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" Schande Der Kirche" Hält Den Vatikan Im Griff

By Tobias Bayer
Die Welt
January 19, 2014

http://www.welt.de/politik/ausland/article123998190/Schande-der-Kirche-haelt-den-Vatikan-im-Griff.html

Ein Messdiener betet in einer Kirche. An der Entschlossenheit des Vatikans, Pädophilie zu bekämpfen, herrschen weiterhin Zweifel.

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Die Entlassung von 384 Priestern wegen Kindesmissbrauchs soll die harte Linie des Vatikans beweisen. Doch erst am Fall eines ranghohen Täters wird sich entscheiden, wie ernst es der Kirche damit.

"Welche Gegenmaßnahmen habt ihr getroffen?" und "Warum gab es Vertuschungsversuche?": Das sind zwei der vielen kritischen Fragen, die der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes dem Vatikan stellt. Eine sechsköpfige Delegation des Heiligen Stuhls reiste vergangene Woche nach Genf und gab Auskunft über eines der delikatesten Themen der Katholischen Kirche: der Missbrauch an Kindern durch Geistliche.

Bereits 1990 unterschrieb der Vatikan die Kinderschutzkonvention der Vereinten Nationen. 2001 unterzeichnete er die Zusatzprotokolle gegen Prostitution und Pornografie sowie gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Doch trotzdem haperte es lange Zeit mit der Auskunftsfreudigkeit und der Entschlossenheit des Heiligen Stuhles. Geantwortet und gehandelt wurde, wenn überhaupt, zaghaft. Selbst noch im Dezember 2013 weigerte sich der Vatikan, den umfassenden Fragebogen des UN-Ausschusses auszufüllen. Zu Einzelfällen äußerte er sich gar nicht.

Immerhin wird Besserung gelobt. "Die katholische Kirche will zu einem Musterbeispiel im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern werden", sagte vergangene Woche der Erzbischof Silvano Maria Tomasi, der als ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls der Vereinten Nationen in Genf die Delegation anführt. Begleitet wurde er unter anderem von dem maltesischen Bischof Charles Scicluna, dem früheren Strafverfolger bei der Glaubenskongregation.

"Bis vor rund einem Jahrzehnt reagierte die Kirche wie die Gesellschaft. Wenn es ein Problem gab, auch in der Regierung oder in den Schulen, wurde versucht, es ohne großen Aufhebens zu beseitigen. Dieser Ansatz hat sich als falsch erwiesen. Jetzt wird mit großer Strenge vorgegangen", sagte Tomasi.

Skandal erschütterte die Kirche zutiefst

Um das zu unterstreichen, präsentierte der Vatikan Zahlen. Insgesamt 384 katholische Priester wurden in den Jahren 2011 und 2012 wegen sexuellen Missbrauchs vom Vatikan abgesetzt, berichtete die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf den Bericht, den der Heilige Stuhl in Genf vorgelegt hatte.

Davon entfielen rund 260 auf das Jahr 2011 und 124 auf das Jahr 2012. Es waren die beiden letzten Amtsjahre von Benedikt XVI. Allerdings lägen die Vergehen teilweise länger zurück, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi, der die Zahlen bestätigte. Insgesamt wurden im Jahr 2011 nach den Angaben des Vatikans 659 Geistliche in den Laienstand versetzt, ein großer Teil aufgrund von Zölibatsproblemen.

Der Skandal um jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat die katholische Kirche erschüttert. Nach ersten Enthüllungen über Missbrauchsfälle in Irland und den USA weitete sich die Affäre weltweit aus. Auch in Deutschland kamen nach Enthüllungen im Jahr 2010 zahlreiche Fälle ans Licht. Dabei stehen auch Bischöfe in der Kritik, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern vertuscht zu haben.

Franziskus setzt Benedikts Linie fort

Benedikt, der von 2005 bis zum Frühjahr 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche war, rief eine Null-Toleranz-Politik gegenüber den Tätern aus. Papst Franziskus, der im vergangenen Jahr auf den aus Altersgründen zurückgetretenen Benedikt folgte, setzt den Weg fort. Er prangerte den Skandal jüngst als "die Schande der Kirche" an. Die verantwortlichen Priester, Bischöfe und Laien hätten "keine Verbindung zu Gott" gehabt, sondern ihre Positionen in der Kirche ausgenutzt.

Opferverbände halten das Vorgehen der katholischen Kirche für unzureichend. "Wir sind sehr enttäuscht, dass eine so große und mächtige Kirchenbürokratie weiterhin vorgibt, machtlos gegenüber ihren eigenen Mitarbeitern zu sein", sagte Mary Caplan, Vertreterin des amerikanischen Netzwerks von Missbrauchsopfern.

Die Entlassung pädophiler Priester sei nur der Anfang, argumentierte die Organisation am Samstag. Franziskus müsse auch mit der Entlassung der Amtsträger beginnen, die Missbrauch vertuschten. "Bis das geschieht, wird sich wenig ändern", teilte der Verband mit. Die Kirche müsse überdies sicherstellen, dass Geistliche, die Kinder sexuell belästigten, strafrechtlich verfolgt würden.

Vatikan weist Verantwortung von sich

Der Vatikan stellt sich auf denn Standpunkt, dass er juristisch nur begrenzt gegen einen Geistlichen vorgehen kann. Zuständig für ein strafrechtliches Verfahren seien vielmehr die Heimatstaaten der betroffenen Priester, lautet die Argumentation. Wie ernst es der Vatikan mit dem Kampf gegen Kindermissbrauch meint, dürfte der Fall des ehemaligen päpstlichen Gesandten in der Dominikanischen Republik, Josef Wesolowski, zeigen.

Dem gebürtigen Polen wird sexueller Missbrauch vorgeworfen, sowohl in Polen als auch in der Dominikanischen Republik. Der Vatikan lehnte die Auslieferung an Polen ab und berief sich auf die Immunität, die Wesolowski als Diplomat des Vatikans genieße. Jetzt wird abgewartet, wie und wann ihm der Prozess gemacht wird.




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