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Missbrauch „vom Klager Uber Jahre Hinweg Erlittenes Leid“

By Manfred Seeh
Die Presse
May 11, 2013

http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/1400635/Missbrauch_Vom-Klaeger-ueber-Jahre-hinweg-erlittenes-Leid

Ein ehemaliger Schuler des Stiftsgymnasiums Kremsmunster zieht gegen das Stift und einen Ex-Internatsleiter vor ein Zivilgericht. Als Beweismittel dient auch ein „Presse“-Interview.

Kremsmunster/Steyr. „Der Klager wurde als Schuler des Konviktsgymnasiums und des angeschlossenen Internats in Kremsmunster jahrelang systematisch und wiederholt korperlich misshandelt und seelisch gequalt.“ So beginnt eine Zivilklage, die nun das Landesgericht Steyr, Oberosterreich, abzuhandeln hat. Der Klager tritt unter dem Pseudonym Roland H. auf. Er ist 45 Jahre alt. Und sieht sich als Opfer eines – wie er der „Presse“ sagt – „menschenverachtenden“ Systems. Des „Systems Kremsmunster“.

Wie kam es zur Klage? Schlie?lich hat das Stift vor dem Hintergrund diverser, gro?teils Jahrzehnte zuruckliegender Missbrauchs- und Misshandlungsfalle Aufarbeitung betrieben. Es hat vor allem mit der von der Kirche eingesetzten Klasnic-Kommission kooperiert. Nach Angaben des Abtes Ambros Ebhart wurden 38 Falle gemeldet, davon 29 wegen sexuellen Missbrauchs von Schulern. Mehr als 700.000 Euro seien von der Klasnic-Kommission allein an Opfer aus Kremsmunster ausbezahlt worden.

Auch Roland H. hat eine Entschadigung bekommen. „Eine sehr geringe Summe“, gibt er im „Presse“-Gesprach an. Auf dem Zivilrechtsweg begehrt er nun vorlaufig (Ausdehnung vorbehalten) 30.000 Euro Schadenersatz. Zudem will H., vertreten von Anwalt Johannes Ohlbock, die gerichtliche Feststellung erwirken, dass die beklagten Parteien „fur samtliche Schaden des Klagers aus den Misshandlungen in der Schulzeit“ haften. Sein Interesse an dieser Feststellung bewertet H. mit weiteren 5000 Euro.

Auf Beklagtenseite finden sich das Stift, vertreten durch Abt Ambros Ebhart, und der mutma?liche Peiniger, der fruhere Internatsleiter Pater A. – ein mittlerweile 79-jahriger Mann, dem auch, wie berichtet, strafgerichtliche Konsequenzen drohen. Eine Anklageschrift unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs mehrerer Opfer liegt schon vor. Der Vatikan hat uber Pater A. bereits quasi die „Hochststrafe“ verhangt: Er wurde im April 2012 von Papst Benedikt XVI. in den Laienstand zuruckversetzt.

Brief mit Interviewpassage an den Vatikan

Zuruck zur Zivilklage. Auch diese wird dem Vatikan nicht verborgen bleiben. In einem Brief, der der „Presse“ vorliegt, wendet sich Roland H. nun auch an Papst Franziskus. Darin unterrichtet er das Kirchenoberhaupt von der ersten Tagsatzung (diese fand, wie berichtet, am Dienstag statt) und von einem Interview, das Abt Ambros im Marz 2011 der „Presse“ gab. Anlasslich der Missbrauchsfalle sagte der Abt: „Fur uns gibt es keine Verjahrung.“ Und: „Es gibt nichts zu beschonigen, und ich mochte mich bei allen Opfern aus tiefstem Herzen entschuldigen (...).“ Zu dem „Presse“-Interview teilt Roland H. dem Heiligen Vater noch etwas mit – etwas, das auch bereits dem Zivilgericht in Steyr bekannt ist. In der Klagebeantwortung seitens des vom Abt vertretenen Stifts hei?t es namlich: „Unabhangig davon, welcher konkrete Anspruch mit dieser Klage geltend gemacht wird, wird jedenfalls der Einwand der Verjahrung erhoben.“ Ob der Papst dies als Widerspruch sieht, lasst sich derzeit allerdings noch nicht sagen. Die Klagerposition steht indes fest: „Das Wort eines Abtes kann man nicht als Schonwetterrede deuten, sondern muss es entsprechend der Wurde des Amtes bewerten.“

Abt Ambros lie? die „Presse“ wissen, dass er zu dem Interview stehe. Die strittige Aussage „hat sich jedoch ausschlie?lich auf jene Anspruche bezogen, die von den Opfern gegenuber der Klasnic-Kommission geltend gemacht wurden. Ich habe diese Zusage auch eingehalten und die von der Klasnic-Kommission geforderten Entschadigungszahlungen im Namen des Stiftes beglichen, ohne mich auf den Einwand der Verjahrung zu berufen. Ich mochte in diesem Zusammenhang auf eine Au?erung von Kardinal Schonborn verweisen, welcher stets an die Opfer von sexuellem Missbrauch in der Kirche appelliert, die kirchlichen Angebote zur Aufklarung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach Kardinal Schonborn habe jedoch jeder Beklagte vor Gericht das gute Recht, ,sich zu verteidigen, einschlie?lich der Einrede auf Verjahrung‘.“

Opfer war zehn Jahre alt, als alles begann

Wie es vor dem Zivilgericht weitergeht, hangt von der Frage der Verjahrung ab. Ein Psychiater muss klaren, ob fur den Klager – er war von 1977 bis 1981 im Konviktsgymnasium – eine 30-jahrige Verjahrungsfrist gilt oder nicht. Liegt bei H. Dissoziation (Auseinanderdriften von Wahrnehmung und Gedachtnis) vor, sei die Verjahrung gehemmt, meint Anwalt Ohlbock. Dann wurde „das vom Klager uber Jahre hinweg erlittene Leid“ (Klage), sexuelle und sadistische Demutigungen, gepruft werden mussen. Roland H. sagt, er sei erst zehn Jahre alt gewesen, als sein Martyrium begann. Dies habe „seine ganze Personlichkeit gebrochen“.

Auf einen Blick

Zivilklage. Das Stift Kremsmunster wird von einem ehemaligen Schuler auf Schadenersatz geklagt. Gesamtstreitwert: 35.000 Euro. Der heute 45 Jahre alte Mann macht sowohl sexuelle Demutigungen als auch korperliche Misshandlungen, erlitten zwischen 1977 und 1981, geltend. Als Haupttater bezeichnet er jenen 79 Jahre alten ehemaligen Internatsleiter, gegen den auch bereits eine strafgerichtliche Anklage (andere ehemalige Zoglinge betreffend) vorliegt. Zudem gibt der Klager an, dass auch funf andere Erzieher bzw. Lehrer sich schuldig gemacht hatten. Das Stift weist die Klage zuruck.

 

 

 

 

 




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