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Missbrauch: Bistum Wurzburg in Der Kritik

Main Post
April 25, 2013

http://www.mainpost.de/regional/franken/Missbrauch-Bistum-Wuerzburg-in-der-Kritik;art1727,7432255

Reaktion auf Enthullungen: Bischof Friedhelm Hofmann stellte im Marz 2010 Klaus Laubenthal als Ansprechpartner fur Opfer sexuellen Missbrauchs vor.

Sie fordern Transparenz statt weitere Vertuschung. Bislang schweigt das Ordinariat.

Fur Bischof Friedhelm Hofmann sind die 2010 auch in seiner Diozese ans Licht gekommenen Missbrauchsfalle durch katholische Geistliche erfolgreich bewaltigt worden. In dieser Zeitung lobte er jungst die „transparente Aufarbeitung“ und „ruckhaltlose Aufklarung“ der Vorwurfe. „Ich kenne keine Einrichtung in Deutschland, die Opfern sexuellen Missbrauchs in ahnlicher Weise entgegenkame“, lobte der Bischof die finanzielle Entschadigung, die die katholische Kirche leistet. Auf der Fruhjahrskonferenz der deutschen Bischofe war die durch den Missbrauchsskandal ausgeloste Vertrauenskrise gar kein Thema mehr.

„Ich bin ma?los enttauscht von der Kirche“, sagt dagegen einer, der mit seiner Aussage den Skandal vor gut drei Jahren offentlich gemacht hatte. Mit vier Mannern, die sich vor drei Jahren an Bistum und Justiz gewandt haben, hat diese Zeitung in den vergangenen Wochen gesprochen. Sie berichten, dass die Kirche ihnen in den vergangenen drei Jahren freiwillig keine Informationen uber ihre Falle gegeben hat. Eine finanzielle Entschadigung sei ihnen nicht angeboten worden. Weder Anteilnahme hatten sie erfahren noch Gerechtigkeit.

„Wie mit uns umgegangen wird, ist ein moralischer Offenbarungseid“, sagt ein Opfer. Anstelle von „Transparenz“ sprechen Geschadigte von „Vertuschung“, statt von „Aufklarung“ von „Totschweigen“. Ihre Namen sind der Redaktion bekannt, werden aber nicht genannt, da die Befragten in ihrem Umfeld nicht als Missbrauchsopfer wahrgenommen werden. „Ich kann daruber reden, aber ich mochte selbst bestimmen, mit wem“, erklart zum Beispiel Jurgen K. seinen Wunsch nach Anonymitat. K. hatte 2010 bei der Wurzburger Staatsanwaltschaft ausgesagt, als Jugendlicher in den 80er Jahren in Wurzburg vom damaligen Diozesankaplan Damian Mai misshandelt, gedemutigt und sexuell missbraucht worden zu sein. Ihm wie auch anderen ehemaligen Schutzlingen des Paters geht es nicht um Rache.

„Ich will ihm nicht schaden oder so“, sagt Peter W. „An dem, was passiert ist, andert sich ohnehin nichts. Da ist nichts wiedergutzumachen.“ Der heute 53-Jahrige hatte 2010 bei Kirche und Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben, was ihm Damian Mai in den 70er Jahren in einem Internat angetan habe und wie dies von der Kirche vertuscht worden sei. „Ich bereue das nicht“, sagt er heute zu seinem „Outing“, zu dem er sich damals lange durchringen musste. „Obwohl es naturlich nicht angenehm war, das Ganze wieder hochkommen zu lassen.“

Juristische Folgen hatten die Aussagen von W. und sieben weiteren Opfern nicht. Nach Informationen dieser Zeitung hielten die Ermittler den Beschuldigten zwar fur padophil und sein Verhalten fur strafbar, doch da die Taten verjahrt waren, wurden die Ermittlungen im August 2010 eingestellt, was der Pater als Freispruch wertete. Ordinariat und Ordensleitung erklarten dagegen den Pater moralisch fur schuldig. Der Diozesankaplan wurde suspendiert und musste Wurzburg verlassen. Er lebt au?erhalb eines Klosters und darf die Messe lediglich in einem Altenheim feiern. Weitere seelsorgerliche Tatigkeiten sind ihm untersagt.

Gegenuber dieser Zeitung will sich der heute 79-Jahrige nicht au?ern. 2010 war er selbst mit seinem Namen in die Offentlichkeit gegangen, um sich gegen die Vorwurfe zu verteidigen. Auch heute streitet er nach Informationen dieser Zeitung alles ab.

Weil die Kirche aber nicht ihm, sondern den Opfern glaubt, wurde vor drei Jahren ein kirchenrechtliches Verfahren gegen den Pater eroffnet, in dem jenseits staatlichen Straf- und Zivilrechts Schuld und Bestrafung des Paters verhandelt werden. Ihm drohen Disziplinarma?nahmen bis zur Entlassung aus dem Klerikerstand. Warum ist das Verfahren nach drei Jahren immer noch nicht beendet?

„Da mussen Sie Rom fragen“, sagt der Pressesprecher der Diozese Wurzburg, Bernhard Schwe?inger, auf die Frage, weshalb das kirchenrechtliche Verfahren von der Glaubenskongregation im Vatikan zuruck an die Diozese verwiesen wurde. Zunachst hie? es, dass die Ordensleitung der Franziskaner-Minoriten fur die kircheninterne Bewertung des Falls zustandig ist. Dann horte man, Rom habe ihn ubernommen. Jetzt erklart die Diozese, seit 2012 ist der Fall in Wurzburg in den Handen eines vom Bischof bevollmachtigten Diozesanrichters und zwei Beisitzern. Wann ein Urteil erfolgt, sagt der Pressesprecher nicht, „da wir uns zu einem laufenden Verfahren nicht au?ern durfen“.

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Diozese, Klaus Laubenthal, wei? nicht, warum sich die kirchenrechtliche Beurteilung so lange hinzieht. „Wenn es so weit ist, wird nach meiner Einschatzung eine nachhaltige Reaktion erfolgen.“ Eingebunden ist der Jurist in dieses oder ahnliche Verfahren nicht. Als Ansprechpartner der Opfer pruft er nur die erste Plausibilitat ihrer Vorwurfe.

Die Nachfrage beim Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten ergibt immerhin, dass sich das Verfahren in der „abschlie?enden Phase“ befindet. Zu gegebener Zeit werde man gemeinsam mit der Diozese eine Stellungnahme abgeben.

Aber auch andere Fragen bleiben offen: Wie viele kirchenrechtliche Verfahren wurden aufgrund ihrer Aussagen eingeleitet? Wie viele davon abgeschlossen? Wie vielen Kirchenmannern wurde Schuld nachgewiesen? Auf alle diese Fragen gibt die Pressestelle der Diozese Wurzburg momentan keine Antwort – und befindet sich damit in guter Gesellschaft.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz nennt nicht die Zahlen von Opfern, eingeleiteter kirchenrechtlicher Verfahren oder uberfuhrter Tater. „Wir konnen keine Auskunft uber einzelne Bistumer geben, weshalb ich Sie bitte, sich an die 27 deutschen Bistumer zu wenden“, beantwortet Sprecher Matthias Kopp die Anfrage.

Im Vatikan hat das Politmagazin „Report Mainz“ vor einem Jahr nach dem Stand der eingeleiteten kirchenrechtlichen Verfahren gefragt. Eine Antwort bekam der Sender nach Auskunft der Redaktion bis heute nicht.

Die Opfer interpretieren das Schweigen auf ihre Weise. „Der Kirche ist immer noch nicht klar, dass die Missbrauchsfalle keine individuellen Fehltritte waren, sondern von ihrer Institution ermoglicht wurden“, meint Jurgen K.

Auch fur Peter W. steht fest: „Tauschen und Vertuschen gehoren ja doch leider zum Alltagsgeschaft der Kirche. Verschweigen und Manipulieren statt Aufarbeiten scheint die Devise zu sein.“ Der Wurzburger Bischof setze wohl darauf, dass das offentliche Interesse nachlasse und sich der Fall Damian irgendwann von selbst erledige.

Der ehemalige Schuler des Franziskaner-Paters, Karl M., hatte sich Ehrlichkeit erhofft. „Ich wurde mir wunschen, dass so viel wie moglich offengelegt wird, damit ich es verstehen kann.“ Er mochte wissen: „Warum hat uns damals niemand geholfen? Warum haben alle weggeschaut? Warum hat man zugelassen, dass es immer wieder passiert?“

Die Aussagen der vier Manner ahneln sich in diesem Punkt. Ihre Wunden scheinen nicht heilen zu konnen, solange nicht das Ausma? des Verbrechens erkannt ist, solange nicht auch dessen strukturelle Grunde offen ausgesprochen und untersucht werden.

„Das ist der Kirche zu wenig klar“, meint Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung „Wir sind die Kirche“. Aufklarung werde nicht als Pflicht gegenuber den Opfern gesehen, sondern aus Imagegrunden betrieben. Christian Weisner glaubt: „Vielen Verantwortlichen der Amtskirche fehlt es an Einfuhlungsvermogen in die Perspektive der Opfer.“

Folgen des Missbrauchskandals

56 plausible Missbrauchsvorwurfe gegen katholische Geistliche sind laut dem Missbrauchsbeauftragten der Diozese, Klaus Laubenthal, 2010 in Wurzburg eingegangen. Daraus sind neun Strafverfahren entstanden, die die Staatsanwaltschaft wegen Verjahrung der Taten eingestellt hat. Wie viele kirchenrechtliche Verfahren eingeleitet wurden, ist nicht bekannt. Teilweise wurden Tater in den Ruhestand versetzt, aus der Seelsorge entfernt und Bezuge gekurzt. Nach Auskunft Lauben-thals hat das Bistum bis Anfang 2013 37 000 Euro Entschadigung an neun Opfer gezahlt. Laut Recherche der Bewegung „Wir sind Kirche“ haben sich in Deutschland bislang circa 2500 Opfer sexueller Gewalt durch Geistliche gemeldet, rund 1200 Tater wurden genannt. Ende 2012 erklarte die Bischofskonferenz, dass 1200 Opfer Antrage auf Entschadigung gestellt hatten, Zahlen uber Tater und kirchenrechtliche Verfahren fehlen. Laut einer Umfrage von „Report Mainz“ wurde Ende 2011 in 20 Bistumern gegen 51 Geistliche kirchenrechtlich ermittelt, bei 28 lief das Verfahren noch, 18 Priester waren suspendiert, zwei aus dem Klerikerstand entlassen worden. TEXT: MANU

 

 

 

 

 




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