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Die Landesverraterin

Kurier
July 22, 2013

http://kurier.at/chronik/oesterreich/heimskandal-brigitte-wanker-die-landesverraeterin/18.976.804

ie deckte auf, dass Kinder in einer kirchlichen Behinderteneinrichtung in Tirol schwer misshandelt wurden. Dafur musste Brigitte Wanker allerdings bitter bu?en. Das System schlug mit einer Wucht zuruck, mit der sie nicht gerechnet hatte. Sie wollte Missstande aufzeigen und wurde als Nestbeschmutzerin bezichtigt und gezwungen, ihr Heimatland Tirol zu verlassen. Jetzt, 33 Jahre spater, soll sie geehrt werden.

1980 nahm die gelernte Weberin Wanker, damals 22 Jahre alt, eine Stelle im St. Josephs Institut, gefuhrt vom Orden der Barmherzigen Schwestern in Mils in Tirol an. Ihre Schilderungen uber die brutalen Misshandlungen behinderter Kinder durch die Klosterschwestern sind erschutternd (siehe Zusatzbericht unten).

„Verbrennen“

Wanker wusste, so kann man Kinder nicht behandeln. Verzweifelt suchte sie jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. „Ich habe mein Tagebuch genommen und bin damit zum Leiter des Innsbrucker Jugendamtes gegangen“, sagt Wanker. Der Herr Rat wollte von den Missstanden freilich nichts wissen. „Er hat mich aufgefordert, das Tagebuch zu verbrennen.“ Sie sei zu sensibel fur den Beruf und solle kundigen, waren die Ratschlage, die ihr der Amtsleiter mit auf den Weg gab.

„Ich bin da raus und hab die Welt nicht mehr verstanden. Ich hatte mir wirklich Hilfe erwartet. Ich war ja so naiv.“ Und allen, die heute noch sagen, man hatte von den Zustanden in Heimen nichts geahnt, sagt sie: „Der Jugendamtsleiter hat von den furchtbaren Zustanden in dem Heim gewusst. Dem war klar, was los ist.“

TV-Bericht

Allmahlich reifte in Wanker der Entschluss, die Offentlichkeit uber die brutalen Misshandlungen im St. Josephs Institut aufzuklaren. Sie wandte sich gemeinsam mit einer Kollegin an den ORF. Die Journalisten Claus Gatterer und Kurt Langbein begannen zu recherchieren und drehten eine schockierende Reportage uber die Zustande in Tiroler Kinderheimen. Als ihr klar wurde, dass die beiden tatsachlich einen Bericht fur die Sendung Teleobjektiv machen, kundigte sie nach nur funf Monaten in Mils und nahm eine Stelle als Helferin in einem alternativen Kindergarten an.

Als die kritische Reportage der beiden Journalisten im September 1980 ausgestrahlt wird, kommt es zu einer beispiellosen Hetzjagd.

Das Schicksal trifft Wanker am hartesten. „Nach der Sendung war ich das Feindbild Nummer 1.“ In Zeitungen und Leserbriefen ist sie als „Nestbeschmutzerin“ und „Lugnerin“ denunziert worden.

„Durch die damals au?erst enge Verbindung zwischen Landespolitik und katholischer Kirchenfuhrung war es moglich, einen derart gro?en Druck aufzubauen, dem sich schlussendlich auch die Medien weitgehend beugten“, analysiert der Tiroler Historiker Horst Schreiber auf seiner Internet-Plattform www.heimerziehung.at.

Der hochdekorierte Landeshauptmann-Stellvertreter Fritz Prior (OVP) hat die Skandal-Aufdeckerin in sein Buro zitiert. „Das war das Argste“, sagt Wanker heute. „Der hat mir erklart, dass er dafur sorgen wird, dass ich in Tirol nie wieder eine Stelle kriege.“

Der machtige Landespolitiker sollte recht behalten. Wankers Ansuchen um einen Ausbildungsplatz in der Erzieherschule Pfaffenhofen wurde mit dem Satz quittiert, dass sie sich erst gar nicht zu bewerben brauche.

Das gerichtliche Vorverfahren lief in Wankers Erinnerung wie ein Tribunal ab. „Ich wurde vier, funf Stunden befragt wie eine Verbrecherin. Ich wurde regelrecht angebrullt.“ Nach der Befragung erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Die prugelnde Klosterschwester wurde nicht verurteilt, durfte weiter Kinder betreuen.

„Mir wurde von allen Seiten klargemacht, dass ich in diesem Land nichts mehr verloren habe.“

Die Kirche stand der Politik in ihrer Gangart gegen Kritiker um nichts nach. Wanker: „Bernhard Praxmarer, der Dekan von Hall, hat mich in einer Predigt als Kommunistin, linke Emanze und Lugnerin hingestellt.“ „Mir wurde von allen Seiten klargemacht, dass ich in diesem Land nichts mehr verloren habe.“ Sie verlie? Tirol, musste es verlassen, und ging nach Wien, wo sie die Erzieherschule absolvierte. Ihre Beziehung ging in die Bruche und auch in ihrer eigenen Familie wusste man nicht, wie man mit der als Landesverraterin Abgestempelten umgehen sollte.

Erst zehn Jahre spater, 1990, kehrte Wanker wieder in ihre Heimat zuruck. „Aufs Land, wo mich keiner gekannt hat.“

Mit der Kirche hat sich Wanker im Jahr 2012 nach einem langen Gesprach mit Bischof Manfred Scheuer ausgesohnt. „Von der Politik gab’s noch nichts in die Richtung“, erklart Wanker. Das konnte sich aber nun andern. Auf Initiative ehemaliger Heimkinder soll Wanker fur das Sozialehrenzeichen des Landes vorgeschlagen werden. Die zustandige Landesratin Christine Baur (Grune) meint dazu: „Was Frau Wanker passiert ist, hatte nicht passieren durfen. Ihre Ehre muss wieder hergestellt werden.“

Wie auf kurier.at berichtet, tut sich in Tirol am Sektor der Ehrenzeichen einiges: Der Innsbrucker Gemeinderat hat erst am Donnerstag dem ehemaligen Missbrauchsvertuscher Pater Magnus Kerner und dem SS-Mann und verurteilten Kinderprugler Hermann Pepeunig posthum die Ehrenzeichen aberkannt. Wie die Tiroler Tageszeitung berichtet, will nun auch das Land Tirol die Aberkennung von Verdienstzeichen prufen.

 

 

 

 

 




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