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Papst Franziskus – Alte Autos

netzwerkB
May 30, 2014

http://netzwerkb.org/2014/05/30/papst-franziskus-und-alte-autos/

Beim Katholikentag in Regensburg ist das Thema sexueller Missbrauch eines unter vielen. Am heutigen Veranstaltungstag ist es ein Hauptthema. Es war zuletzt der Papst selbst, der den Missbrausskandal in der katholischen Kirche neuerlich in den Mittelpunkt geruckt hat als er bei seiner Ruckreise von seinem Besuch im Nahen Osten sagte, es gebe Null Toleranz fur Geistliche die Kinder missbrauchten, das sei ein hassliches Verbrechen was einem Verrat an Gott gleichkomme. Der Papst kundigte au?erdem fur Anfang Juni ein erstes Treffen mit Opfern an. Zu diesen Opfern gehort Norbert Denef, er ist Vorsitzender der Selbsthilfeorganisation netzwerkB. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, ist das Solidaritat die Franziskus da zeigt oder ist es, wie der Vorsitzende einer amerikanischen Opferorganisation sagt, eine Geste, ein PR-Coup, ein weiteres Stuck Symbolismus?

Denef: Ich sehe das nur als eine Wiederholung. Das hatten wir doch schon alles vor drei Jahren, wo Papst Benedikt in Amerika eine Messe gefeiert hat, auch noch ein paar Tranen vergossen hat. Das kommt gut an bei den Menschen, aber das ist nichts weiter als eine PR – ich schlie?e mich da an.

WDR 5: Sie sehen also grundsatzlich noch keine Anderung der Linie der Kirche bei diesem Thema, seit dem Wechsel von Benedikt zu Franziskus?

Denef: Nein, uberhaupt nicht. Schauen Sie, das ist ganz einfach: Hier soll gebetet werden, eine Messe gefeiert werden – hier ist ein Schaden entstanden, der muss ersetzt werden. Das ist ganz einfach: Wenn Papst Franziskus mit seinem alten Auto, er fahrt ja alte Autos, da ist das leicht vorstellbar, wenn er im Stadtverkehr ein paar Autos kaputtfahrt und da ist zufallig eins dabei was vielleicht Hunderttausend Euro kostet, dann kann er auch nicht sagen, komm wir gehen jetzt Mal zusammen Messe feiern, wir beten, sondern da muss der Schaden halt bezahlt werden – das ist ganz normal. Und hier wird jetzt seit funf Jahren, mehr als funf Jahren, ich selber bin ja schon 20 Jahre dabei, wird geredet und gebetet und Furbitten gehalten. Das konnen die ja alles machen, Glauben ist ja eine Privatsache und so soll es auch bleiben. Wenn aber ein Schaden entstanden ist, dann muss man den halt wieder gutmachen.

WDR 5: Wieder gutmachen, dazu gehoren auch Geldzahlungen. Die katholische Kirche hat inzwischen Entschadigungen gezahlt an 1300 Opfern. Im Durchschnitt waren das etwa 5000 Euro pro Person, in Einzelfallen bis zu 18000. Das halten Sie fur nicht ausreichend?

Denef: Nein, uberhaupt nicht. Au?erdem waren das keine Entschadigungen, sondern das war nur eine Anerkennung des Schadens, das ist ein rechtlicher Unterschied. Sonst wurde die Kirche sich ja festnageln und wurde ja bekennen, dass sie Schaden angerichtet hat. Damit kommt man sehr billig aus der Affare raus. Gucken Sie Mal: 5000 Euro im Schnitt, 5000 Euro ist knapp die Halfte eines Gehaltes von einem Bischof. Das ist doch ein Vergleich gegenuber einem Menschenleben was zerstort ist – eine Verhohnung der Opfer.

WDR 5: Wie beurteilen Sie die Arbeit des Missbrauchsbeauftragten der katholischen Bischofskonferenz in Deutschland, des Bischofs Ackermann aus Trier?

Denef: Das ist ahnlich zu sehen. Da sind viereinhalb Jahre vorbei. Ich beurteile immer die Menschen nach der Leistung und dann ziehe ich unten drunter einen Strich, schau mir an was sie geleistet haben und dabei ist rausgekommen: Nichts, gar nichts. Da sind die 5000 Euro rausgekommen. Damit versucht man sich frei raus zukaufen. Mehr ist dabei nicht rausgekommen. Dann sagt man noch, wir machen Pravention, Pravention, aber die Aufarbeitung bleibt unterm Strich – Null. Die Verjahrungsfristen sind nach wie vor noch da. Uber wirkliche Entschadigungen wird nicht gesprochen. Sondern man versucht Zeit zu schinden – mehr ist das nicht.

WDR 5: Bei den strafrechtlichen Verjahrungsfristen ist naturlich der Staat gefragt, der Gesetzgeber, da kommen wir auch noch drauf. Immerhin hat der neue Papst im Zuge der von ihm angestrebten Reform der Kurie eine Kinderschutz-Kommission eingesetzt. Die hat Anfang des Monats ihre Arbeit aufgenommen, besteht aus drei Klerikern, funf Laien, darunter auch einem Opfer. Sie sollen neue Wege suchen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und der zustandige Kardinal O’Malley der sagt dazu: es glaubten noch zu viele, dass Missbrauch nur einzelne Ortskirchen betreffe. Klingt das zumindest recht vielversprechend?

Denef: Wissen Sie, gesprochen wurde bis jetzt sehr viel in den letzten funf Jahren, funfeinhalb Jahren, seit dem die Welle hochgekommen ist. Gesprochen und geredet wurde viel, aber gehandelt – bei den Opfern ist nichts angekommen. Jetzt sollen sie wieder beten, wieder eine Messe feiern, das geht nicht, weil es sind viele bei den Opfern drunter, die wollen mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Das muss man achten, dass muss man akzeptieren und die darf man nicht ausgrenzen. Hier wird ausgrenzt und das ist das Ubelste was man machen kann mit Betroffenen.

WDR 5: Was fordern Sie statt dessen konkret?

Denef: Ich fordere konkret eine Begegnung auf Augenhohe, das was ich vorgeschlagen habe. Ich habe einen Akt der Versohnung vorgeschlagen, dem Papst, seit uber einem Jahr. Ich habe auch personlich die Unterlagen dort abgegeben. Einen Akt der Versohnung, das hei?t, sich auf Augenhohe treffen und nicht sagen, ich bin jetzt derjenige der die Messe feiert. Wir mussen sagen ok, du bist da glaubig, das ist ok und da gibt es eben auch andere Leute die nicht glauben. Aber da ist ein Schaden angerichtet worden und daruber muss man sprechen und sich nicht irgendwelche strengglaubige Katholiken einladen mit den man zusammen beten kann und dann der Gesellschaft vorgaukeln: guckt mal, wir tun ja was.

WDR 5: Was die Verscharfung der strafrechtlichen Verjahrungsfristen angeht ist da, was den Gesetzgeber betrifft, noch nicht genug auf den Weg gebracht worden?

Denef: Nein, in keinster Weise. Schauen Sie, der jetzige Bundesjustizminister, der hat 2010 mir personlich einen Brief geschrieben, an netzwerkB, dass er fur die kompletten Aufhebungen der Verjahrungsfristen sei. Jetzt ist er Bundesjustizminister, jetzt schraubt er das ganze wieder zuruck und jetzt will er versuchen mit 30 Jahren, das hei?t, die Hemmung soll jetzt auf 30 Jahre angehoben werden. Damit sind wir keinen Millimeter weiter. Wenn diese gleiche Welle, die wir jetzt hatten, Anfang 2010, in 30 Jahren noch mal kommt, stehen die gleichen Opfer an der gleichen Stelle. Odenwaldschule, die bekannten Institutionen, dort konnte kein Fall aufgeklart werden, weil die Verjahrungsfrist eingetreten ist. Das hei?t, wir machen wieder nur Makulatur, wir machen wir nur ein Stucken, ein bisschen was, damit die Gesellschaft beruhigt ist. Die Verjahrungsfristen gehoren komplett aufgehoben und zwar auch ruckwirkend im Zivilrecht, damit aufgearbeitet werden kann. Und die Kirche, der Papst, konnte das als Erster tun, der hat namlich nichts demokratisch zu entscheiden, der kann das selbst tun, der kann sagen: Die sind aufgehoben und auch ruckwirkend und wir arbeiten auf und wir offnen die Aktenarchiv-Lager. Das ware klare Sache und nicht Messe feiern mit viel Weihrauch und Beten – das bringt uns uberhaupt nicht weiter.

WDR 5: Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zum Stand der Aufarbeitung war das im WDR 5 Morgenecho, aus Anlass des Katholikentages in Regensburg, Norbert Denef, er ist Vorsitzender der Opferorganisation netzwerkB. Ich danke Ihnen.

 

 

 

 

 




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