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In Deutschland Kommt Die Aufklarung Nicht Voran

By Claudia Keller
Der Tagesspiegel
September 26, 2014

http://www.tagesspiegel.de/politik/missbrauchsfaelle-in-der-kirche-in-deutschland-kommt-die-aufklaerung-nicht-voran/10757190.html

Die Aufarbeitung von Missbrauchsfallen in der katholischen Kirche gestaltet sich schwierig. - FOTO: DPA

Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat die Vatikan-Gendarmerie Erzbischof Jozef Wesolowski (66) verhaftet – „auf ausdruckliche Anordnung des Papstes“, wie es hie?. Wesolowski wird vielfacher Kindesmissbrauch vorgeworfen. Als Botschafter des Papstes in der Dominikanischen Republik soll er „in Ausnutzung ihrer prekaren sozialen Lage“ sexuelle Dienstleistungen bei Jugendlichen gekauft und sich an den einschlagigen Platzen fur die Prostitution mit Minderjahrigen herumgetrieben haben. Bereits Ende Juni wurde ihm das Priesteramt entzogen, jetzt soll ihm der Prozess gemacht werden, zwar im Vatikan, aber nach weltlichem Recht.

Es droht ihm eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren.

Es ist das erste Mal, dass ein Erzbischof verhaftet wurde. Es ist auch das erste Mal, dass der Vatikan einem hochrangigen des Missbrauchs angeklagten Kirchenmitarbeiter den Prozess macht. Papst Franziskus hatte wiederholt angekundigt, hart gegen Missbrauchstater vorgehen zu wollen. Im Mai hatte er sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit dem „Abhalten einer schwarzen Messe“ verglichen. Am Donnerstag hat Franziskus zudem einen Bischof in Paraguay rausgeschmissen, der einen Kollegen als homesexuell bezeichnete.

Dass Franziskus seinen Worten jetzt Taten folgen lasst, beobachten Missbrauchsopfer auch in Deutschland mit gro?em Interesse. „Wenn Wesolowski tatsachlich der Prozess gemacht wird, ware das ein starkes Signal“, sagt Matthias Katsch, der Sprecher der Betroffenen-Vereinigung „Eckiger Tisch“. In dem Gremium versammeln sich Menschen, die als Jugendliche von Jesuitenpatern missbraucht wurden. „Es ware ein Zeichen dafur, dass die Kirche entschieden gegen Tater in den eigenen Reihen vorgeht, egal welche Positionen sie bekleiden“, sagt Katsch. Er hofft, dass dieses Signal auch in Deutschland gehort wird und auch hierzulande manchen Bischof motiviert, entschieden gegen Missbrauchstater vorzugehen und auch die Falle der Vergangenheit aufzuklaren.

Signalwirkung fur die Bundesrepublik?

Von einer solchen Signalwirkung bis nach Deutschland will man in der Deutschen Bischofskonferenz nichts wissen. „Das ist eine rein vatikanische Angelegenheit“, sagte Matthias Kopp, der Sprecher der Bischofskonferenz, am Donnerstag. „Die kommentieren wir nicht.“

Im Marz hatte die Deutsche Bischofskonferenz ein Forschungskonsortium um den Neurowissenschaftler Harald Dre?ing vom Zentralinstitut fur Seelische Gesundheit in Mannheim mit der Aufarbeitung der Falle sexueller Gewalt in der katholischen Kirche beauftragt. Der Gruppe gehoren sieben Kriminologen, Psychologen und Soziologen an. Professoren an. Das Forschungsprojekt ist auf dreieinhalb Jahre angelegt und kostet die Kirche eine Million Euro. Die Forscher wollen Daten aus Kirchenarchiven auswerten und uber Interviews mit Opfern und Tatern Einsicht uber das Vorgehen der Tater und uber das Verhalten von Kirchenverantwortlichen in den zuruckliegenden Jahrzehnten erhalten.

Es ist der zweite Anlauf in der Aufarbeitung der Missbrauchsfalle. Im Januar 2013 war die Zusammenarbeit mit dem niedersachsischen Kriminologen Christian Pfeiffer gescheitert – unter anderem an der Frage, wer nach den Akten in den Kirchenarchiven sucht, ob das Forschungsteam in die Archive steigt oder Mitarbeiter der Kirche.

Die Auswertung dauert an

Doch seit Marz ist nicht viel passiert. Nach wie vor ist unklar, wie viele Bistumer sich in welcher Form beteiligen, bis in welche Zeit die Akteneinsicht zuruckgehen soll und wer die Daten bereitstellt. Bei der Pfeiffer-Studie hatten sich neun Bistumer bereit erklart, Akteneinsicht bis ins Jahr 1945 zuruck zu gewahren. 18 Bistumer wollten lediglich Daten seit dem Jahr 2000 zur Verfugung stellen. Im Marz hie? es, dass es so auch beim zweiten Anlauf gehandhabt werden solle. Doch nach Auskunft der Bischofskonferenz ist das noch nicht geklart.

Man wolle jetzt zunachst mit den qualitativen Interviews mit Opfern und Tatern beginnen, um auf diesem Weg mehr uber die Taterstrategien zu erfahren. Danach konne man gezielter nach Akten forschen, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz.

Matthias Katsch vom „Eckigen Tisch“ beruhigt das nicht. Er ist skeptisch, ob die Vergangenheit jemals aufgearbeitet wird, wenn man die Aufarbeitung der Kirche uberlasst. Deshalb fordern er und viele andere Betroffene seit langerem, dass der Bundestag eine unabhangige Aufarbeitungskommission einsetzen soll, die Institutionen ubergreifend die Vergangenheit beleuchtet.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD)und Johannes-Wilhelm Rorig, der unabhangige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, haben sich die Forderung zu eigen gemacht. „Nur so konnen wir der Gesellschaft das Ausma? und die schweren Folgen fur Betroffene deutlich machen“, sagte Rorig diese Woche. Er sei mit allen Bundestagsfraktionen in einem „guten Austausch“, was die Einsetzung einer solchen Forschungskommission angeht. Rorig hofft, dass sie vielleicht 2016 starten kann.

 

 

 

 

 




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