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Jesuit Mertes: Papst " Wird Sich Hoffentlich Nicht Einschuchtern Lassen"

Kipa-Apic
August 18, 2013

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Jesuitenpater Klaus Mertes

Freiburg i. Br., 9.8.13 (Kipa) Was lange nur gemunkelt wurde, wird unter Papst Franziskus langsam enttabuisiert: Das Problem der homosozialen "Männerbünde" in der Kirche. Von Franziskus selbst in einem Gespräch mit Ordensoberen aus Lateinamerika als "schwule Lobby" bezeichnet, schanzen sich diese Bünde Titel, Positionen und Machtzugänge innerhalb der Kirche zu, erläutert der bekannte deutsche Jesuit und ehemalige Leiter des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, in der Zeitschrift "Herder Korrespondenz" (August-Ausgabe).

Es sei an der Zeit, diese Bünde zu "entmachten". Dabei werde sich Papst Franziskus "hoffentlich nicht einschüchtern" lassen. Mertes, der mit einem Brief an ehemalige Kolleg-Schüler 2010 den Anstoss zur Aufdeckung des Missbrauchsskandals gab, zeigt in seinem Beitrag die vielen Fallstricke und Missverständnisse auf, die das Thema homosexueller Seilschaften in der Kirche mit sich bringt. Zum einen müsse anstelle von einer "schwulen Lobby" - einem Begriff "aus dem Arsenal der homophoben Kampfsprache" - vielmehr von einer "männerbündisch verengten" homosozialen Struktur des Klerus gesprochen werden. Offen sei, ob diese Seilschaften, die zugleich eine "frauenfeindliche Aussenseite" aufwiesen, tatsächlich aus einer "systematisch aufgebauten Subkultur" in der Kirche hervorgingen.

Heikles Thema

Vorsicht sei bei der Thematik aus verschiedenen Gründen geboten: zum einen etwa, weil als homosexuell geoutete Priester in der Gefahr stünden, von einem "Sturm homophober Gewalt" persönlich diskreditiert zu werden. Darüber hinaus werde in der Öffentlichkeit auf unseriöse Art und Weise Homosexualität unter Priestern mit der Häufung von Missbrauchsfällen in Zusammenhang gebracht. Eine grosse Studie der amerikanischen Bischofskonferenz habe eindeutig belegt, dass es unzulässig sei, "eine besondere Anfälligkeit von Homosexuellen für sexualisierte Gewalt" anzunehmen, so Mertes.

Als eine wichtige Präventionsmassnahme gegen die Vertuschung sexuellen Missbrauchs durch Priester würde Mertes die Aufhebung des priesterlichen Schweigegebots erachten. Schliesslich sei eine "angemessene Reaktion der Kirchenleitung auf Missbrauchsfälle" unter anderem daran gescheitert, "dass die verantwortlichen Personen zu wenig innere Freiheit hatten, die Täter zu konfrontieren und im Fall der Fälle anzuzeigen. Denn sie mussten damit rechnen, dass sie selbst von den angezeigten Missbrauchstätern als Homosexuelle 'bezichtigt' oder 'geoutet' werden."

Priester unreif in ihrer Sexualität?

Aus einer "signifikant grossen Anzahl" von homosexuellen Männern im Klerus spreche hingegen, dass das Priesteramt Männer anziehe, "die kein reifes Verhältnis zu ihrer Sexualität haben". Dies lasse sich auf "strukturelle Ursachen" zurückführen, wie etwa das Verbot der Zulassung homosexueller Kandidaten zur Priesterweihe. Mertes: "Viele homosexuelle Männer fühlen sich gerade deswegen vom Priestertum angezogen, weil ihnen das Schweigen über ihre eigene Sexualität sogar entgegenkommt; weil sie ihre sexuellen Empfindungen mit einem tiefen Schuldgefühl verbinden und deswegen den Zölibat als eine Lebensform erstreben, in der sie die konstruktive, bewusste Auseinandersetzung mit ihrer Sexualität vermeiden können."

Papst Franziskus habe laut Mertes jedenfalls mit dem symbolischen Akt der Fusswaschung für zwölf Strafgefangene, darunter zwei Frauen, am Gründonnerstag einen wichtigen Akzent in der Entmachtung der Männerbünde gesetzt: "Die Empörung, die seither diesem Papst entgegenweht, entspringt genau dem Geist, der in den klerikalen Männerbünden gepflegt wird." Der Papst sei also auf dem richtigen Weg - solange er sich nicht einschüchtern lasse. Mertes' Rat: "Die Männerbünde entmachtet man am einfachsten dadurch, dass man einfach das macht, wovor sie am meisten Angst haben: sich öffnen, an die Ränder gehen, den Stallgeruch der Schafe annehmen."




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