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Irlands Schmutzige Wasche

By Martin Alioth
Neue Zurcher Zeitug
February 6, 2013

http://www.nzz.ch/aktuell/international/irlands-schmutzige-waesche-1.17984139



Der erste Bericht uber das Schicksal von rund 10 000 irischen Frauen in Waschereien katholischer Frauenorden im Zeitraum zwischen 1922 und 1996 ist am Dienstag in Dublin vorgestellt worden. Fruhere, aufsehenerregende Berichte uber systematischen Missbrauch in kirchlichen Anstalten hatten die sogenannten Magdalenerinnen ausgespart, denn der Staat vertrat bisher die Auffassung, es habe sich bei diesen Waschereien um private Organisationen gehandelt, in denen diese Frauen freiwillig arbeiteten.

Staatliches Umdenken

Der Bericht bestatigt indessen, was aus den Erinnerungen von Uberlebenden schon langst festgestanden war. Angehorige der irischen Polizei brachten gefluchtete Frauen routinemassig zuruck in die Waschereien, die ihrerseits dem staatlichen Fabrikinspektorat unterstanden. Ministerien und die Armee benutzten die Waschereien auf einer kommerziellen Basis. Der Staat selbst wies ein Viertel der Frauen ein. Doch der irische Premierminister, Enda Kenny, verweigerte am Dienstag im Parlament eine offizielle Entschuldigung im Namen des Staates. Er bedauerte bloss, dass es so lange gedauert habe, bis das Stigma von den Frauen entfernt worden sei, und dass sie unter diesen Bedingungen hatten leben mussen.

Zuruckgehend auf mittelalterliche Gepflogenheiten, als Mutter mit unehelichen Kindern in Kloster geschickt wurden, wurde die erste irische Wascherei fur diesen Zweck 1767 in Dublin eroffnet. Der Bericht beschaftigt sich indessen nur mit den zehn Waschereien, die nach der Grundung des irischen States 1922 bestanden. Die letzte schloss ihre Tore erst 1996. Sie wurden von vier katholischen Frauenorden als kommerzielle Unternehmen betrieben, doch die Wascherinnen bezogen keinen Lohn. Einmal monatlich erhielten sie – falls sie sich nichts zuschulden kommen liessen – einen Coupon, der zum Erwerb einer Seife ausreichte, wie ein Opfer berichtete.

Zeuginnen berichten, die Waschereien und die Schlafsale seien stets von hohen Mauern umgeben gewesen. Nachts wurden die Frauen eingesperrt, die Fenster waren vergittert. Die Arbeitstage waren lang; sie dauerten regelmassig bis elf Uhr nachts. Die Frauen erhielten bei ihrer Ankunft einen neuen Namen und eine Nummer. Ihre Haare wurden geschoren, ihre Post zensuriert. Ihre Kinder, sofern sie welche hatten, wurden ihnen weggenommen und anderswo betreut. Zahlreiche Uberlebende berichten indessen auch von «unbescholtenen» Familienumstanden, die zur Zersplitterung von Geschwistern fuhrten, beispielsweise der fruhe Tod von Eltern. Gemeinsam war diesen Familien bloss die Armut.

Die Augen verschlossen

Die Zustande in den «Magdalen Laundries» waren in der Bevolkerung bekannt. Die damalige irische Gesellschaft verschloss die Augen vor der systematischen Einkerkerung und oftmals stattfindenden Misshandlung all jener, die sich den sterilen Regeln der Konformitat widersetzten, behindert waren oder ganz einfach zu arm, um sich wehren zu konnen. In Einzelfallen benutzte die Gesellschaft das von Kirche und Staat errichtete Zwangssystem, um unbequeme Familienmitglieder abzuschieben. Sie mussten ein Leben lang die schmutzige Wasche dieser Gesellschaft waschen.

 

 

 

 

 




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