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Radikaler Neubeginn in Rom?

Publik-Forum
March 19, 2013

http://www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/radikaler-neubeginn-in-rom?idw=20139908

Papst Franziskus, optimistisch gestimmt: Kann er die Schatten der Vergangenheit überspringen? Seine Rolle als Kirchenmann in Argentinien gibt noch Rätsel auf. Die einen sehen in ihm eine integere Persönlichkeit, die anderen glauben, dass seine Beziehungen zum politischen Establishment zu gut waren, um als neuer Heiliger durchzugehen

Wird Jorge Mario Bergoglio ein anderer Mensch? Der Argentinier auf dem Papststuhl orientiert sich am heiligen Franz von Assisi. Das ist ein hoher Anspruch. Er ist schwer einzulösen – mit der Vergangenheit im Gepäck

Wer sich als Papst Franziskus nennt, darf nicht herrschen – sofern er es ehrlich meint mit seiner Verehrung des heiligen Franz von Assisi. Das hat der Jesuitenkardinal Jorge Mario Bergoglio verstanden, als er sich für einen Namen entschied, den bisher kein Papst zu wählen wagte. Wird doch Franziskus von Assisi (1182-1226) als der »zweite Christus« verehrt; so rein und lauter war sein Leben, so radikal wollte er dem armen und gewaltfreien Jesus von Nazareth entsprechen. Es könnte wie eine Blasphemie erscheinen, wenn diesem zweiten Christus jetzt ein päpstliches Gesicht gegeben wird. In den ersten Tagen seines Pontifikates macht der Papst seinem Namenspatron alle Ehre: Er verzichtet auf prunkvolle Gewänder und die eleganten roten Schuhe; nach dem ersten Sonntagsgottesdienst verabschiedet er sich per Handschlag von den Gläubigen; er segnet – franziskanisch als Freund der Tiere – einen Blindenhund; er lässt sich von den begeisterten Menschen umarmen. Der Papst liebt wie Franziskus die einfache Rede ohne intellektuelle Höhenflüge; er macht Scherze, redet frei, ohne gestanzte Formeln. Dem Volk nahe sein, die Herzen der einfachen Leute gewinnen, das ist sein Ziel. Denn er steht unter Druck. Er muss förmlich und vehement um Sympathie werben und das menschfreundliche Gesicht der römisch-katholischen Kirche zeigen.

Nichts ist dringender bei dem umfassenden Vertrauensverlust, in dem diese Kirche steckt: Sexueller Missbrauch durch Priester und immer neue Finanzskandale sind nur zwei Stichworte. Papst Franziskus weiß: Nicht fromme Worte können heilen, sondern nur Taten, wenigstens nette Gesten. Und so verspricht er, mit den Armen solidarisch zu sein.

Franz von Assisi hat gesagt: »Die Armen sind unsere Meister.« Wird man diese Worte alsbald auch im Vatikan hören? Wie weit das gelingen kann in einem barocken Hofstaat hinter den festen Mauern von Renaissance-Palästen ist die große Frage. Wie man im Blick auf die Armen Theologie und Moral lebensnah vertreten kann, das ist eine noch nicht ausdiskutierte Aufgabe.

Ein Franziskus auf dem Papstthron bleibt paradox, hat doch der arme Mann aus Assisi Konflikte mit den mittelalterlichen Kirchenfürsten ausfechten müssen über seinen Weg des einfachen Lebens. Er war alles andere als ein Papstfreund. Vor Ausgrenzungen wurde er nur bewahrt, weil der machtversessene Papst Innozenz III. damals träumte, gerade dieser arme Laie aus Umbrien könne die zusammenstürzende Kirche retten. Der Künstler Giotto die Bodone (1266-1337) hat diesen Traum meisterhaft ins Bild gesetzt. Ob sich Papst Franziskus in dieser Rolle wiederfindet? Angesichts der korrupten Strukturen im Vatikan, angesichts der enormen Probleme in der Seelsorge aufgrund des Priestermangels, angesichts des massiven Auszugs junger Menschen und von Frauen aus der Kirche wäre es naheliegend, davon auszugehen. Aber wird ein Papst aus dem fernen Argentinien, mit dem vatikanischen Hofstaat wenig vertraut, dieser Herausforderung gewachsen sein? Vor allem: Kann ein Papst, der in Argentinien als Kardinal bis heute hoch umstritten ist, den Katholizismus wieder stärker mit dem Evangelium verknüpfen?

Angesehene argentinische Wissenschaftler, wie zum Beispiel der Religionssoziologe Fortunato Mallimaci, machen auf die »Schattenseiten« Bergoglios als Jesuitenprovinzial und Erzbischof aufmerksam. Er habe progressive Priester, die die Homo-Ehe verteidigten, des Amtes enthoben. Er habe, so wörtlich, »einen Kreuzzug zugunsten der klassischen Familienstruktur« unternommen. Er sei mit dem erzreaktionären Bischof von La Plata befreundet, habe ein sehr gebrochenes Verhältnis zur liberalen Demokratie, rede zu viel von der Macht des Teufels. Als Erzbischof habe er sich erfolgreich für das Verbot einer Ausstellung des renommierten Künstlers Leon Ferrari »wegen Blasphemie« eingesetzt.

Wird Jorge Mario Bergioglio als Papst möglicherweise ein anderer Mensch werden? Das ist genauso wenig auszuschließen wie die Vermutung, dass sein offenkundiger Populismus eine kluge Methode sein könnte, die zusammenstürzende Kirche zu retten.




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