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Erste Bilanz nach Missbrauchsskandal

By Joachim Frank
Frankfurter Rundschau
January 20, 2015

http://www.fr-online.de/politik/katholische-kirche-erste-bilanz-nach-missbrauchsskandal,1472596,29615674.html

Stephan Ackermann ist der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz.

[Five years after the discovery of the abuse scandal in the German Catholic Church several of the 27 dioceses have accounted for their education and prevention work.]

Teile der Katholischen Kirche legen ihre Berichte zur Aufklärungs- und Präventionsarbeit vor. Neben der Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch ist auch die Prävention ein wichtiges Thema.

Fünf Jahre nach Aufdeckung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche Deutschlands haben mehrere der 27 Bistümer ihre Aufklärungs- und Präventionsarbeit bilanziert. „Wir können unter dieses Thema keinen Schlussstrich ziehen“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, bei der Vorlage der Zahlen für sein Bistum Trier, zu dem 1,4 Millionen Katholiken gehören.

Seit 2010 haben sich nach Ackermanns Angaben 114 Opfer sexuellen Missbrauchs beim Bistum gemeldet. Beschuldigt wurden 37 bereits verstorbene Priester sowie 30 noch lebende. 21 Verfahren wurden zum Abschluss gebracht, neun sind noch offen. Von 83 Anträgen auf finanzielle Entschädigung wurden 79 bewilligt. Die Betroffenen erhielten bisher insgesamt 400 000 Euro, die nicht aus der Kirchensteuer stammen. Mit der Aufarbeitung habe auch die Phase der Prävention begonnen, erläuterte Ackermann. Seit 2011 seien im Bistum Trier 2276 Mitarbeiter geschult worden.

Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der im Januar 2010 den systematischen Missbrauch von Schülern durch Ordensgeistliche am Berliner Canisiuskolleg der Jesuiten bekanntgemacht und damit eine Welle ähnlicher Enthüllungen ausgelöst hatte, attestierte seiner Kirche einen Paradigmenwechsel vom Täter- und Institutionenschutz zur Opferperspektive. „Es hat sich etwas zum Guten bewegt. Endlich wird auch danach gefragt, wie Strukturen der Kirche Missbrauch ermöglichen und begünstigen. Das ist ein großer Gewinn der vergangenen fünf Jahre“, sagte Mertes der Frankfurter Rundschau. Allerdings gebe es bis in die Führungsspitze der Kirche hinein „immer noch Kräfte, die aus der Verteidigungshaltung nicht herauskommen“. Grund dafür sei vor allem der fehlende Kontakt zu Opfern sexuellen Missbrauchs.

„Es gibt eine Verweigerungsfront“

Für die Zukunft sei es wichtig, den „Zusammenhang von Prävention und Intervention“ stärker zu beachten: „Wir müssen auf die Gewalt reagieren, die man sieht, um sehend zu werden für die Gewalt, die man nicht sieht.“

Weiter sagte Mertes, im Gegensatz zur katholischen Kirche hätten sich andere Institutionen und gesellschaftliche Gruppen ihrer Verantwortung noch längst nicht im erforderlichen Umfang gestellt. „Es gibt eine Verweigerungsfront“, machte Mertes deutlich und nannte dabei vor allem die pädagogischen Fakultäten. „Sie fragen immer noch nicht, was der Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen für die Konzeption von Schule bedeutet.“

Die katholische Kirche hatte 2011 beschlossen, Opfer sexuellen Missbrauchs zu entschädigen. 2013 legte sie verschärfte Leitlinien zum Umgang mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt und zu deren Prävention vor. Eine groß angelegte wissenschaftliche Studie mit Auswertung von Personalakten und Befragungen von Opfern soll 2017 zum Abschluss kommen.

 




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