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Kirchensteuer, Weltbild Und Die Kirchliche Wahrhaftigkeit

kath.net
September 27, 2012

http://www.kath.net/detail.php?id=38241

Offener Brief an die DBK: „Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil es Sie „fur viele Menschen als Vertreter eines florierenden Gro?unternehmens mit angehangtem defizitarem Religionsbetrieb erscheinen lasst“. Von Michael Schafer

Fulda (kath.net) Dr. phil. Michael Schafer (Foto) wendet sich in einem offenen Brief an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz:

Hochwurdigster Herr Bischof,

noch nie hat mich die Kenntnisnahme einer kirchlichen Verlautbarung so emport wie die Lekture des „Allgemeinen Dekretes der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“. Faktisch wohl ein Schachzug im Kontext anstehender gerichtlicher Auseinandersetzungen, setzt das Dokument das zivilrechtliche Verlassen der „Kirchensteuer-Gemeinschaft“ auf eine Stufe mit dem offentlichen Abfall von der Kirche als Glaubensgemeinschaft und belegt diesen Akt mit hochsten kirchlichen Strafen. Dabei unterlauft es in der Begrundung die eigentliche Fragestellung und spiegelt durch die Verknupfung verschiedener Canones des CIC eine kirchenrechtliche Eindeutigkeit vor, die mitnichten gegeben ist. Um die Hartherzigkeit des ganzen Vorgangs zu verbergen, vermeidet der Text den hasslichen Begriff „Exkommunikation“ fur das Bundel an verhangten Strafma?nahmen und verordnet eine „pastorale“ Ma?nahme in Gestalt eines Formbriefes (sic!).

Niemand bestreitet die Verpflichtung jedes Glaubigen, nach seinen Moglichkeiten an der Finanzierung der Kirche mitzuwirken. Die entscheidenden Fragen aber sind, ob a) die Verweigerung der Teilnahme am deutschen Kirchenfinanzierungsmodell ein Versto? gegen die „Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche“ (c. 209 §1 CIC) darstellt und, falls ja, ob b) dieser Versto? mit dem faktischen Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft bestraft werden kann/muss.

Es liegt auf der Hand, dass bereits die erste Frage nach Aussage der fur die authentische Interpretation des CIC zustandigen kirchlichen Instanz (Erklarung „ACTUS FORMALIS DEFECTIONIS AB ECCLESIA CATHOLICA“ des papstlichen Rates fur die Interpretation von Gesetzestexten aus dem Jahr 2006) kaum mit Ja beantwortet werden kann.

Dies erhellt auch aus dem Kontext von c. 209 CIC. In den folgenden Canones ist zunachst von der Verpflichtung des Glaubigen zum Glaubenszeugnis durch personliche Heiligung sowie den damit korrespondierenden Rechten die Rede, bevor in c. 222 schlie?lich auch die Verpflichtung zur finanziellen Unterstutzung der Kirche genannt wird. Zwingend stellt sich angesichts dieser Priorisierungen die Frage, warum zum Beispiel das regelma?ige Fernbleiben vom Sonntagsgottesdienst kein Versto? gegen die „Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche“ darstellt und entsprechend auch mit keinem Verlust kirchlicher Rechte einhergeht.

Hiergegen konnte man einwenden, dass die Mi?achtung der Sonntagspflicht keinen offentlichen (Rechts-)Akt darstellt, der „Kirchenaustritt“ hingegen sehr wohl. Dieses Argument verkennt, dass die Bischofe durch das Festhalten an der spezifisch deutschen staatskirchenrechtlichen Konstruktion die Situation erst herstellen, in der es zur Verweigerung der finanziellen Unterstutzung eines rechtsformigen Aktes bedarf. In fast allen anderen Landern der Erde geschieht eine solche Verweigerung als vor dem „forum internum“ zu verhandelnde Sunde der Unterlassung. Faktisch ist der zivile „Kirchenaustritt“ ubrigens viel weniger „offentlich“ als die Verletzung der Sonntagspflicht. Letztere ist fur Familie, Freunde und Bekannte meist klar erkennbar, wohingegen es nicht selten vorkommt, dass dieser Personenkreis vom Kirchenaustritt eines Verstorbenen erst erfahrt, wenn man mit dem Pfarrer das kirchliche Begrabnis besprechen mochte.

Der Grund meiner Emporung liegt aber nicht auf der Ebene kirchenrechtlicher Erwagungen (fur die ich auch kein Fachmann bin).

Die Handhabung der Kirchensteuer in Deutschland ist im Kern ein geistlicher Skandal, weil sie gegen das Gebot der inneren Wahrhaftigkeit der Kirche versto?t und damit ihre Glaubwurdigkeit nach innen und au?en schwer beschadigt.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie das Geld zum wichtigsten Kriterium fur die Kirchenzugehorigkeit macht. Nicht das Glaubensbekenntnis und das Leben aus den Sakramenten macht den Deutschen zum katholischen Christen, sondern die Zahlung der Kirchensteuer.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie die Grenzen der sichtbaren Kirche falsch zieht. In Deutschland leben nicht 30 Millionen „offentliche“ Katholiken – ein Blick in die Kirchenbanke und Beichtstuhle genugt zur Feststellung dieser Tatsache. Die Katholiken sind nicht mehr Mehrheit, sondern Minderheit.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie gerade die gro?e Zahl von Menschen mit geringer kirchlicher Bindung dazu verleitet, sich in den letzten Fragen ihres Lebens in falscher Sicherheit zu wiegen („solange ich noch kirchlich beerdigt werde, ...“).

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie dem Eindruck Vorschub leistet, die Kirche sei zunachst eine Institution und als solcher ginge es ihr vor allem ums Geld. Kaum eine offentliche Diskussion uber kirchliche Dinge, die nicht von diesem Argument getrubt wird, das durch die Kirchensteuer ein hohes Ma? an (scheinbarer) Plausibilitat erhalt.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie den Glaubigen unterstellt, dass sie ohne den juristischen Zwang nicht bereit und in der Lage waren, die Kirche und ihre Werke hinreichend zu unterstutzen.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie die vielen guten Dinge, die in der Kirche getan werden, als Produkt einer steuerfinanzierten Institution erscheinen lassen und nicht als Zeugnis des in der Mitte unserer Gesellschaft lebendigen Glaubens an den Herrn Jesus Christus.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil es Sie, Herr Bischof, zwingt, sich mit Weltbild-Konzernen und ahnlichem Unfug zu beschaftigen und Sie fur viele Menschen als Vertreter eines florierenden Gro?unternehmens mit angehangtem defizitarem Religionsbetrieb erscheinen lasst.

Weil das alles so ist, mochte ich Sie, Herr Bischof, aufrichtig bitten: Prufen Sie vor Ihrem Gewissen, ob die Zeit nicht reif ist, durch den Ausstieg aus der staatlichen Finanzierung unserer Kirche Zeugnis abzulegen fur den Vorrang der Glaubensgemeinschaft vor der Institution, der inneren Kraft vor der au?eren Fassade und der freien Entscheidung vor dem rechtlichen Zwang,

Ich bin mir durchaus bewusst, dass der Verzicht auf die Kirchensteuer fur Sie auch eine Frage der Verantwortung fur die vielen Menschen darstellt, denen Sie als Arbeitgeber verpflichtet sind. Aber ist denn wirklich gesagt, dass eine freiwillig finanzierte Kirche uber weniger finanzielle Mittel verfugen wird? Konnte der Verzicht auf das staatskirchenrechtliche Privileg nicht ein Weg zu einer glaubwurdigeren, liebens- und unterstutzenwerteren Kirche sein? Konnte die gelebte Uberzeugung, dass Christsein zuvorderst eine Berufung ist, nicht ein Impuls fur die spezifischen Berufungen in der Kirche sein?

Zeigen nicht viele geistliche Aufbruche und Gemeinschaften, die sich au?erhalb der Kirchensteuermittel finanzieren mussen, dass die Bereitschaft zur gro?zugigen freiwilligen Unterstutzung vorhanden ist? Ganz praktisch: Sind nicht klug bemessene Ubergangsregelungen denkbar, die berechtigte bestehende Anspruche der kirchlichen Angestellten sichern? Gilt hier nicht ganz allgemein der Satz des Herrn: „Was habt Ihr solche Angst, Ihr Kleinglaubigen?“ (Mt 8,26).

Und sollte es so sein, dass der Verzicht auf die Kirchensteuer in der bisherigen Form zu der Einsicht fuhrt, dass wir kleiner, weniger zahlreich, weniger einflussreich, einfach armer sind als der status quo dies vorspiegelt: muss diese Wahrheit dann nicht auch auf den Tisch? Ist eine Erneuerung der Kirche und eine Wiederherstellung ihrer Glaubwurdigkeit uberhaupt moglich, ohne der Realitat ins Auge zu sehen?

„Die Wahrheit wird Euch frei machen“ (Joh 8, 32)?

Mit herzlichen Gru?en

Michael Schafer

 

 

 

 

 




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