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Gewalt Statt Betreuung

Badische Zeitung
June 6, 2013

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Freiburger Hochschule hat fruhere Zustande in kirchlichen Behinderteneinrichtungen untersucht.

FREIBURG (epd). Sie wohnten in kasernenartigen Gebauden, schliefen in riesigen, abgeschlossenen Gruppenraumen, die medizinische und personelle Betreuung und Versorgung war schlecht: Heimbewohner von Behinderteneinrichtungen wie etwa der Johannes-Diakonie in Mosbach lebten in den 1950er und 1960er Jahren in heute kaum mehr vorstellbaren Verhaltnissen. Dass es dabei auch zu Gewalt, Ubergriffen und Exzessen kam, hat nun eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Frauen-Forschungsinstitutes an der Evangelischen Hochschule Freiburg ergeben.

Das Ausma? sei "sehr uppig" gewesen, sagt Professorin Cornelia Helfferich. "Korperliche, psychische und sexuelle Gewalt gab es ebenso wie Fixierung oder die Verabreichung von Psychopharmaka", sagt Helfferich. Ursachlich dafur seien unter anderem die geringe Zahl und mangelnde Ausbildung der Mitarbeitenden gewesen. Au?erdem seien in der Nachkriegszeit viele "Sozialwaisen" aufgenommen worden, die keine oder nur eine geringe Behinderung aufwiesen. Die Zahl der betreuten Menschen stieg so von ursprunglich 42 Behinderten im Jahr 1949 auf mehr als 700 im Jahr 1964. Dies habe zu einem System "von Macht, Hierarchien und rigiden Regeln" gefuhrt.

Die Mitarbeiterschaft habe damals eine Art Notgemeinschaft aus Fluchtlingen, Entnazifizierten, Menschen in Notlagen sowie wenigen Fachkraften und Diakonissen gebildet, sagte Helfferich. Ubergriffe verschiedenster Art von Mitarbeitenden gegen Bewohner, aber auch unter den Behinderten seien in dem Klima unvermeidlich gewesen. Weil es kaum schriftliche Dokumente aus jener Zeit gibt, wurden Interviews mit ehemaligen Heimbewohnern und Mitarbeitenden gefuhrt. Behinderte, so die Studie, seien damals wie Kinder behandelt worden, die nicht selbststandig leben und schon gar nicht gefordert werden sollten, sagt die Wissenschaftlerin. Es habe nur einen Arzt fur 700 Behinderte und Mitarbeitende gegeben und kein funktionierendes Abwassersystem.

Erst mit veranderten Rahmenbedingungen in den 1970er Jahren, die rechtlich, baulich, strukturell und personell positive Entwicklungen brachten, habe sich die Gesamtsituation verbessert, sagt Helfferich. Die Auflosung von Gruppenleiterstrukturen in den 1990er Jahren habe zudem fur mehr Transparenz und Durchlassigkeit gefuhrt. "Heute haben wir im Gegensatz zu damals null Toleranz beim Thema Gewalt", sagt Hanns-Lothar Forschler, Vorstandsvorsitzender der Johannes-Diakonie, der sich bei den Opfern entschuldigt.

 

 

 

 

 




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