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Statistik Belegt: Kein Grund Zum Feiern – Opferfonds Gescheitert

Helmut Jacob
May 24, 2013

http://helmutjacob.over-blog.de/article-bundesregierung-feiert-akzeptanz-des-opferfonds-fur-ehemalige-heimkinder-118007036.html

Den Opfern von physischer, psychischer und sexueller Gewalt in den zwei Nachkriegsjahrzehnten in meist kirchlichen Heimen wollte der „Runde Tisch Heimerziehung“ (RTH) unter Antje Vollmer wirklich helfen. So stellte es der RTH immer wieder offentlich dar. Von 2008 bis 2010 hatte der Tisch getagt und eine abschlie?ende Losung vorgeschlagen, die vom Deutschen Bundestag ubernommen wurde: „Der Runde Tisch halt eine Summe von 120 Millionen Euro fur die Ausstattung des Fonds / der Stiftung fur erforderlich, die sich aufteilt in 20 Millionen Euro fur den ‚Rentenersatzfonds’ und 100 Millionen Euro fur den ‚Fonds fur Folgeschaden der Heimerziehung’“. So geschrieben im Abschlussbericht des RTH. (1)

Die Bundesregierung feiert sich nun zum zweiten Mal selbst in einer Pressemitteilung vom 22.05.2013: „Die Unterstutzung fur ehemalige Heimkinder, denen Leid und Unrecht zugefugt wurde, kommt bei den Betroffenen an.“ Und weiter: „Die Betroffenen nehmen die Hilfsangebote sehr gut an. Seit dem Start des Fonds ‚Heimerziehung West’ am 1. Januar 2012 wurden mit rund 3.150 Personen Vereinbarungen zur Gewahrleistung konkreter Hilfen geschlossen. Ausgezahlt wurden circa 25 Millionen Euro. Beim Fonds ‚Heimerziehung Ost’ wurden seit dem 1. Juli 2012 funf Millionen Euro fur Leistungen an circa 1.250 Betroffene ausgezahlt.“ (2)

Da der Fonds fur die Opfer der ehemaligen DDR erst seit diesem Jahr wirksam ist, sind die bisherigen Zahlungen fur diese Gruppen nicht Thema des Verfassers dieses Beitrages.

Bereits im Oktober 2012 zog die Bundesregierung eine „erste positive Bilanz aus dem Fonds ‚Heimerziehung West’“. In der entsprechenden Pressemitteilung hei?t es weiter: „Bis heute seien 2.086 Vereinbarungen mit Opfern uber Rentenersatzleistungen und materielle Hilfen getroffen worden.“ (3) Auf eine entsprechende Ruckfrage des Verfassers wird das Bundesministerium fur Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Schreiben vom 14.11.2012 etwas konkreter: „Von den 2086 Vereinbarungen, die bis Mitte Oktober 2012 geschlossen wurden, sind 928 fur materiellen Bedarf und 1158 fur Rentenersatzleistungen. Fur beides werden jeweils separate Vereinbarungen geschlossen - es gibt keine Mischform (Ihre Frage c)).“ (4)

Es ist also deutlich, dass mit einer Anzahl von Antragstellern zwei Vereinbarungen geschlossen wurden und damit die tatsachliche Zahl der Antragsteller sich nicht mit den 2.086 Vereinbarungen deckt. Im Klartext: Die Zahl der Opfer, die Antrage gestellt haben, ist niedriger. Gleiches gilt fur die Zahl der Vereinbarungen zum derzeitigen Stand.

In der Pressemeldung vom Oktober 2012 weiter: „Insgesamt seien bislang 12,1 Millionen Euro an finanziellen und materiellen Leistungen gewahrt worden.“ Laut heutigem Stand seien bereits 25.000.000 Euro abgerufen.

Zusammengefasst:

Stand Oktober 2012 = 2.086 Vereinbarungen / 12,1 Mio. Ausgaben

Stand Mai 2013 = 3.150 Vereinbarungen / 25 Mio. Ausgaben fur Opfer West

Stand Opfer Ost = 1.250 Vereinbarungen / 5 Mio. Ausgaben fur Opfer Ost

In den bisherigen Ausfuhrungen des Verfassers an anderen Stellen, wurde davon ausgegangen, dass von den im Raum stehenden 800.000 Opfern wenigstens noch 400.000 leben. Um errechnen zu konnen, wie viele Opfer tatsachlich bis heute noch leben, wurde dem Verfasser vom Bundesamt fur Statistik die Zahl der Geburten 1950 und die Zahl der davon noch Lebenden 2011 telefonisch mitgeteilt. Demnach wurden 1950 1.116.701 Menschen geboren; davon lebten 2011 noch 1.050.350. Die meisten Opfer wurden zwischen 1940 und 1955 geboren. Das ist den Schilderungen im Internet zu entnehmen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Annahme von 400.000 noch lebenden Opfern mehr als abgesichert ist, ja, die Zahl wahrscheinlich viel hoher liegt.

Verbleibt man aber bei den 400.000 westdeutschen Opfern und stellt ihnen 3.150 Vereinbarungen gegenuber, ergibt sich ein Wert von 0,78 % von 400.000. Im Klartext: Weniger als 1 % der Heimopfer West hat Vereinbarungen mit dem Opferfonds abgeschlossen.

Hier von Erfolg und Akzeptanz des Opferfonds zu schreiben, ist irrwitzig.

Gescheitert ist der Opferfonds aber auch, weil die Umsetzung der empfohlenen Zielsetzung nicht mehr entspricht. Zum „Umfang der Leistungen“ empfahl der RTH:

„Finanzielle Ma?nahmen sollen immer individuell, anknupfend an heute noch vorhandenen Folgeschaden, gewahrt werden. Als Ausgangspunkte von Leistungen kommen in Betracht:

(1) Minderung von Rentenanspruchen aufgrund nicht gezahlter Sozialversicherungsbeitrage (‚Rentenersatzfonds’). Daraus resultierende Leistungen sind nach den Regeln der Sozialversicherung zu klaren und ggf. – eventuell durch Einmalzahlungen – zu erbringen. Ma?gebend dabei ist, ob die damalige Arbeit nach heutigem Verstandnis sozialversicherungspflichtig gewesen ware.

(2) Folgeschaden und besonderer Hilfebedarf aufgrund von Erfahrungen und Schadigungen durch Heimerziehung (‚Fonds fur Folgeschaden aus Heimerziehung’)“

Fur die Rentenersatzanspruche waren (siehe oben) 20 Mio. Euro, und fur die Sachleistungen zum Ausgleich von Folgeschaden 100 Mio. Euro vorgesehen. (1)

Nach dem Stand Mai 2013 wurden 25 Mio. Euro an Leistungen ausgeschuttet. Die Bundesregierung gibt keine Auskunfte uber die Betrage fur einzelne Leistungen.

Hier konnen nur Eindrucke herangezogen werden, die auf Berichte im Internet beruhen: Es hat sich herumgesprochen, dass sogenannte Rentenersatzleistungen problemlos erhaltlich sind. Es genugt der Nachweis des Heimes, der Heimzeit und – dauer und das Geburtsdatum - - weil es Rentenersatzleistungen nicht fur die Kinderzwangsarbeit, sondern erst ab dem 14. Lebensjahr gibt – und auf Nachfrage Zeitzeugen. Sind diese Unterlagen beigebracht, werden pro Arbeitsmonat 300 Euro ausgezahlt. Da kommt ein absehbarer Betrag zusammen. Von diesem Verfahren machen die meisten Opfer, die sich in den Foren erklaren, Gebrauch. Uber die Inanspruchnahme von Sachleistungen zur Kompensation von Folgeschaden ist sehr wenig bekannt. Man liest hier und da von einer Renovierung, Beihilfe zur Beschaffung eines Autos, wenig von Beihilfen zum Ausgleich medizinischer Schaden.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass der uberwiegende Betrag aus den bisherigen Leistungen von 25 Mio. Euro fur sogenannte Rentenersatzleistungen aufgebracht wird.

Damit wird klar: Der kleine Fondsanteil fur Rentenersatzleistungen ist bereits ausgeschopft; der gro?e Anteil fur die Kompensation von Folgeschaden ist kaum angeruhrt. Es ist zu vermuten, dass die noch eingehenden Antrage auf Rentenausgleichszahlungen aus dem gro?en Fondsanteil fur die Beseitigung von Folgeschaden bedient wird.

Das ist nicht Sinn der Empfehlungen und auch nicht Sinn des Bundestages. Darum ist dieser Opferfonds mit der bisherigen Beabsichtigung gescheitert.

Warum der Anteil fur die Beseitigung von Folgeschaden kaum in Anspruch genommen wird, erklart Heidi Dettinger, 2. Vorsitzende des „Vereins ehemaliger Heimkinder“ (VeH):

„’... zweckgebundenen Leistungen’ hei?t, dass eine Sache beantragt werden muss, sodann eine ‚Schlussigkeitsprufung’ vorgenommen wird, der dann als schlussig erkannte Betrag – je nach Anlauf- und Beratungsstelle mitnichten uberwiesen wird, sondern erst einmal ein Beweis vorgelegt werden muss, dass die Sache auch ernsthaft angeschafft werden soll – z.B. eine Bestellung mit Anzahlung – erst dann wird uberwiesen. Wenn man Gluck hat. Wenn nicht, wird der Lieferant/Hersteller/Betrieb auch direkt bezahlt. Charming! Auf jeden Fall muss nach vollendeter Anschaffung – egal ob Zahne, Urlaub, Fahrrad, Renovierung – die Rechnung vorgelegt werden. Als Beweis, dass man das Geld nicht sinnlos versoffen hat, nehme ich mal an.“ (5)

 

 

 

 

 




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