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Bistum Im „stadium Der Kampfphase“

By Robert Werner
The Regensburg-Digital
January 22, 2015

http://www.regensburg-digital.de/bistum-im-stadium-der-kampfphase/22012015/

Er habe „genug von dieser Institution“ und wolle „von diesen Typen“ aus dem Regensburger Ordinariat niemals mehr etwas horen“. Mit diesen unmissverstandlichen Worten meldet sich ein weiterer ehemaliger „Domspatz“ zu Wort. Unserer Redaktion schildert er sein Leid als blutig geprugeltes Kind, sein Los als Opfer von sexuellen Ubergriffen und seine Enttauschung nachdem er sich 2010 bei der damaligen „Missbrauchsbeauftragten“ Dr. Birgit Bohm gemeldet hatte. Die Glaubwurdigkeit des Regensburger Bistums in Sachen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch von Minderjahrigen und Schutzbefohlenen scheint indes tiefer nicht mehr sinken zu konnen. Das es auch anders gehen konnte, zeigt ein Blick nach Munchen und Ettal.

Zwei Bischofe, gleiche Praxis: Sowohl unter Gerhard Luwid Muller als auch unter Rudolf Voderholzer findet keine systematische Aufklarung sexuellen Missbrauchs statt. Foto: Archiv/ as

Anlasslich des ARD-Films von Mona Botros „Sunden an den Sangerknaben“ vom 7. Januar berichtet Franz M. (Name geandert) unserer Redaktion von seiner leidvollen Geschichte als „Domspatz“. Sowohl von den „brutalen Erziehungsmethoden“ als auch von den sexuellen Ubergriffen. Beides musste Franz M. uber Jahre hinweg am eigenen Leib erleiden. Nebenbei bestatigt er die Verhaltnisse im Domspatzen-Internat: Es sei „wirklich so gewesen“, wie es in der ARD von Georg Auer, Udo Kaiser und Alexander Probst eindrucklich geschildert werde. Selbst einer seiner Peiniger wurde in der ARD-Doku kurz thematisiert, dessen Gerichtsakte von 1959 gezeigt.

Es handelt sich dabei um den ehemaligen Direktor des Domspatzen-Internats Friedrich Zeitler, der 1959 wegen „Unzucht mit Abhangigen“ zu drei Jahren Gefangnis verurteilt wurde. Die damalige Verurteilung beschrankte sich auf drei missbrauchte Domspatzen, die danach vermutlich vom Internat geworfen wurden. Als Nachfolger von Zeitler ubernahm 1959 der katholische Priester Georg Zimmermann die Leitung von Internat und „Domspatzen“-Gymnasium – auch er war ein Serien-Missbrauchstater, der in der ganzen Diozese sein Unwesen trieb.

Tatort: Kapelle der Domprabende

Franz M. war Internatsschuler in der alten Domprabende in der Orleanstra?e 2a gewesen, bis er – wie alle anderen Zoglinge auch – aufgrund der Kriegsereignisse im Oktober 1944 nach Hause geschickt wurde. Seinen Angaben zufolge wurde er von Zeitler mehrfach sexuell missbraucht. Als Tatort nennt Franz M. die verschlie?bare Hauskapelle der Domprabende. Zeitpunkt: nachts, nachdem er von Zeitler aus dem Schlafsaal geholt worden sei. Am Tag darauf wurde in ebendiesem Raum der allmorgendliche Gottesdienst gefeiert.

Nachts sexueller Missbrauch, morgens Gottesdienst: die Kapelle in der Domprabende. Foto: privat

Der Theologiestudent Zeitler, seit Ostern 1939 Prafekt im Domspatzen-Internat, habe sich allerdings nicht nur an ihm vergangen. Franz M. gibt an, dass schatzungsweise 40 weitere Internatsschuler Zeitlers sexuelle Ubergriffe erleiden mussten. Die meisten seien bereits verstorben. Die sexuellen Ubergriffe seien nicht nur in der Kapelle des Internats geschehen, sondern auch auf Propagandareisen des Domchors fur das NS-Regime, so beispielsweise nach Frankreich und Spanien.

Grundsatzlich wurden diese Angaben vom Tater selbst bestatigt. In seinem Gestandnis anlasslich des Strafprozesses von 1959 raumt Zeitler ein, dass er 1941 auf der Propagandareise der „Domspatzen“ nach Spanien „Unzuchtshandlungen“ vorgenommen habe. Er gestand unter anderem, das Geschlechtsteil eines 13jahrigen Domschulers „in wollustiger Absicht“ abgetastet zu haben. Die sexuellen Ubergriffe wurden fur Zeitler „mehrere Jahre hindurch fast zur Gewohnheit, ja zur 2. Natur. Er hat die Jugendlichen (…) bis zu einem gewissen Grade methodisch und zielstrebig an sich fixiert“, fuhrt das Urteil weiter aus.

Seine sexuellen Ubergriffe in der Hauskapelle der Domprabende in der Orleanstra?e, in der seinerzeit auch der Domkapellmeister Theobald Schrems wohnte, verschwieg er allerdings im Strafprozess von 1959.

Die ehemalige Domprabende in der Orleansstra?e 2a. Foto: Werner

Strafrechtlich verfolgt wurde der Religionslehrer Zeitler erst 1958, als Eltern eines unbeteiligten Schulers Strafanzeige erstatteten (Mehr daruber.). Seit April 1957 war der romisch-katholische Priester Friedrich Zeitler Leiter des in der Reichsstra?e neu errichteten Domspatzen-Internats.

Mantel des Verschleierns bis heute

Im Marz 2010, als sexueller Missbrauch und korperliche Misshandlungen in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen wochenlang die Schlagzeilen bestimmten, fasste auch Franz M. den Entschluss, die Vorgange bei der damaligen bischoflichen „Missbrauchsbeauftragten“ Birgit Bohm (verstorben 2013) und bei der Direktion der Domspatzen detailliert anzuzeigen. Nicht, um Geldleistungen zu erhalten, sondern der Aufklarung der Missstande wegen. Eine Antwort habe er nie erhalten.

Auch seine Schilderung der erlittenen brutalen korperlichen Misshandlungen blieb ohne Nachfrage und Konsequenz. Damals im ersten Stock der Domprabende habe ihn, so Franz M., der Prafekt Gigler derartig zusammengeschlagen, dass er „aus Ohren und Mund blutete“. Der vorgebliche Grund fur diesen Exzess: Er habe seine Schuhe „nicht ordnungsgema? in den Schrank gestellt“. Der brutale Prafekt sei daraufhin weggelaufen und habe ihn in seinem Blut liegen lassen.

Nach dem Krieg hat Franz M. dennoch Musik studiert – noch heute ist sie das Lebenselixier des hochbetagten Herrn. Die Enttauschung und Missachtung eines vielfachen Gewaltopfers, das nach der Schilderung seines Leids bei der „Missbrauchsbeauftragten“ und bei der Direktion der Domspatzen nicht ernstgenommen wurde, sitzt jedoch tief: „Ich will von diesen Leuten im Bistum nichts mehr wissen!“

Bemuht, die polierte Fassade aufrecht zu erhalten: Bistumssprecher Clemens Neck. Foto: Archiv/ as

Dass das Regensburger Ordinariat wegen seines schandlichen und kaum von Aufklarungsinteresse getragenen Umgang mit Betroffenen in einer existenziellen Glaubwurdigkeitskrise steckt, ist offensichtlich. Die Folgen fur die eigenen strukturellen und menschlichen Defizite werden derweil auf dem Rucken von Missbrauchsopfern wie Georg Auer, Udo Kaiser, Alexander Probst oder Franz M. austragen. Aktuell betreibt man nach den unangenehmen Medienberichten uber die ARD-Doku vor allem ein erbarmliches Krisenmamagent und versucht die polierte Fassade weiter aufrechtzuerhalten.

Strukturelle Missstande

Es ginge auch anders. Dies zeigt sich am Beispiel des Internats Kloster Ettal, wo in Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, Internatsleitung und Betroffenen nach einem vertretbaren Umgang mit den Vorfallen gesucht wurde. Schon der umfassende Titel des externen Aufarbeitungsberichts – „Sexueller Missbrauch, psychische und korperliche Gewalt im Internat der Benediktinerabtei Ettal – Individuelle Folgen und organisatorisch-strukturelle Hintergrunde“ deutet eine (selbst)kritische Herangehensweise an.

Als erhellender Vergleich wurde sich auch das Vorgehen des bischoflichen Ordinariats des Erzbistums Munchen-Freising anbieten. Dort sagte man einer externen Anwaltssozietat freien Zugang zu allen Akten zu und beauftragte sie im April 2010 strukturelle Missstande hinsichtlich „sexueller und sonstiger korperlicher Ubergriffe“ ausfindig zu machen. Auch wenn der daraus entstandene Bericht sofort unter Verschluss genommen wurde, ist hier im Vergleich zu Regensburg eine Offenheit und Bereitschaft zur professionellen und kritischen Uberprufung der eigenen Praxis erkennbar.

Vernichtete Akten und Zahlenspiele

Anders in Regensburg. Im dortigen Ordinariat herrscht selbstbetrugerisches Aussitzen und selbstmitleidige Kritikunfahigkeit und bei der „Domspatzen“-Familie institutioneller Narzissmus vor. Wie krass die Unterschiede in der Bearbeitung der jeweils unruhmlichen Vergangenheit sind, zeigt sich deutlich im direkten Vergleich der Berichte der Ordinariate, die 2011 bzw. 2010 vorgelegt wurden.

Wahrend die Kanzlei der Rechtsanwalte Westpfahl, Spilker und Wastl uber 13.200 Akten der Erzdiozese Munchen-Freising uberprufte und ihre scheu?lichen Ergebnisse bereits im Dezember 2010 kritisch vorstellte und Konsequenzen anmahnte, meldete sich das Regensburg Ordinariat erst im Marz 2011 mit irrefuhrenden und verdeckenden Zahlen zu Wort. Obwohl die Munchner Diozese nur etwa ein Sechstel mehr Priester und Diakone aufweist als die Regensburger (lt. Wikipedia: 1080 zu 916), hat die von Generalvikar Peter Beer beauftragte Kanzlei eine um ein vielfaches hohere Anzahl von Dokumenten ausgewertet: fast die sechsfache Menge (13200 zu 2315). Anders formuliert: In Munchen wurde je Priester und Diakon fast das Funffache an Akten gesichtet wie in Regensburg. Die relativ geringe Anzahl von Dokumenten durfte mit Sauberung und Vernichtungen in noch gro?erem Umfang zu erklaren sein.

Katholikentag 2014: Missbrauchte Domspatzen demonstrieren fur Gerechtigkeit und Aufklarung.

Entscheidend kommt hinzu, dass man in den Munchner Akten generell nach Auffalligkeiten und Anzeichen auf sexuellen Missbrauch suchte – also auch bei denjenigen, bei denen keine strafrechtliche Verfolgung oder Verurteilung vorlag. Hierbei stellte sich heraus, dass die mutma?liche Zahl von sexuellen Missbrauchstatern viel hoher anzusetzen ist, als die gerichtlich verfolgten. Was nicht mehr verwundern kann, da die Ordinariate uber Jahrzehnte bekanntlich nur wenige Vorfalle an die staatlichen Stellen ubergeben hatten. Die Anzahl der Priestertater ist aufgrund dieser genauen Aktenrecherche auf etwa das sechsfache (159 auffallige statt der 26 verurteilten Geistlichen) und die der Tater unter den Diakonen auf das funfzehnfache anzusetzen. Da die Akten daruber hinaus unvollstandig, geschont, verstreut und oftmals vernichtet worden seien, so die Munchner Anwalte, musse man die tatsachlichen sexuellen und korperlichen Gewalttater nochmals viel hoher ansiedeln.

Desinteresse an Missbrauchsstrukturen

In Regensburg schaute man nicht so genau hin. Der dortige Generalvikar Michael Fuchs orientierte sich in seinem Bericht vom Marz 2011 ausschlie?lich allein an den strafrechtlich geahndeten Fallen. Von juristisch nicht geahndeten Altfallen, von unvollstandigen und sicherlich in gro?em Umfang vernichteten Akten und daraus abzuleitenden Dunkelziffern wei? er nichts zu berichten. Falle wie die des oben geschilderten „Domspatzen“ Franz M. nahm der Generalvikar offensichtlich uberhaupt nicht auf.

Mischung aus personlicher Verstrickung, Betriebsblindheit und klerikalem Standesschutz: Generalvikar Michael Fuchs. Foto: Archiv/ as

Strukturelle Missstande vermochte der Regensburger Bericht nicht zu erkennen, Selbstkritik nicht uben und Konsequenzen nicht zu ziehen. Pikant: Fuchs war bereits unter Bischof Gerhard Ludwig Muller Generalvikar und behandelte sozusagen seine eigene Vertuschungspraxis. Eine Mischung aus personlicher Verstrickung, klerikalem Standesschutz und Betriebsblindheit vermag freilich keine Dunkelziffer mehr erkennen.

Dies ist insofern bemerkenswert und besonders problematisch, da den Generalvikaren, so ein zentrales Ergebnis des Munchner Berichts, hinsichtlich des Umgangs mit sexuellem Missbrauch noch vor den Bischofen eine ganz zentrale Rolle zukomme. In Munchen wurde der langjahrig in Vertuschungen von Missbrauchstatern verstrickte Generalvikar Gerhard Gruber schon im Januar 2010 von dem jungen unbelasteten Theologen Beer ersetzt. Beer nahm die katastrophalen Untersuchungsergebnisse der externen Anwalte zum Anlass fur eine Verwaltungsreform im Ordinariat. So zumindest sein Statement bei der Vorstellung des Berichts im Dezember 2010.

Desinteresse am Opferschicksal

Erschuttert zeigten sich die Munchner Anwalte uber das Ausma? der „Nichtwahrnehmung der Opfer, ihrer korperlichen und insbesondere seelischen Verletzungen“. Sie konstatieren ein „ganzlich unterentwickeltes Interesse fur das Tatgeschehen“, ein krasses „Desinteresse gegenuber dem Opferschicksal“ und die „fehlende Bereitschaft, sich den damit einhergehenden Konflikten zu stellen.“ Die gleichzeitig vorgefundene „inadaquate Fursorge fur den jeweiligen Tater“ und einer weitaus scharfere Gangart bei nicht-geistlichen Tatern, sprich Laien, rundet das gruslige Bild ab.

Wer sich mit den Regensburger Vorfallen und deren Vertuschung, den priesterlichen Serientatern, die das dortige Ordinariat von Missbrauchsort zu Missbrauchsort einfach weiter versetzt hatte, den Vorgangen unter Domkapellmeister Theobald Schrems, usw., usf. je beschaftigte, wei?, dass diese verheerende Bilanz auch fur Regensburg gilt.

Homosexualitat und erpressbare Kleriker

Zentral fur den vertuschenden und hochst problematischen Umgang seien zudem – so das Munchner Gutachten weiter – das klerikale Selbstverstandnis eines „bruderlichen Miteinanders“ und ein daraus resultierender „rucksichtsloser Schutz des eigenen Standes“ auf Kosten der Opfer. Als weiteres massives Aufklarungshindernis nennt das Gutachten „homosexuell veranlagte Kleriker, die mit Blick auf die kirchlichen Lehren zur Homosexualitat und Priestertum bedauerlicherweise einem besonderen Erpressungspotential unterliegen“. Und – so der Aktenbefund – tatsachlich auch erpresst worden seien.

Da von den Gutachtern mit der Verleugnung und Achtung von homosexuellen Sexualpraktiken innerhalb der katholischen Geistlichkeit eine bistums- ja landeruberschreitende Problematik angesprochen wird, kann man getrost davon ausgehen, dass diese auch im Regensburger Ordinariat eine gewichtige Rolle spielte und spielt. An dieser Stelle brauchen also die in der Stadtgesellschaft weit verbreiteten, zumeist homophob aufgeladenen Reden uber hochrangige homosexuelle Herren im Ordinariat nicht wiedergeben werden. Wohl gemerkt: Missbrauch von Minderjahrigen und Schutzbefohlenen ist primar weder Ausdruck einer homo- noch einer heterosexuellen Orientierung, sondern gewalttatige Manifestation einer gestorten und unreifen Personlichkeit, die nicht nur im klerikalen Umfeld sondern oft auch in anderen gesellschaftlichen Kontexten geduldet, beschonigt und verschwiegen wird. Oder eben nicht.

Fehlende Glaubwurdigkeit

Bei der Vorstellung des Munchner Gutachtens im Dezember 2010 versprach Kardinal Marx gro?tmogliche Transparenz bei der Aufarbeitung der Missbrauchsstrukturen. Zutreffend sah er seine Glaubwurdigkeit als Diozesanbischof und die der katholischen Kirche massiv verletzt. In Regensburg kann die Glaubwurdigkeit der Diozesanfuhrung kaum mehr tiefer sinken. Der seit uber einem Jahr amtierende Missbrauchsbeauftrage des Bistums Regensburg Dr. Martin Linder, der in der Wiedergewinnung von Glaubwurdigkeit eine wichtige Funktion hatte, schreibt in seinem ersten Jahresbericht vom November 2014, dass „sich nur eine Minderzahl der Opfer an die Diozese“ wende. Wie viele Betroffene es tatsachlich waren und aktuell sind, schreibt Linder nicht.

Linder mochte Betroffene ermutigen, sich an ihn zu wenden und bittet um ihr Vertrauen. Auch und gerade wenn man Linder diese Bitte und seine Empathie gerne abnehmen mochte, bleibt unverstandlich, warum er nicht offentlich fur eine externe Untersuchung der sexuellen und korperlichen Ubergriffe in der gesamten Diozese – nicht nur bei den „Domspatzen“! – eintritt. Nur so konnte eine eigene Glaubwurdigkeit (wieder) aufgebaut werden.

Im Zweifel gegen die Betroffenen?

Wirbt um Vertrauen bei den Opfern: der Missbrauchsbeauftragte Dr. Martin Linder. Foto: pm

Vollig unverstandlich ist, dass Linder als Ansprechpartner von Betroffenen bei eventuell nicht aufzulosenden Widerspruchen – wenn „Aussage gegen Aussage steht“, wie er meint – nicht unmissverstandlich und offentlich dafur eintritt, dem Betroffenen und eben nicht dem mutma?lichen Tater Glauben zu schenken. Ware im „Fall Auer“ die Schilderung des Betroffenen ausschlaggebend gewesen, ware Georg Auer nicht re-traumatisiert worden und das Ordinariat hatte diese Causa nicht noch einmal aufrollen mussen, wie neulich angekundigt.

Indes gilt auch hier: Die Anerkennung der Schilderung eines Betroffenen bedeutet nicht, dass damit die Taterschaft einer bestimmten Person tatsachlich oder juristisch festgestellt wird. Hinzu kommt, dass der von Linder auf Plausibilitat zu prufende Antrag auf Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefugt wurde (so der verschraubte Titel), von einem Betroffenen mit einer „Versicherung an Eides Statt“ gestellt werden muss und bei wahrheitswidrigen Angaben eine strafrechtliche Verfolgung angedroht wird. Dergleichen wird von anderen Fonds nicht gefordert und durfte fur viele labile und verunsicherte Missbrauchsopfer eine abschreckende Hurde darstellen.

Verschleiernde Anerkennungs- und Abweisungspraxis

Uberaus befremdlich ist, dass Linder sich in seinem Jahresbericht von November 2014 fur die verschleiernde Zahlenspielerei des Generalvikars Fuchs hergibt. So kolportiert Linder in seinem Bericht die widerspruchlichen Zahlen des Generalvikars, der noch im Marz 2011 eine gro?ere Anzahl von Opfern von sexuellen Ubergriffen angab als im November 2014. Zugleich verbreitete Fuchs via Linder eine hohere Anzahl von verurteilten und Ermittlungen unterworfenen geistlichen Tatern als noch im Jahre 2011. Fuchs steht im Zentrum der Vertuschung und Verschleierung, er hat im „Zweifel“ fur die Tater und gegen die Betroffenen entschieden und die entsprechenden seriellen Briefe unterzeichnet.

Linder stutzt daruber hinaus die verschleiernde Praxis des Generalvikars Fuchs, wenn er dessen Angabe von 30 positiv beschiedenen Anerkennungsverfahren kolportiert, ohne zugleich mitzuteilen wie viele Antrage mit welcher Begrundung abgelehnt wurden und wie viele Betroffene sich uberhaupt beim bischoflichen Ordinariat gemeldet haben.

Wie waren die Verhaltnisse speziell bei den Domspatzen oder beispielsweise in den Einrichtungen der KJF? Das wurden die geneigte Offentlichkeit oder Eltern von potentiellen „Domspatzen“ gerne erfahren!

Was tun?

Robert Kohler, einer der Vorstande der Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer e.V., spricht nach dem Anschauen der eingangs genannten ARD-Sendung „Sunden an den Sangerknaben“ vom „Stadium der Kampfphase“. Auf Nachfrage erklart er, eine solche habe es anfangs auch in Ettal gegeben. Sie habe knapp ein Jahr gedauert, bis die Fuhrung und Monche des Klosters die systematischen korperlichen Misshandlungen und sexuellen Ubergriffe im Ettaler Internat grundsatzlich zugegeben und Verantwortung ubernommen haben. Die danach entstandene Kommunikation zwischen Klosterfuhrung, Tatern und Betroffenen ware ohne das vielfaltige Engagement von fachkundigen und unabhangigen Mediatoren nicht moglich gewesen.

Bei der Leitung der Regensburger Diozese und der Domspatzen vermisse er, so Kohler, das „Anerkennen des Versagens ihrer Organisation“ und den erkennbaren Willen zur vorbehaltlosen Aufarbeitung.

 

 

 

 

 




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