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Aufdecker Clohessy: "Nichts Kann Den Horror Ausloschen"

Kurier
June 23, 2013

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Er sa? bei US-Talkstar Oprah Winfrey auf der Couch, war bei Good Morning America zu Gast und auch The New York Times Magazine widmete ihm eine ausfuhrliche Reportage. Der Mann, dem in den vergangenen Jahren in den Vereinigten Staaten so viel mediale Aufmerksamkeit zu Teil wurde, hei?t David Clohessy, Sprecher der NGO SNAP (siehe Info), die sich den Kampf fur Betroffene sexueller Gewalt in der Kirche auf ihre Fahnen geheftet hat. Er ist der Star unter den Aufdeckern sexuellen Missbrauchs in den USA.

Ein Star ohne Alluren allerdings. Clohessy, 56, kampft seit Jahren gegen Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche an. Er selbst wurde als Jugendlicher von einem Priester sexuell missbraucht. Sein Bruder soll als Pfarrer ebenfalls Kindern zu nahe gekommen sein. „Clohessys ruhige Art macht ihn zu einem der glaubwurdigsten Sprecher fur Opfer von sexuellem Missbrauch“, urteilte das Drury University Magazine uber ihn.

Freitagnacht war Clohessy in der KURIER-Redaktion zu Gast. Er sprach uber seinen Leidensweg, seine Versuche, das Vertuschungs- und Verdrangungssystem zu durchbrechen – und uber die Situation in Osterreich.

KURIER: Sie sind selbst als Kind von einem Priester missbraucht worden.

David Clohessy: Ich wurde vier, funf Jahre lang von einem Priester in meiner Heimatstadt missbraucht; drei meiner Bruder sind ebenfalls von ihm missbraucht worden. Einer von ihnen wurde selbst Priester und hat dann Kinder sexuell belastigt.

Wieso arbeiten Sie fur SNAP?

Es ist ein gro?e Ehre und ein Privileg, ein Teil von SNAP zu sein und so viele Uberlebende des Missbrauchs aus aller Welt zu treffen. Fur mich sind es drei einfache Grunde, warum ich mitmache: Es hilft mir, den Schmerz zu lindern – ich profitierte von SNAP vielleicht mehr als andere. Zweitens tue ich es, um anderen zu helfen, die noch leiden. Und drittens, um Kinder zu schutzen. Ich habe selbst zwei Buben. Nichts kann den Horror ausloschen, den wir als Kinder durchmachten. Aber wir konnen heutzutage unsere Kinder davor bewahren.

Hat sich in den 25 Jahren, die Sie fur die Organisation tatig sind, etwas verandert?

Auch wenn es schwierig zu glauben ist: In der Kirchen-Hierarchie hat sich wenig verandert. Aber sehr verandert hat sich, dass die Bischofe viel kluger und gewitzter geworden sind, um den Missbrauch zu vertuschen.

Wie meinen Sie das?

Vor zwanzig Jahren war es fur sie noch leichter: Die Opfer hatten Angst und waren voller Scham, die Polizei eingeschuchtert, die Eltern waren naiv. Jetzt haben die Opfer manchmal mehr Courage. Manchmal agieren heute auch Gesetzgeber, Regierung und Journalisten. Es hat in den letzten 25 Jahren viel Fortschritt gegeben, aber nicht wegen, sondern trotz der Bischofe.

Ist der sexuelle Missbrauch von Kindern zuruckgegangen?

Das wissen wir nicht. Weil Opfer meist Jahrzehnte brauchen, bis sie fahig sind, uber das Erlebte zu sprechen. Wie oft hort man von einem sechsjahrigen Madchen, das zur Polizei geht und erzahlt, dass es missbraucht wurde? Das passiert so gut wie nie. Wir horen zwar aus der Kirche, dass es besser wird, aber wir konnen es nicht uberprufen.

Wurden Priester in den Staaten wegen Missbrauchs verurteilt?

Wir sprechen in den USA von 300 bis 500 Priestern, die uberfuhrt wurden. Man muss von einer wesentlich hoheren Zahl ausgehen.

Wie viele Opfer gibt es?

Zwei Kirchenexperten sagten im Vorjahr, dass es in den USA 100.000 Opfer von padophilen Priestern gibt. Wenn das Kirchenexperten sagen, muss man davon ausgehen, dass die Zahl viel, viel hoher ist. Die meisten Opfer wurden von der Kirche kaum oder gar nicht entschadigt. Wenn es zu Prozessen kommt, gibt es meist au?ergerichtliche Vergleiche. Und die Kirche kampft sehr hart vor Gericht, um die Falle zu bekampfen. Die Kirchenoberen haben Angst, dass sie ihre Schuld vor einem offentlichen Gericht bezeugen mussen. Bevor es zu einem Urteil kommt, bieten sie einen Vergleich an. Niemand wird schuldig gesprochen.

Es werden Zahlen von 300 Millionen bis einer Milliarde Euro kolportiert, die in Vergleiche investiert wurden.

Das ist richtig. Die Kirche sagt, dass sie gut und gro?zugig ist. Ihr Ziel ist es, sich selbst und ihre Reputation zu schutzen. Es macht ihr nichts, das Geld zu zahlen.

In Osterreich gibt es ahnlich gelagerte Falle von Kindesmissbrauch in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen.

Was ich daruber wei?, ist nicht viel, aber herzzerrei?end, weil es um Kinder ging, die nicht entkommen konnten. Ich lebte bei meinen Eltern und war nicht 24 Stunden meinem Peiniger ausgeliefert. In den Heimen gab es kein Entrinnen. Die Kinder waren von ihren Eltern getrennt. Einige von den osterreichischen Opfern wurden entschadigt. Mit dem absoluten Minimum. Es geht aber nicht nur ums Geld. Wie sieht es mit medizinischer Versorgung, psychologischer Betreuung aus? Und wichtig ist: Opfer heilen schneller, wenn die volle Wahrheit ans Tageslicht kommt. Und in Osterreich ist erst eine kleiner Teil der Wahrheit erzahlt.

Der 56-Jahrige stammt aus einer in der katholischen Kirche tief verwurzelten Familie in Missouri. Im Alter von 11 bis 16 soll er von dem Reverend seiner Pfarre sexuell missbraucht worden sein. Gut 20 Jahre klagte er den Peiniger. Wegen Verjahrung wurde der Prozess gestoppt. Dennoch legte der Priester seine geistlichen Wurden zuruck. Besonders tragisch: Ein Bruder Clohessys ist selbst Priester geworden und wurde mittlerweile auch des Kindesmissbrauchs beschuldigt. David Clohessy ist seit 1990 Direktor von SNAP.

Die Organisation SNAP (Survivors Network of those abused by Priests – Netzwerk der Uberlebenden von Missbrauch durch Priester) wurde 1989 in den USA gegrundet, um den Opfern von sexuellem Missbrauch in der Kirche zu helfen. Mittlerweile sind weltweit mehr als 13.000 Mitglieder gemeldet.

Die Teilorganisation hierzulande wird im Osten Osterreichs von Missbrauchsopfer David d’Bonnabele betreut. In Westosterreich engagiert sich Erwin Aschenwald.

 

 

 

 

 




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