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„nicht Mehr Allein Mit Kindern“

TAZ
January 24, 2014

http://www.taz.de/Leiter-des-Canisius-Kolleg-ueber-Missbrauch/!131445/

Das Canisius-Kolleg in Berlin-Tiergarten.

taz: Pater Zimmermann, gerade hat das Kirchengericht des Erzbistums Berlin einen heute 73-Jahrigen wegen sexueller Gewalt an Kindern an Ihrer Schule, dem Canisius-Kolleg, verurteilt – zu lebenslangem Ausschluss vom Priesteramt und 4.000 Euro Strafe, die er dem Missbrauchsfonds spenden soll. Das Urteil wird den Mann kaum treffen.

Tobias Zimmermann: Inwieweit der Mann personlich davon betroffen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich kenne ihn nicht. Das Urteil zeigt aber, dass es fur ein solches Vergehen eine Strafe gibt.

Eine sehr geringe Strafe fur jemanden im Ruhestand.

Die Taten werden als so gravierend eingeschatzt, dass der Verurteilte das Priesteramt nie mehr ausuben darf. Das hei?t, dass jemand nicht mehr fur vertrauens- und glaubwurdig gehalten wird, und nie mehr das Wort Gottes verkundigen darf. Aus meiner Sicht ist das eine der hartesten Strafen uberhaupt fur einen Menschen, der fur sein Leben die Berufung hatte, Priester zu sein.

Matthias Katsch, Missbrauchs-Opfer am Canisius-Kolleg und Leiter einer Opfergruppe, bezeichnet das Urteil als mild. Empfinden Sie es als angemessen?

Das kann ich sehr gut verstehen. Fur das massive Leid, das durch den Missbrauch ausgelost worden ist, ist es zu gering. Aber es ist immerhin mehr als nichts.

Erst jetzt kam heraus, dass Papst Benedikt in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit rund 400 Priester wegen Missbrauchsvorwurfen entlassen hat. Ist das die Art und Weise, wie die katholische Kirche das Thema aufarbeitet – intransparent und mit Strafen, die den Opfern kaum zu vermitteln sind?

Beim Missbrauch geht es nicht nur um den Tater allein, sondern um ein in diesem Punkt gesamtes krankes System. Insofern stehen wir bei der Aufarbeitung immer noch am Anfang.

Es sind aber schon vier Jahre vergangen, seit Ihr Vorganger, Pater Mertes, die Missbrauchsfalle am Canisius-Kolleg offentlich gemacht hat.

Kirchliche Verfahren sind oft alt und deshalb nicht sonderlich transparent. Andererseits gibt es viele Opfer, die nicht wollen, dass ihre Falle bekannt werden. Dann kann man Offentlichkeit schlicht nicht herstellen.

Ihre Schule ist Teil des kranken Systems.

Hier wurde vor drei?ig Jahren aktiv weggeschaut und aktiv nichts getan.

Was tun Sie heute dagegen?

Das Canisius-Kolleg heute ist ein anderes als es vor 30 Jahren war, mit einer anderen Schulkultur, mit anderen Lehrkraften. Das sehen selbst Opfer von damals so.

Gab es in den vergangenen Jahren neue Missbrauchsfalle?

Nein.

Haben Sie trotzdem ein Fruhwarnsystem eingefuhrt?

Ja, wir haben ein Curriculum fur Lehrkrafte, Eltern sowie Schulerinnen und Schuler entwickelt. Fur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten wir einen Verhaltenskodex. Dazu gehort unter anderem, dass kein Erwachsener einfach so allein sein kann mit Kindern und Jugendlichen. Der Schulseelsorger, mit dem ein Kind auch mal ein Gesprach unter vier Augen fuhren will, tut das zum Beispiel in einem einsehbaren Raum. Fur die Schulerinnen und Schuler haben wir gemeinsam mit externen Fachleuten Praventionsstrategien entwickelt.

Wie sehen die aus?

Beispielsweise kommt die Beratungsstelle Kind im Zentrum hierher zu uns in die 5. Klassen. In der 9. Klasse gehen die Madchen zu Wildwasser, einem Verein fur missbrauchte Madchen und Frauen. Die Jungen gehen zu Tauwetter, dem mannlichen Pendant. Auch uber den Umgang mit digitalen Medien wird umfassend informiert. Die Kinder mussen aber nicht nur wissen, wohin sie sich wenden konnen. Sondern sie mussen in erster Linie sprachfahig gemacht werden. Darin liegt unsere gro?e Aufgabe.

Und das erreichen Info-Veranstaltungen einmal im Schuljahr?

Selbstbewusste, sprachfahige Menschen zu erziehen, die fur die eigenen Grenzen ebenso einzustehen gelernt haben wie fur die der anderen, ist Ziel unseres ganzen Schulprogramms auf dem Feld „soziales Lernen“. Darunter fallen auch Themen wie Mobbing. Zu unserer Praventionsarbeit gehoren aber ebenso Handlungsleitfaden sowie unsere Missbrauchsbeauftragte, die wir seit vielen Jahren haben.

Warum wurde die Missbrauchsbeauftragte nicht schon vor 2010 tatig?

Sie kann nur das offentlich machen, was ihr mitgeteilt wird. In der medialen Aufklarung der Missbrauchsfalle ab 2010 spielte sie eine wichtige Rolle, die lief namlich vor allem uber sie.

 

 

 

 

 




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