Rom dar. Die deutschen Bischofe haben sich mit ihrem Wunsch durchgesetzt, dass die Teilnahme am katholischen Leben nach einem Austritt faktisch unmoglich ist.

Dafur haben sie symbolisch davon abgesehen, das Wort "Exkommunikation" zu verwenden – auch wenn die von ihnen beschlossenen "Rechtsfolgen" fur Ausgetretene faktisch dasselbe bedeuten.

Diesem Kompromiss ging ein monatelanges Gezerre voraus. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick haben den Wortlaut erarbeitet und den Text dann auf seinen Weg durch die vielen Ebenen und Hierarchien der katholischen Gesetzgebung geschickt.

Die deutschen Oberhirten zeigen klare Kante

Die Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz hat ihn bereits im Marz 2011 abgesegnet; danach haben sich in Rom Vertreter der Glaubenskongregation, der Bischofskongregation und des Papstlichen Rates fur die Gesetzestexte daruber gebeugt. Auch der Papst hat sich eingeschaltet. Erst vor wenigen Tagen hat die Deutsche Bischofskonferenz schlie?lich grunes Licht aus Rom bekommen.

Diplomatisch gesehen ist das ein Erfolg fur die deutschen Oberhirten. Sie haben nun papstliche Ruckendeckung fur ihren Kurs, klare Kante zu zeigen und Kirchenaustritte als Abfall vom Glauben zu interpretieren.

Viele katholische Glaubige, die im klaren Bekenntnis zu ihrer Kirche leben und das auch von anderen erwarten, durften damit zufrieden sein. Das Signal lautet: Ein bisschen katholisch gibt es nicht, es gibt nur Vollmitgliedschaft oder gar nichts.

"Euer Ja sei ein Ja"

Katholiken, die gern Steuern sparen mochten, aber trotzdem nicht auf Orgelmusik bei der Hochzeit oder Weihrauch bei der Beerdigung verzichten mochten, werden vor eine klare Wahl gestellt, sie mussen sich selbst Rechenschaft ablegen und entscheiden, ob sie auf kirchliches Leben wirklich vollig verzichten wollen und konnen. "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein", wie es in der Bibel hei?t.

Und doch durften sich die Bischofe bewusst sein, dass sie ein hohes Risiko eingehen. Das Risiko, als unbarmherzig und unnachgiebig zu gelten, als sanktionsfreudig und als geldgierig. Damit vergro?ern sie ungewollt auch die Gefahr, dass sich manche Unentschlossene oder bereits Ausgetretene endgultig abwenden. Und die jahrhundertealte Streitfrage, wer denn nun eigentlich zur Kirche gehort und wer nicht, auf ihre personliche Art beantworten: Ich nicht.

 

 

 

 

 




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