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Wie Soll Es Nach Benedikt Weitergehen?

By Roman Eichinger Und Martin S. Lambeck
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February 17, 2013

http://www.bild.de/politik/inland/papst/vier-deutsche-bischoefe-und-die-kardinal-frage-28558548.bild.html

Die vier Bischöfe am Freitagvormittag in der Basilika der Benediktiner-Abtei Maria Laach in der Eifel: Franz-Peter Tebartz-van Elst, Robert Zollitsch, Stephan Ackermann und Karl-Heinz Wiesemann (von links)

Karl Kardinal Lehmann (76) aus Mainz ist Ex-Vorsitzender der Bischofskonferenz und wählt den neuen Papst mit „Der Zölibat bleibt“

Der deutsche Papst ist zurückgetreten, die katholische Kirche steckt in der Krise. Beim „Konklave“ von BILD am SONNTAG in der Klosteranlage Maria Laach diskutierten vier Bischöfe über die Gründe für Benedikts Rücktritt, die Anforderungen an seinen Nachfolger sowie über Zölibat, den Islam und die Rolle der Frau. Am Ende stieg zwar kein weißer Rauch auf, aber es ergriff auch noch ein Kardinal das Wort . . .

BILD am SONNTAG: Papst Benedikt XVI. ist am Montag überraschend zurückgetreten. Darf man Gott den Dienst aufkündigen?

ERZBISCHOF ROBERT ZOLLITSCH: Er hat Gott den Dienst ja nicht aufgekündigt, sondern gesagt: Meine Kräfte reichen nicht mehr aus, um diese Verantwortung voll wahrzunehmen. Dann soll es jemand anderes machen. Ich sehe das als Zeichen der Ehrlichkeit und Bescheidenheit. Auch der Stellvertreter Christi auf Erden ist ein Mensch.

Der Berliner Kardinal Woelki sieht das Papst-Amt durch den Rücktritt entzaubert. Stimmen Sie zu?

BISCHOF STEPHAN ACKERMANN: Es ist ein Schritt in Richtung Moderne. Die Möglichkeit eines Rücktritts war bislang ja eher theoretisch. Dass sie Papst Benedikt jetzt in die Tat umgesetzt hat und damit sein Amt nur auf Zeit ausgeübt hat, zeigt eine neue Qualität.

Haben Sie mit dem Rücktritt gerechnet?

BISCHOF FRANZ-PETER TEBARTZ-VAN ELST: Ich war völlig überrascht. Ich habe selbst mehrfach auf dem Petersplatz in Rom erleben dürfen, wie Benedikt in seiner bescheidenen Art viele Menschen in den Bann gezogen hat. Deshalb habe ich gedacht, er geht diesen Weg bis in den Tod.

BISCHOF KARL-HEINZ WIESEMANN: Jetzt konnte er noch in Freiheit zurücktreten. Später, vielleicht unter einer starken gesundheitlichen Beeinträchtigung, hätte es Spekulationen über die Freiheit einer Rücktrittsentscheidung gegeben. In diese Situation wollte er die Kirche nicht bringen. Klar ist: Eine Epoche geht zu Ende.

Herr Bischof Wiesemann, Sie haben in Ihrer Zeit in Rom direkt mit dem Papst zu tun gehabt. Was ist Ihre stärkste Erinnerung daran?

WIESEMANN: Am meisten beeindruckt hat mich die Tiefe des Wortes von Benedikt. Er ist ein Mensch, der den Glauben so tief verinnerlicht und durchdacht hat, dass er über das Denken hinaus in den ganz ursprünglichen Glauben gekommen ist.

Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann über...​

  • ...einen Papst aus Lateinamerika oder Afrika​

    „Es wäre für die Weltkirche kein Schaden, wenn der neue Papst aus einer Weltregion käme, in der das kirchliche Leben wächst“​

In seinem letzten öffentlichen Gottesdienst hat Benedikt am Mittwoch die Zerrissenheit der Kirche beklagt. Wie ist das zu verstehen?

ZOLLITSCH: Die katholische Kirche hat eine große, notwendige Bandbreite, aber es besteht die Gefahr, dass Flügel sich bekämpfen und die Einheit der Kirche nicht mehr im Mittelpunkt steht. Darunter hat Benedikt sehr gelitten, zumal der Pontifex als Brückenbauer die Aufgabe hat, für diese Einheit zu sorgen und die Kirche zusammenzuhalten. Das war die große Last seines Pontifikats.

Es wird darüber spekuliert und geschrieben, dass die Intrigen im Vatikan Benedikt zermürbt hätten. Wurde er aus dem Amt gemobbt?

ZOLLITSCH: Die Intrigen haben ihm zu schaffen gemacht, aber ich weiß, auch aus Gesprächen mit seinem Privatsekretär, dass sie nicht ausschlaggebend waren. Er hat schon im vergangenen Jahr, an seinem 85. Geburtstag, gesagt, dass die letzte Phase seines Lebens komme. Er hat gespürt, dass seine physischen Kräfte nachlassen.

ACKERMANN: Vieles war für ihn kräftezehrend, und er hat von Anfang an sicher unter der Last des Amtes gelitten. Schon in seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl hat er klargemacht, dass er sich nicht nach dem Papst-Amt gedrängt hat. Er hat die Wahl als Fallbeil gesehen, hat sie aber als von Gott gesandt und von der Kirche übertragen angenommen.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann über...​

  • ...den neuen Papst

    „Der neue Papst muss nicht liberal sein, sondern er muss klar sein und authentisch“​

Können die deutschen Katholiken stolz sein auf ihren Papst?

TEBARTZ-VAN ELST: Die deutschen Katholiken können sehr dankbar sein, dass sie einen Landsmann auf dem Stuhl Petri erleben durften – und das ganz unmittelbar wie beispielsweise bei seinen Deutschland-Besuchen. Ich bin stolz darauf, dass wir einen Deutschen als Papst hatten und ich bin davon überzeugt, dass Benedikts Amtszeit in wenigen Jahren als großes Pontifikat bewertet wird.

Worin liegt die Chance für die katholische Kirche durch den Papst-Rücktritt?

WIESEMANN: Das Petrus-Amt wird der Kirche in seiner Bedeutung noch einmal ganz neu bewusst. In einer Welt, die immer weiter auseinanderzudriften droht, muss es jemanden geben, der sich um die Einheit sorgt.

ZOLLITSCH: Der Nachfolger Benedikts kann neue Akzente setzen, unbelastet von den Vatileaks, unbelastet von der Krise um die Pius-Brüder.

Erzbischof Robert Zollitsch über...​

  • ...die Gründe des Rücktritts von Papst Benedikt XVI.​

    „Die Intrigen haben ihm zu schaffen gemacht, aber sie waren für den Rücktritt nicht ausschlaggebend. Er hat schon im vergangenen Jahr, an seinem 85. Geburtstag, gesagt, dass die letzte Phase seines Lebens komme. Er hat gespürt, dass sei ne physischen Kräfte nach lassen“

Was sind die wichtigsten Anforderungen an den neuen Papst?

ACKERMANN: Der Nachfolger muss eine spirituelle Führungsgestalt sein. Denn es gibt einen unglaublichen Hunger nach Spiritualität. Der neue Papst muss nicht liberal sein, sondern er muss klar sein und authentisch. Und er sollte ein Mann des Dialogs sein. Der Dialog mit den anderen Religionen wird die vielleicht wichtigste Aufgabe für den neuen Papst.

WIESEMANN: Wir haben uns zuletzt sehr stark auf die europäischen Debatten beschränkt, die ja von einem unglaublichen Säkularisierungsschub geprägt werden. Jetzt besteht die Chance, dass die Weltkirche stärker in den Mittelpunkt rückt. Meine Hoffnung ist, dass die Grabenkämpfe der letzten Jahre der Vergangenheit angehören.

Sollte der Nachfolger Benedikts aus Lateinamerika oder Afrika kommen?

ACKERMANN: Das wollen wir den Kardinälen im Konklave überlassen. Käme der neue Papst allerdings aus Afrika, würde die Zäsur des Rücktritts von Benedikt noch einmal betont. Die Kirche wird immer internationaler, und der Papst sollte das auch sein.

TEBARTZ-VAN ELST: Das Spannende an einem Konklave ist das Wirken des Heiligen Geistes. Dabei zeigt sich bei allen Kardinälen, wer welche Persönlichkeit des Glaubens ist. Der Geist Gottes bewegt in diesem Prozess die Wählenden in der Sixtinischen Kapelle. Wissen Sie: Der Heilige Geist ist von seinem Wesen her sehr dynamisch. Menschen, die an einem Konklave teilgenommen haben, können darüber berichten.

WIESEMANN: Wir müssen ganz nüchtern feststellen: In Europa nimmt kirchliches Leben eher ab. In anderen Teilen der Welt nimmt es zu. Es wäre für die Weltkirche sicherlich kein Schaden, wenn der neue Papst aus einer Weltregion käme, in der das kirchliche Leben wächst. Herr Erzbischof Zollitsch, in Deutschland steckt der Katholizismus in der Krise. Joachim Kardinal Meisner spricht von „Katholikenphobie“. Erzbischof Gerhard

Müller von einer „Pogromstimmung“ gegen Katholiken. Ist das realistisch?

ZOLLITSCH: Es gibt Fehler bei uns. Und wir spüren, wie unerfreuliche Einzelheiten dauerhaft im Fokus der öffentlichen Meinung stehen. Dabei wird dann leider oft übersehen, was alles an vielem Positiven geleistet wird. Es fehlt häufig an Differenzierung, und schnell wird nach der Maßgabe „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ gehandelt. Ich glaube schon, dass der katholischen Kirche in Deutschland oft Unrecht angetan wird. Nochmals: Fehler müssen benannt werden. Aber eben nicht nur die.

TEBARTZ-VAN ELST: Es weht uns gegenwärtig viel Wind ins Gesicht.

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst über...​

  • ...Benedikts Amtszeit

    „Die deutschen Katholiken können sehr dankbar sein, dass sie einen Landsmann auf dem Stuhl Petri erleben durften – und das ganz unmittelbar wie beispielsweise bei seinen Deutschland-Besuchen. Ich bin stolz dar auf, dass wir einen Deutschen als Papst hatten und ich bin da von über zeugt, dass Benedikts Amtszeit in wenigen Jahren als großes Pontifikat bewertet wird“​

ACKERMANN: Von einem Grundvertrauen in die Kirche ist es durch Vorfälle wie den Missbrauch von Jugendlichen zu einem Grundmisstrauen gekommen. Dann passt plötzlich alles Negative ins Bild. Die Tür geht auf, die Diskussion verstummt. Zum Papstgipfel von BILD am SONNTAG gesellt sich Karl Kardinal Lehmann, der am Konklave in der Sixtinischen Kapelle zur Papstwahl teilnehmen wird.

Wir sind jetzt bei der Diskussion um eine vergewaltigte Frau, die in Köln von katholischen Kliniken abgewiesen wurde. Ist dies das Werk des Teufels?

KARL KARDINAL LEHMANN: Zu der abgewiesenen Frau gibt es ja eine Vorgeschichte: In Köln sind zuvor Frauen zu den Kliniken geschickt worden, die gar nicht vergewaltigt waren. Es ging um den Test, ob katholische Kliniken vielleicht doch ein Rezept für die „Pille danach“ ausstellen würden. Angeblich wurde von interessierter Seite sogar eine Detektivin losgeschickt.


Papst Benedikt hat wegen des sexuellen Missbrauchs Jugendlicher durch Priester sehr gelitten. Herr Bischof Ackermann, Sie sind der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz. Was erwarten Sie bei diesem

Thema vom nächsten Papst?

ACKERMANN: Der nächste Papst muss die Linie der Aufklärung konsequent fortführen.

LEHMANN: Wir haben einen klaren Konsens in dieser Frage. Es geht um die Durchsetzungsfähigkeit bei der Missbrauchsbekämpfung. Viel schwieriger wird für den neuen Papst die Frage, wie man mit den Pius-Brüdern umgehen soll. Papst Benedikt hat ihnen viel Bedenkzeit gegeben.

Hätte er gegen die Pius-Brüder härter vorgehen sollen?

WIESEMANN: Er hat im Konflikt mit den Pius-Brüdern eine Versöhnungsaufgabe gesehen, die seiner Generation noch zustand. Deshalb hat er die Hand bis zur Schmerzgrenze und sogar darüber hinaus ausgestreckt. Er wollte der Kirche kein Schisma, also eine Abspaltung dieser Glaubensgruppe, hinterlassen. Das hat zu manchen Enttäuschungen geführt.

Der Islam ist weltweit auf dem Vormarsch. Was ist die Antwort der katholischen Kirche?

LEHMANN: Wir suchen grundlegend den Dialog mit dem Islam. Gerade Papst Benedikt hat diesen Dialog stark befördert. Schwierig wird es, wenn die muslimische Religion für ganz andere Zwecke instrumentalisiert oder Religion so verbreitet wird, dass sie keine Religionsfreiheit mehr bietet. Da sind dann klare Worte nötig.

Was meinen Sie genau?

LEHMANN: Es gibt auch die Wiedereinführung der Scharia mit Handabhacken und anderen Grausamkeiten in verschiedenen Ländern. Frauen werden in unerträglicher Weise entwürdigt. Wenn Muslime hier bei uns eine Moschee bauen können so hoch wie der Kölner Dom, dann möchte ich wenigstens in Saudi-Arabien eine Predigt halten können, ohne verhaftet zu werden. Auf dieses Gleichgewicht der Rechte kommt es im Verhältnis zwischen Islam und Christentum an. In Saudi-Arabien haben wir zum Beispiel ein solches Gleichgewicht nicht.

Was muss ein neuer Papst an der Rolle der Frauen in der Kirche ändern?

ZOLLITSCH: Genau darüber wollen wir in der nächsten Woche in Trier reden. Die Frauen genießen in der katholischen Kirche eine große Wertschätzung, das gilt auch für Führungspositionen. Bis auf das Weiheamt haben Frauen bei uns großen Einfluss.

LEHMANN: Mich hat überzeugt, dass der Vatikan auf der Uno-Weltkonferenz in Peking nicht von einem Bischof als Delegationschef vertreten wurde. Vielmehr kam die US-Juristin Anne Glandon als Delegationschefin.

Kardinal Karl Lehmann über...​

  • ...den Dialog mit dem Islam

    "Wir suchen grundlegend den Dialog mit dem Islam. Gerade Papst Benedikt hat diesen Dialog stark befördert. Schwierig wird es, wenn die muslimische Religion für ganz andere Zwecke instrumentalisiert oder Religion so verbreitet wird, dass sie keine Religionsfreiheit mehr bietet. Da sind dann klare Worte nötig"​

Könnte denn die Pflicht des Priesters zur Ehelosigkeit, der Zölibat, in der Amtszeit des neuen Papstes fallen?

ZOLLITSCH: Der neue Papst wird daran nichts ändern.

LEHMANN: Der Zölibat bleibt.

TEBARTZ-VAN ELST: Die Kirche hat gute Gründe, am Zölibat festzuhalten.

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