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Franziskus, Der Sanierer

Zeit
July 4, 2013

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Der neue Papst geht gegen Geldwasche und Korruption vor, hartnackiger als seine Vorganger. Sein erstes Ziel: die Papstbank IOR.

Papst Franziskus

Der Name klingt nach frommer, karitativer Arbeit. "Institut fur religiose Werke", kurz IOR, nennt sich das Geldhaus, das seit mehr als 70 Jahren seine Geschafte unter dem Dach des Vatikans betreibt. Seit Langem steht die papstliche Bank unter dem Verdacht, dunkle Geschafte zu betreiben: illegale Parteienfinanzierung, Geldwasche, Korruption. Die Bank gilt als eines der machtigsten und undurchsichtigsten Geldhauser der Welt. Von jenen Bankern, denen Einblick in die Geschafte des Instituts gewahrt wurde, kamen mehrere auf ungeklarte Weise zu Tode – unter ihnen der Bankangestellte Roberto Calvi im Jahr 1982 und der Jurist Michele Sindona vier Jahre spater.

Nun will Papst Franziskus entschlossener gegen die Machenschaften innerhalb der "Bank Gottes" vorgehen. Eine Kommission soll fortan den Umbau des Instituts planen. Und nicht nur das: Nachdem der oberste Buchhalter der vatikanischen Immobilienverwaltung, Nunzio Scarano, wegen Geldwasche- und Korruptionsverdacht verhaftet wurde, entband Franziskus nicht nur ihn von seinen Aufgaben. Kurz darauf traten auch der Chef der IOR Paolo Cipriani und sein Stellvertreter zuruck. An die Stelle von Cipriani soll nun vorubergehend der neue Aufsichtsrat und Ritter des Malteserordens Ernst von Freyberg rucken. Bis Oktober schlie?lich soll das Unternehmen eine andere Struktur und eine neuen Chef bekommen.

Die italienische Presse spricht von einem Erdbeben im Vatikan. Der Fall Scarano kommt indes nicht ganz unerwartet. Die Ermittlungen, die zur Festnahme von Scarano und zwei seiner Komplizen fuhrten, hat eine langere Geschichte. Scarano war Vermogensverwalter bei APSA, einem Immobilienverwalter, der eng mit der IOR kooperiert. Durch die Kooperation soll er die Moglichkeit gehabt haben, mehrere Konten der vatikanischen Bank zu benutzen, um Geldtransaktionen in Millionenhohe zu verheimlichen. Auf diese Weise soll er auch versucht haben, 20 Millionen Euro von der Schweiz nach Rom zu schmuggeln.

Bereits im Jahr 2010 begann die Staatsanwaltschaft in Rom, den Geldverkehr zwischen einem Dutzend italienischer Institute und dem Vatikan zu untersuchen. Der Verdacht lautete auf Geldwasche. Einige Monate spater wurde ein Betrag in Hohe von 23 Millionen Euro beschlagnahmt, die das IOR auf einem Konto einer italienischen Bank angelegt hatte. Generaldirektor Cipriani und der damalige Aufsichtsratsprasident Ettore Gotti Tedeschi wurden anschlie?end beschuldigt, gegen die europaischen Richtlinien gegen Geldwasche versto?en zu haben.

Papst Benedikt stie? auf Widerstand

Der damalige Papst Benedikt kundigte daraufhin an, das IOR werde ihre Bucher der Bankenaufsicht der Europaischen Union offenlegen. Das Ziel: Das Institut solle wieder in die White List aller Finanzinstitute gelangen, die die internationalen Transparenz-Standards einhalten. Doch Benedikt stie? auf Widerstand der Kurie. Der sogenannte Vatileaks-Skandal im Januar 2012 offenbarte eine tiefe Spaltung im Vatikan: Wahrend der Papst und der damalige Aufsichtsratsprasident des IOR Gotti Tedeschi mehr Transparenz forderten, versuchte der Staatssekretar Tarcisio Bertone die Transparenzkampagne zu sabotieren.

Der Streit um das IOR fuhrte bereits wenige Monate spater zur Entlassung von Gotti Tedeschi. Bis Februar 2013 blieb die Spitze des Aufsichtsrates schlie?lich unbesetzt. Erst als Benedikt zurucktrat, fand sich ein neuer Chef: der deutsche Ernst von Freyberg, der nun die Bank vorubergehend leiten soll. Fur den Vatikanexperten der italienischen Tageszeitung La Repubblica, Marco Ansaldo, war die Ernennung schon damals ein klares Zeichen dafur, dass es in der Kurie den Willen gibt, das IOR in seiner jetzigen Form zu erhalten. "Die Ernennung wurde zwar von Joseph Ratzinger unterschrieben", sagt Ansaldo, "doch sie wurde eindeutig von Staatssekretar Tarcisio Bertone befurwortet."

Im Vatikan stie? die Wahl des Deutschen auf Kritik. Zum einen fanden viele von Freybergs Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender bei Blohm+Voss – einem Unternehmen, das auch Kriegsschiffe herstellt – problematisch. Das Hauptproblem, sagt der Vatikanexperte Ansaldo, sei hingegen gewesen, dass der deutsche Manager ein Mann Bertones gewesen sei. Der ausscheidende Staatssekretar habe durch dessen Ernennung versucht, die Kontrolle uber das IOR zu behalten.

Dass Papst Franziskus eine schwierige Beziehung zu von Freyberg hat, zeigt sich auch darin, dass er ihn bis jetzt noch nicht offiziell empfangen hat. Hinzu kommt, dass schon im Herbst ein Stuhlerucken in der Kurie ansteht. Der neue Staatssekretar wird wahrscheinlich ein Vertrauter des neuen Papstes sein: entweder der Erzbischof von Teguchigalpa, Oscar Rodriguez Maradiaga, oder Monsignor Giuseppe Bertello, der Prasident der Papstlichen Kommission fur den Staat Vatikanstadt.

Ob die Kurie die von Franziskus angestrebten Reformen erlauben wird? "Wir beobachten gerade eine unerwartete Entwicklung", sagt Ansaldo. "Bis vor wenigen Wochen stand die Kurie geschlossen hinter Bertone: Der Staatssekretar hatte freie Hand bei der Ernennung hochrangiger Beamter. Jetzt bricht aber langsam das ganze System unter der Sto?kraft des neuen Pontifikats zusammen." Bis jetzt beobachtet die Kurie in ehrfurchtiger Stille diese Entwicklung. Fur Ansaldo steht das Ergebnis derweil schon fest: "Die Anziehungskraft des neuen Papstes ist sehr stark. Wir werden bald sehen, dass immer mehr Kardinale zu seiner Seite wechseln werden."

 

 

 

 

 




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