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Missbrauchsbeauftragter bekam Zahlen vorgelegt

By Stefan Aigner
Regenburg-Digital
November 12, 2014

http://www.regensburg-digital.de/missbrauchsbeauftragter-bekam-zahlen-vorgelegt/11112014/

Schweigen hinter Pomp und Prunk: Diese Maxime galt bislang in der Diözese Regensburg.

Dr. Martin Linder ist seit November 2013 Missbrauchsbeauftragter des Bistums.

Zeichnet verantwortlich für demütigende Serienbriefe, bleibt bislang im Amt: Generalvikar Michael Fuchs.

„Im Bistum Regensburg wurde von Anfang an alles getan, um die schrecklichen Geschehnisse kleinzureden und unter den Teppich zu kehren.“ Die ehemaligen Domspatzen Udo Kaiser, Georg Auer, Alexander Probst und Michael Sieber protestierten beim Katholikentag. Sie sind Opfer, die vom Bistum Regensburg nicht anerkannt werden.

[The new abuse officer for the Regensburg diocese has produced a first report. A bout 160,000 euros has been paid to victims of sexual violence.]

Das Bistum Regensburg hat dem Missbrauchsbeauftragten ein paar Zahlen mitgeteilt. Wirkliche Klarheit bringen auch diese nicht. Empfänger des demütigenden Serienbriefes von Generalvikar Fuchs warten nach wie vor auf eine Entschuldigung.

Es sieht aus wie ein Fortschritt. Zum ersten Mal seit 2010 wurden im Bistum Regensburg von offizieller Stelle Zahlen zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche und zur Entschädigung der Opfer herausgegeben. Am Montag hat der neue Missbrauchsbeauftragte Dr. Martin Linder, er ist Nachfolger der verstorbenen Birgit Böhm, auf der Bistums-Homepage seinen ersten Bericht vorgelegt.

Rund 160.000 Euro Entschädigung

Demnach wurden zwischen 2011 und 2014 30 Anträge auf Entschädigung bewilligt, für die das Bistum 158.500 Euro ausbezahlt habe. Zu Opfern und Tätern heißt es in dem Bericht wörtlich:

„Von 1945 bis heute wurden von den etwa 2.380 tätigen Geistlichen der Diözese Regensburg 13 Geistliche wegen sexueller Straftaten an 77 Minderjährigen in unserer Diözese verurteilt, davon zwei wegen Besitzes von kinderpornographischem Material und einer, besonders schwerwiegend, wegen sexueller Straftaten an 25 Minderjährigen in zwei Pfarreien Anfang der 50er Jahre. Von diesen 13 Geistlichen leben noch acht, zwei von diesen acht wurden laisiert, das heißt aus dem Klerikerstand entlassen, die übrigen sechs sind suspendiert.“

Derzeit laufe noch ein kirchenrechtliches Verfahren gegen einen Geistlichen wegen einer mutmaßlichen Tat in den 70ern. Strafrechtlich seien die Vorwürfe verjährt. „In einem weiteren Fall ist trotz des Todes des Beschuldigten auf Grund mehrerer, voneinander unabhängiger Beschuldigungen von einer juristisch vergleichbaren Sicherheit auszugehen. Drei kirchenrechtliche Verfahren hätten „nach staatsanwaltlicher Befassung ohne Urteil oder Strafbefehl“ zur Einstellung des kirchenrechtlichen Verfahrens mangels Beweisen geführt.

Zahlen wurden „zur Verfügung gestellt“

Sämtliche genannten Zahlen und Daten seien ihm von der Bistumsleitung bzw. Generalvikar Michael Fuchs „zur Verfügung gestellt“ worden, schreibt Linder. Er scheint sie also nicht auf Basis eigener Recherchen oder Einsicht in Unterlagen zu kennen. Aus dem Bericht geht denn auch nicht klar hervor, wie viele Opfer vom Bistum als nicht glaubwürdig eingestuft oder wie viele Anträge auf Entschädigung abgelehnt wurden.

Rückfragen unserer Redaktion bei Empfängern jener wortgleichen, von Generalvikar Fuchs unterzeichneten Serienbriefe, mit denen das Bistum mehrere Betroffene der Lüge bezichtigt hatte, („Wir konnten (…) Ihre Aussagen zur Frage eines sexuellen Missbrauchs nicht nachvollziehen.“) ergaben, dass das Bistum ihnen gegenüber weiter eine harte Haltung zeigt. Trotz gegenteiliger Versprechen von Bischof Rudolf Voderholzer gab es bei den früheren Domspatzen keinerlei Rückmeldung mehr, von einer Entschuldigung oder Entschädigung ganz zu schweigen. Einzig Birgit Böhm hatte sich, noch kurz vor ihrem Tod, bei einem der Empfänger dafür entschuldigt, dass dieses Schreiben „zu einer so großen Belastung“ für ihn geworden sei.

Einer von ihnen musste sich im Jahr 2012 durch einen von der Diözese beauftragten Anwalt erklären lassen, dass es kein sexueller Missbrauch sei, wenn ein erwachsener Mann den Kopf eines Kindes zwischen die Beine nimmt, stöhnend seinen Penis am Genick des Kindes reibt, während er ihm gleichzeitig auf den nackten Hintern schlägt. Das Stöhnen könne nämlich von der Anstrengung beim Verprügeln kommen.

Der „unabhängige Fachanwalt“

Zu diesem „unabhängigen Fachanwalt“ werden Betroffene „in weniger eindeutig erscheinenden Fällen“, wie es in Linders Bericht heißt, offenbar weiterhin geschickt, um ihre Schilderungen auf „Plausibilität“ prüfen zu lassen. „Dabei liegt die Schwelle der Plausibilität – falls nicht ohnehin ein juristisches Urteil Klarheit gebracht hat – weit unterhalb einer juristischen Beweiskraft.“ Diese Erfahrung haben – siehe oben – zumindest nicht alle gemacht.

Linder, der erst seit November 2013 im Amt ist, kann man all das zweifelhafte Verhalten der Diözese Regensburg in der Vergangenheit kaum anlasten. Der 68jährige teilt in seinem Bericht auch unmissverständlich seine Überzeugung mit, „dass sich nur eine Minderzahl der Opfer an die Diözese wendet“. Er wolle „mit dem Bericht auch dazu ermutigen, das Gespräch mit dem Missbrauchsbeauftragten zu suchen und von dem Antragsverfahren Gebrauch zu machen“.

 




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