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Klagen, Erkenntnisse, Empfehlungen

Katholische Kirche
November 6, 2014

http://www.cathol.lu/archidiocese-erzbistum/les-statuts-die-statuten/klagen-erkenntnisse-empfehlungen.html

Vom 6. April bis zum 16. Juli 2010 konnten Opfer sexueller und physischer Gewalt die Dienste einer vom Erzbistum Luxemburg eingerichteten Kontaktstelle in Anspruch nehmen. 138 Personen nutzten das Gesprachsangebot, 100 davon klagten uber erlittene oder beobachtete Gewalt im Umfeld der Kirche.

Der Abschlussbericht, den die Koordinatoren der Kontaktstelle, Simone und Mill Majerus-Schmit, dem Erzbischof und dem Generalstaatsanwalt am 10. November zukommen lie?en, gibt Aufschluss uber die Arbeit der Kontaktstelle und liefert Antworten auf Fragen wie: Wer sind die Opfer der Gewalt im kirchlichen Umfeld? Wer hat ihnen Gewalt angetan? Was haben sie erlebt? Wie gehen Sie heute mit dem Erlebten um? Die Auswertung der Gesprache macht etwa die Halfte des Abschlussberichts aus. Daneben liefert das 141-seitige Dokument u.a. psychologische und juristische Fachbeitrage zum Thema Missbrauch, Auszuge aus den Gesprachsprotokollen und Empfehlungen des Leitungsteams an Kirche und Gesellschaft.

„Dieser Bericht kann und darf nicht den Anspruch erheben, die ganze Wahrheit zu erfassen. Er bringt vor allem die Wahrheit der Opfer zum Ausdruck“, schreiben Simone und Mill Majerus-Schmit in der Einleitung zu ihrem Bericht.

Wie diese Wahrheit aussieht, dokumentieren die Koordinatoren der Hotline mit zahlreichen Zitaten aus den Berichten der Gesprachspartner. 114 solcher Berichte wurden an die Staatsanwaltschaft und an das erzbischofliche Ordinariat weitergeleitet. Sie zeugen von korperlichem und seelischem Leiden, von sozialer und spiritueller Not.

Die Verfasser des Hotline-Berichts haben sich auch mit den Ursachen des Missbrauchs und seiner spaten Thematisierung auseinandergesetzt:

- Viele Opfer empfinden so starke Scham- und Schuldgefuhle, dass sie haufig selbst Jahrzehnte spater keine Worte finden konnen oder finden wollen. Zudem war Sexualitat ein Tabuthema.

- Es lag im ureigensten Interesse der Tater, die Opfer mundtot zu machen oder mundtot zu halten.

- Auch manche Vertreter der Institution Kirche meinten, das Prinzip des Selbstschutzes machte es notig, die Ubergriffe zu vertuschen.

- Dazu kam in vielen Fallen eine regelrechte Kapitulation des familialen, erzieherischen und sozialen Umfeldes der betroffenen Kinder und Jugendlichen.

Man kann unterschiedliche Hypothesen entwickeln, warum Eltern damals nicht reagierten:

- Tabuisierung der Sexualitat,

- inhaltliche und sprachliche Defizite im Umgang mit dem Thema,

- Angst vor der Institution Kirche und ihrem Einfluss,

- ubertriebener Respekt vor der Kirche und ihren Vertretern,

- mangelndes Vertrauen in die Kinder,

- Unkenntnis der Konsequenzen des sexuellen Missbrauchs,

- Vermutung, dass eventuelle Klagen ohne Ergebnisse blieben.

Ganz generell wurde Gewalt gegenuber Kindern und Jugendlichen in einer heute kaum noch nachvollziehbaren Art banalisiert. Die sexuellen Ubergriffe wurden hingenommen wie eine Plage, gegen die ohnehin kein Kraut gewachsen ist.

Pressekonferenz vom 18.11.2010: Klare Worte von Seiten der Koordinators und der Bistumsverantwortlichen

Das Allerwichtigste fur die Opfer: Reden

Zu den Erwartungen der Opfer schreiben die Hotline-Mitarbeiter Jean-Paul Conrad und Yvonne Lanners:

Die fruheren Opfer erwarten in erster Linie, dass ihnen zugehort und geglaubt wird. Die vorurteilsfreie Empathie der Psychotherapeuten wirkt heilend und befreiend. Sie sind nun nicht mehr alleine mit dem schrecklichen Geheimnis, das sie jahrzehntelang mit sich herumtrugen, und uber das sie aus unterschiedlichen Grunden mit keinem Erwachsenen reden konnten . Fur manche der Betroffenen war es das allererste Mal, dass sie einer Person von ihrem Missbrauch erzahlen konnten.”

Die meisten Betroffene haben in Beratungsgesprachen den Hotline-Mitarbeitern gegenuber keine finanziellen Erwartungen oder materielle Wiedergutmachung geau?ert. Es geht ihnen vor allem darum, dass die kirchliche Hierarchie die Geschehnisse zur Kenntnis nimmt und bereit ist, die Taterschaft in den eigenen Reihen offentlich anzuerkennen.

Was soll geschehen?

Die Koordinatoren der Hotline haben klare Vorstellungen von dem, was jetzt passieren soll. Sie zahlen in ihrem Abschlussbericht 7 Bereiche auf, in denen die katholische Kirche aktiv werden soll.

- Schuldeingestandnis und Entschuldigungsschritte

- Verantwortungsubernahme und Wiedergutmachung

- Einsetzen eines permanenten Gremiums zum Thema Missbrauch und Gewalt in der Kirche

- Leitfaden fur den Umgang in der Kirche mit Missbrauch und Gewalt

- Sensibilisierungsinitiativen zum Thema Missbrauch und Gewalt

- Vorbereitung auf den Priesterberuf

- Glaubwurdigkeit der christlichen Botschaft

Zu jedem dieser Bereiche gibt es im Abschlussbericht konkrete Umsetzungsvorschlage.

Den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft empfehlen die Koordinatoren folgende Ma?nahmen:

- Aufarbeitung der Geschichte der Luxemburger Heime und Internate im Zeitraum zwischen 1950 und 1975 durch die Universitat

- Einrichtung einer nationalen Diagnostik- und Beratungsstelle fur traumatisierte Kinder und Jugendliche

- Wissenschaftlich abgesicherte Erfassung der Daten um Missbrauch und Gewalt an Kindern

- Taterarbeit in Luxemburg (als Praventionsma?nahme)

- Verlangerung der Verjahrungsfristen bei sexuellem Missbrauch

- Einsetzen eines „Runden Tisches“ zum Thema Missbrauch, der regelma?ig Berichte erstellt, der bestehende Ma?nahmen evaluiert und gegebenenfalls neue Initiativen vorschlagt.

Eine letzte Empfehlung richtet sich an alle Burgerinnen und Burger, die mit Kindern zu tun haben. Da es in unserer Gesellschaft nach wie vor Gewalt und Missbrauch gabe, seien wir alle gefordert, eine Kultur der Achtsamkeit zu entwickeln.

 

 

 

 

 




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