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Tebartz-Van Elst: Chronik Eines Skandals

The Deutsche Welle
October 19, 2013

http://www.dw.de/tebartz-van-elst-chronik-eines-skandals/a-17165730


Der Bischofssitz in Limburg - ein Ort von Protz und Gloria?

In Erklarungsnot: Limburgs Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst

Kunstlerprotest in Limburg: "Du sollst nicht stehlen"

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Robert Zollitsch: "Gewaltiges Glaubwurdigkeitsproblem"

Das Schicksal des Limburger Bischofs entscheidet sich in Rom. Kann sich Franz-Peter Tebartz-van Elst trotz der Skandale im Amt halten? Wir analysieren die turbulenten Ereignisse der letzten Monate.

"Pass auf, das Amt kann den Charakter verderben!" Diese gut gemeinte Warnung bekam einst der katholische Erzbischof von Hamburg, Werner Thissen, von einem Amtsbruder mit auf den Weg, wie er jungst der ZEIT-Beilage "Christ & Welt" erzahlte. Da schlugen die Wellen der Emporung uber das Amtsgebaren des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst bereits hoch, immer neue Details uber seine verschwenderischen Ausgaben wurden bekannt, bei der Staatsanwaltschaft gingen Anzeigen gegen ihn ein.

Womit erregte Tebartz-van Elst so viel Unmut?

Schon Anfang 2012 geriet der Limburger Bischof mit einem Flug nach Indien in die Schlagzeilen: Er sei zur Unterstutzung sozialer Projekte nach Bangalore gereist, sagte er nach seiner Ruckkehr, um Kindern zu helfen, "die in Steinbruchen tatig sind". Ein edles Motiv, doch das Nachrichtenmagazin SPIEGEL fand wenig spater ein pikantes Detail heraus: Tebartz-van Elst war erster Klasse geflogen - "First Class in die Slums", wie der SPIEGEL titelte - eine Reise im Wert von 7000 Euro, die zum Teil durch die Einlosung von Bonusmeilen und Zuzahlung aus der Privatschatulle des Bischofs bestritten wurde.

Im Sommer 2013 sickerten dann Einzelheiten uber den Neubau des Bischofssitzes in Limburg durch: Statt der ursprunglich veranschlagten 5,5 Millionen Euro standen plotzlich Kosten in Hohe von knapp 10 Millionen Euro im Raum. Mehrere deutsche Medien bohrten nach - und kamen zu dem Schluss, dass die Kosten noch viel hoher liegen mussen.

Die auflagenstarkste Boulevard-Zeitung BILD enthullte eine Preisliste von Sonderwunschen des "Protz-Bischofs": 15.000 Euro fur eine frei stehende Badewanne, 100.000 fur einen hangenden Adventskranz, 450.000 fur Kunstwerke, knapp 800.000 fur einen Garten und 2,3 Millionen fur einen Lichthof… Einiges davon hatte Tebartz-van Elst erst spat in Auftrag gegeben, so dass bereits fertig gestellte Decken und Boden wieder aufgerissen werden mussten. Mittlerweile hat das Bistum die Ausgaben fur den Bischofssitz mit 31 Millionen Euro beziffert - was, so wird spekuliert, auch noch nicht alle Kosten einschliesst.

Wie reagierte Tebartz-van Elst auf die Vorwurfe?

Gegen den SPIEGEL ging der Bischof wegen des Berichts uber die Indien-Reise juristisch vor, behauptete gar, Business Class geflogen zu sein, was er spater zurucknehmen musste. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl gegen ihn wegen falscher eidesstattlicher Versicherung beantragt.

Zur Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes hat sich der Bischof bisher nicht konkret geaussert. Nur Ende August wandte er sich in einem vage formulierten Brief an die Gemeinden seines Bistums: Einige seiner Entscheidungen sehe er heute "mitunter in einem anderen Licht", heisst es da. "Ruckblickend gibt es Dinge, die ich anders angehen wurde." Einen zweiten erklarenden Gemeindebrief hatte er fur Mitte Oktober angekundigt, aber dann kurzfristig abgesagt.

Kurz darauf reiste er nach Rom. Zum Abschied sagte er nur, die Entscheidung uber seinen Dienst liege in den Handen des Papstes. Laut jungsten Zeitungsberichten will Tebartz-van Elst sein Amt nicht freiwillig aufgeben.

Wie reagierten die Glaubigen?

Nach den Medienberichten uber die Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes schlossen sich fuhrende Katholiken des Bistums im August 2013 in Frankfurt zusammen. Ihr offener Brief wurde im Frankfurter Dom verlesen - unter grossem Beifall. "Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen", hiess es da. Die Zuspitzung der Vertrauenskrise im Bistum sehe man "mit grosser Sorge", es sei Zeit, "Fehlentwicklungen zu benennen und auf anderung hinzuwirken".

Je mehr Details bekannt wurden, desto lauter horte man auch offene Rucktrittsforderungen, zum Beispiel von der grossten Laienorganisation, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Prasident Alois Gluck brachte es Anfang Oktober auf den Punkt: "Viele in der Kirche erwarten einen Ruckzug."

In der vergangenen Woche stieg auch die Zahl der Kirchenaustritte. Allein im Bistum Limburg kehrten innerhalb von zwei Tagen 50 Glaubige der Katholischen Kirche den Rucken - normalerweise sind es nur eine Handvoll pro Woche.

Und auch die katholischen Hilfswerke bekommen den arger der Glaubigen zu spuren, vor allem der Dachverband Caritas: Nach Angaben des Deutschland-Chefs Peter Neher haben zahlreiche Spender unter Hinweis auf das Finanzgebaren des Limburger Bischofs angekundigt, der Hilfsorganisation kunftig kein Geld mehr zukommen zu lassen.

Wie verhielt sich die katholische Amtskirche?

Der Vatikan schaltete sich Mitte September 2013 ein: Papst Franziskus entsandte Kardinal Giovanni Lajolo nach Limburg, der sich eine Woche lang ein Bild der Situation machen konnte. Tebartz-van Elst stimmte einer Prufung der Baukosten zu. Details wurden nach dem Besuch nicht bekannt.

Die deutschen Bischofe starkten ihrem Limburger Kollegen lange Zeit den Rucken. Als der offentliche Druck grosser wurde, berief die Deutsche Bischofskonferenz eine Kommission zur uberprufung der Baukosten ein. Und es mehrten sich kritische Stimmen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "gewaltigen Glaubwurdigkeitsproblem", die gesamte Katholische Kirche in Deutschland trage den Schaden. Auch andere Bischofe zogen nach. Am deutlichsten wurde der Trierer Bischof Stephan Ackermann: Die Situation sei so eskaliert, dass man sagen musse, Tebartz-van Elst konne in Limburg nicht mehr arbeiten.

Anfang der Woche reiste Zollitsch nach Rom. Am Donnerstag (17.10.2013) besprach er den Fall mit dem Papst, um weitere Schritte zu erortern.

In den vergangenen Wochen erhoben mehrere Kirchenobere aber auch schwere Vorwurfe gegen die deutschen Medien. Allen voran der Prafekt der Glaubenskongregation in Rom, Erzbischof Gerhard Ludwig Muller, der die Vorwurfe als "Erfindung von Journalisten" und die Berichterstattung als "Medienkampagne" geisselte. ahnlich ausserte sich auch Kardinal Lajolo nach seinem Prufbesuch in Limburg.

Ist Tebartz-van Elst Opfer einer Medienkampagne?

Diesen Vorwurf weist der Deutsche Journalisten-Verband entschieden zuruck: Die ausfuhrliche Berichterstattung uber das Finanzgebaren des Limburger Bischofs sei "notwendig und im Sinne des Informationsauftrags der Medien", so der Bundesvorsitzende Michael Konken.

Auch der Journalistische Direktor der katholischen Journalistenschule in Munchen kann keine Medienkampagne erkennen: "Hier durfen wir nicht Ursache und Wirkung verwechseln", so Bernhard Remmers. Viele Artikel und Fernsehberichte seien "erfreulich sachlich". Nur Formulierungen wie "Protz-Bischof" seien zu kritisieren.




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