BishopAccountability.org
 
 

Ein Pfarrer Verschwindet

Taz
June 15, 2013

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F06%2F15%2Fa0216&cHash=504d363c2c8ff9edf5c8de0ef32f035d

Komm zu den Katholiken / da gibt es immer was zu beten", hei?t es im kurzlich vom WDR zensierten Rap "Dunk dem Herrn" der Comedienne Carolin Kebekus. Das - also der suggerierte Reim - ist naturlich grob ubertrieben. Aber die Missbrauchsfalle der letzten Jahrzehnte sind weiterhin nicht aufgearbeitet, und auf den weiter zuruckliegenden lastet schwer der Mantel des Vergessens.

Und kunftig? Kunftig hat das Berliner Erzbistum mit dem Franziskaner Josef Schulte eine weitere "Ansprechperson" fur Falle des Verdachts sexuellen Missbrauchs durch kirchliches Personal - quasi als klerikales Pendant zu der Psychologin Sigrid Rogge, die seit 2011 "Missbrauchsbeauftragte" des Erzbistums ist (ein Begriff in leichter semantischer Schieflage, aber daraus muss man nun wirklich keinem einen Strick drehen).

Ob das wirklich ausreicht, wei? nur der liebe Gott. Allzu sicher sollte man sich aber nicht sein. Denn Transparenz war noch nie eine Starke der Kirche. Illustriert sei das hier an einem Fall, der sich zuletzt im Berliner Norden zutrug.

Es war im Dezember 2010, kurz vor Weihnachten, als der katholischen Herz-Jesu-Kirche in Tegel plotzlich der Pfarrer abhandenkam. Das Erzbistum lie? die uberraschte Gemeinde Folgendes wissen: "Gegen Pfarrer M. ist im Kontext der Leitlinien fur den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjahriger durch Kleriker uber die bundesweite Telefon-Hotline […] der Deutschen Bischofskonferenz ein Vorwurf wegen sexuellen Missbrauchs erhoben worden." Der Vorwurf beziehe sich auf einen fruheren Einsatzort des Priesters. Man werde eine Untersuchungskommission einsetzen und "mit den Strafverfolgungsbehoren zusammenarbeiten". Der Beschuldigte nehme so lange eine Auszeit.

Dann verging die Zeit ohne Pfarrer M. - und ohne Aufklarung. Wochen, Monate, Jahre. Genau: Jahre. Erst am 28. April 2013 wurde wahrend der Sonntagsmesse in Tegel ein "Publicandum" verlesen, eine offizielle Stellungnahme des Erzbistums: "Die staatlichen und kirchlichen Untersuchungen gegen Ihren Pfarrer sind inzwischen ergebnislos eingestellt worden."

Aus "unterschiedlichen Grunden" habe das Verfahren so lange gedauert, hie? es nun (ob eine kurz zuvor erfolgte Anfrage der taz zur Beschleunigung beitrug, sei dahingestellt). Der Betroffene konne nun im Prinzip zuruckkehren, habe aber "unter Berufung auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand seinen Verzicht […] angeboten". Jetzt sei es an der Zeit, mit Gottes Beistand die entstandenen Wunden zu heilen. Amen.

Eine wirkliche Entlastung war das nicht, wie das Bistum spater der taz bestatigte. Nur habe man den Vorwurf wegen der Anonymitat des Anrufers nicht verifizieren konnen - und andere Falle seien nicht gemeldet worden. Eine weitere in der Kirche verlesene Behauptung war falsch: Staatliche Behorden hatten gar nicht ermittelt, korrigierte man nun.

Das hei?t? Entweder: An den Vorwurfen war etwas dran, dann hat die Kirche sich bei der Aufklarung kein Bein ausgerissen. Oder es war eine Verleumdung. Dann aber hat das Erzbistum das Kunststuck fertiggebracht, einen ihrer Angestellten durch Schlampigkeit und Mangel an Empathie zur Unperson zu machen. Pfarrer M. widme sich heute "anderen Aufgaben im Bistum", hei?t es. Welchen? Auch das wei? nur der liebe Gott - und der ein oder andere Eingeweihte.

 

 

 

 

 




.

 
 

Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.