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Schutz Vor Sexuellem Missbrauch

Frankfurter Rundschau
February 21, 2014

http://www.fr-online.de/missbrauch/katholische-kirche-schutz-vor-sexuellem-missbrauch,1477336,26302558.html

Die deutschen Bischofe wollen auf ihrer Fruhjahrsvollversammlung Mitte Marz in Munster ein leidiges Thema abraumen. Nach der 2013 gescheiterten Zusammenarbeit mit dem Hannoverschen Kriminologen Christian Pfeiffer, der den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche systematisch aufarbeiten sollte, steht dem Vernehmen nach die Entscheidung uber ein Nachfolgeprojekt an.

Richten die Bischofe dabei vornehmlich den Blick auf die Vergangenheit, um daraus Schlusse fur bessere Vorbeugung ziehen zu konnen, weitet das Erzbistum Koln schon jetzt die Perspektive – zeitlich und inhaltlich. Drei Kongresse in Koln sind dem Schutz Erwachsener gewidmet, die sich in Obhut der Kirche befinden, ob in Krankenhausern, Seniorenheimen Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Damit reagiert das Erzbistum nicht etwa auf bekannt gewordene Vergehen. „Wir handeln ausschlie?lich vorsorglich“, betont Generalvikar Stefan He?e, Chef der Bistumsverwaltung. „Es gibt bei uns kein einziges Ermittlungsverfahren, keine Strafanzeige, noch nicht einmal uns bekannte Verdachtsfalle“, fugt der Praventionsbeauftragte Oliver Vogt hinzu.

Sexueller Missbrauch schutzbefohlener Erwachsener war bislang in der Offentlichkeit eher selten ein Thema. Allenfalls gelegentlich, dann aber durchaus spektakular gingen Einzelfalle durch die Presse, wie der Vorwurf sexueller Belastigungen von Patientinnen unter Narkose an der Berliner Charite. Fachleute gehen freilich von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Belastbares Datenmaterial gibt es nicht. Vorhandene Studien beziehen sich nur auf das europaische und au?ereuropaische Ausland.

Dabei wird die Dimension des Themas schon aus wenigen Zahlen klar: Allein in der Behindertenhilfe gibt es unter dem Dach des Kolner Diozesan-Caritasverbands 188 Einrichtungen. Hinzu kommen 27 ambulant tatige Betreuungsvereine. Es gebe in Krankenhausern, Senioren- oder Behindertenheimen ein „deutliches Machtgefalle“ zwischen Personal und Betreuten, erlautert Vogt. In solchen Konstellationen stelle sich immer auch die Frage nach moglicher sexueller Gewalt – und damit nach der Pravention. Dem etwaigen Vorwurf von Aktionismus begegnet Vogt als Leiter der Stabsstelle Pravention mit einer simplen Verhaltnisrechnung: „Lieber tausend Menschen zu viel geschult als einen zu wenig.“

Unterschiedliche Sensibilisierung

In den einzelnen Tatigkeitsbereichen selbst sei die Sensibilisierung fur das Problem unterschiedlich. In der Arbeit mit Behinderten etwa gebe es schon seit langem sexualpadagogische Konzepte und Diskussionen um den Schutz der Intimsphare betreuungs- oder pflegebedurftiger Menschen. „Im Krankenhaus war das bislang kein relevantes Thema, dem die – vielfach beanspruchten – Trager besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatten.“ Das ist aber nach Vogts Einschatzung „kein bewusstes Wegschauen oder Verdrangen“, sondern eine Frage der Prioritaten.

Das Erzbistum hat Wissenschaftler, Vertreter der Krankenhauser und anderer Einrichtungen, Praktiker aus Pflege, Beratungsarbeit und Seelsorge eingeladen. Das erste von drei Hearings fand gestern im Kolner Maternushaus statt. Zu Wort kommen auch Sprecher von Behinderten oder Patienten.

„Die Sicht der Betreuten ist uns besonders wichtig“, betont Vogt. Am Ende sollen Schutzkonzepte fur Patienten oder Bewohner kirchlicher Hauser sowie Schulungsprogramme fur Mitarbeiter stehen. Von den knapp hundert Fachteilnehmern – unter ihnen Missbrauchsbeauftragte der Bistumer aus ganz Deutschland – erwartet sich das Erzbistum auch Diskussionen uber Bedenken oder Widerstande.

Vor allem die Trager durften gegenuber kostspieligen Schulungsprogrammen eine gewisse Reserve an den Tag legen. „Aber Schutzkonzepte sind ja keine Strafe, sondern ein Qualitatsmerkmal fur kirchliche Einrichtungen“, halt Vogt dem entgegen. „Wir sind zudem ein Stuck weit stolz darauf, dass wir als Kirche einmal nicht nur reagieren.“ Dem Kolner Generalvikar He?e ist das Ziel wichtig, „unser erfolgreiches Vorgehen im Bereich Kinder- und Jugendschutz auf Krankenhauser sowie Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe auszuweiten.“ Das Erzbistum sieht sich dabei in einer Vorreiterrolle.

Mit „Erfolg“ meint He?e zweierlei: Quantitat wie Qualitat der Praventionsarbeit im Erzbistum. Bis Ende 2013 durchliefen mehr als 35 000 haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeiter die angebotenen Schulungen.

Und: „Die Pravention funktioniert“, sagt Oliver Vogt. „Wenn Jugendgruppenleiter, Kindergartnerinnen oder Lehrer ein komisches Gefuhl im Bauch haben, melden sie sich heute viel schneller als fruher. Wir konnen jedem Verdachtsfall sofort nachgehen, und wir haben – wenn notig – das gesamte Instrumentarium arbeits- und strafrechtlicher Ma?nahmen zur Hand.“ Zudem bietet die Praventionsstelle psychologische Unterstutzung fur mogliche Opfer, aber auch fur Angehorige, Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen und fur die mutma?lichen Tater an.

Auch auf der Ebene der Bischofskonferenz wird die Kolner Initiative aufmerksam beobachtet. Sie habe bundesweit Modellcharakter, lobt der Missbrauchsbeauftragte der Bischofe, Stephan Ackermann.

 

 

 

 

 




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