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Osterreich - DAS Land, in Dem Heimkinder Brutal Missbraucht Und Misshandelt Wurden

By Caroline Fetscher
Der Tagesspiegel
February 19, 2013

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/dokumentation-bei-phoenix-oesterreich-das-land-in-dem-heimkinder-brutal-missbraucht-und-misshandelt-wurden/7808216.html

Madchen, die als Neue zu den Nonnen ins Heim kamen, mussten die ersten Nachte zum Schlafen in einem Kellerraum unter der Kirche verbringen. Zum Eingewohnen, hie? es. Das war kein falsches Versprechen. Hilde, heute eine Erwachsene, erinnert sich an das Inventar des ungeheizten, unbeleuchteten Kellers bei den „Schwestern vom guten Hirten“: ein Hocker, ein Kubel, ein schimmelnder Strohsack, ein Plastiknapf fur Nahrung. „Man hat uns erzahlt, wir sind Teufel“, erinnert sich Hilde, die in den 1960er Jahren Heimzogling in Osterreich war. Kinder wie Hilde hatten geschiedene oder alleinerziehende Mutter, hatten kranke Eltern oder waren, wie es heute hei?t, „verhaltensauffallig“.

Markus’ Mutter gab ihn mit sechs ins Heim. „Weil ich ein schlimmes Kind war“, sagt der Erwachsene. In der Akte des Jungen war zu lesen, dass die Mutter ihn „hasst“; solche Zeilen lasen sich wie ein Freibrief fur Misshandler und Missbraucher.

Von den 50er bis in die 80er Jahre hinein erfuhren rund 100 000 Kinder und Jugendliche in Osterreich in staatlichen wie in kirchlichen Heimen eine Behandlung, die heutige Fachleute offen mit der Praxis faschistischer Einrichtungen vergleichen, aus denen das Personal teils sogar kam. Jahrzehntelang wurden die Taten in den Heimen und Internaten vertuscht, geleugnet oder bagatellisiert – in allen betroffenen Landern. Jetzt bricht aber uberall das Schweigen, zuletzt nun auch in Osterreich, dem Land, das vor kurzem erst international durch die traumatischen Falle des Taters Fritzl oder des Opfers Natascha Kampusch bekannt wurde.

In der Dokumentation „Missbraucht und misshandelt – Skandal in Osterreichs Kinderheimen“, die Phoenix heute Abend sendet, lasst die Dokumentarfilmerin Susanne Glass sie zu Wort kommen. Hilde, Markus, Sandra, Robert sind heute 50 Jahre und alter. Sie sind einige der etwa 2500 bis 3000 Opfer, die sich bisher gemeldet haben. In den Heimen habe „eine Alltagskultur der exzessiven Gewalt“ geherrscht, konstatiert der Sozialhistoriker Reinhard Sieder, Leiter einer Kommission, die im Auftrag der Stadt Wien Licht ins Dunkel bringen soll. Hans Weiss, Autor des 2012 erschienen Buchs „Tatort Kinderheim“, stuft die Taten als „das gro?te Verbrechen in der zweiten Republik in Osterreich“ ein. Weibliches Personal war laut Weiss ebenso an den Sadismen gegen Kinder beteiligt, wie mannliches Personal, und Jungen wurden ebenso oft missbraucht wie Madchen. Einige Heimkarrieren erweckten, wie Weiss in seinem Buch schreibt, den Eindruck, das Jugendamt habe wie in einem „osterreichweiten Test“ ausprobiert, welches Ausma? an Gewalt Kinder aushalten.

Viele der Tater sind inzwischen tot. Auch die Kinderpsychiaterin Maria Nowak-Vogl lebt nicht mehr, deren Fall erstmals 1980 in Osterreich ans Licht kam, der aber erst 2012, im Zuge der weltweiten Enthullungen, fur Schlagzeilen sorgte. Die Innsbrucker Neurologin lie? in ihrer Klinik Kinderbetten mit Kameras uberwachen und installierte „Feuchtigkeitsmelder“ auf den Matratzen von Bettnassern. Einem Vater, der seiner Sechsjahrigen zwei Fingerglieder amputiert hatte, damit sich das Kind nicht mehr selbst befriedigte, wollte Nowak-Vogl nichts vorwerfen. Ihre eigene Klinik nutzte Kinder ja fur medizinische Experimente. Personlich injizierte die Arztin einigen Madchen das „triebhemmende“ Mittel Epiphysan, ein Hormonpraparat, das in der NS-Veterinarmedizin entwickelt worden war.

Mehrere Kommissionen arbeiten an der Aufklarung der meist verjahrten Falle. Von einem der argsten Tatorte, der Wiener Madchenanstalt Schloss Wilhelminenberg, hie? es einst informell, dort handle es sich um ein „Hurenausbildungsheim“. Ehemalige Heimkinder berichten der heute mit dem Fall betrauten Richterin Barbara Helige, sie seien in Wilhelminenberg systematisch mannlichen Besuchern zum Sex angeboten worden. Gezweifelt, verdrangt wird jedoch noch immer in der osterreichischen Mehrheitsgesellschaft. Sie befindet sich offenbar, konfrontiert mit ihrem „Missbrauchtum“, mitten in einer Reifeprufung. Caroline Fetscher

„Missbraucht und misshandelt – Skandal in Osterreichs Kinderheimen“, Dokumentarfilm, Phoenix, Mittwoch, 21 Uhr.

 

 

 

 

 




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