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Große Unzufriedenheit im Bistum Münster

Kirchen Site
March 3, 2015

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Studien-Leiter Professor Dr. Heribert Meffert (Mitte) und Bischof Felix Genn.

[The Munster diocese commissioned a study to find out why people are leaving the church.]

Bistum. Deutlicher konnten die Worte von Bischof Felix Genn kaum sein: "Die Entwicklungen schmerzen mich, und sie müssen uns alle alarmieren." Oder: "Wenn mich diese Entwicklungen kalt ließen, würde ich meine Aufgabe als Bischof nicht verantwortlich genug wahrnehmen." Oder: "Wir befinden uns in einer Abwärtsbewegung."

Nach einem explosionsartigen Anstieg der Kirchenaustrittszahlen 2013 – um 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 10.112 – hatte das Bistum Münster im Juli 2014 eine Studie in Auftrag gegeben, um verlässlichere Informationen über die Ursachen zu erhalten. Die Marketing-Experten Professor Dr. Heribert Meffert aus Münster und Professor Dr. Peter Kenning befragten mit ihren Teams dazu 1.000 Katholikinnen und Katholiken im Bistum Münster repräsentativ.

Rund 90 Fragen wurden dazu telefonisch gestellt. Bereits Anfang des Jahres wurden die Ergebnisse in der Bistumsleitung, unlängst auch in der Dechantenkonferenz und im Diözesanrat präsentiert und diskutiert, am Montag (02.03.2015) wurden sie der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

Zwei Drittel sind nicht zufrieden

Kenning fasste die Erkenntnisse in einem Satz zusammen: "Die Zufriedenheit mit der Institution Katholische Kirche ist aus Sicht der Gläubigen in einem kritischen Zustand." In Zahlen: Rund ein Drittel der Befragten gaben an, mit der Kirche im Allgemeinen zufrieden zu sein, 70 Prozent stimmten dem nur mehr oder weniger zu oder zeigten sich unzufrieden. Besonders negativ waren die Rückmeldungen bei den Unter-25-Jährigen (36,8 Prozent) und bei den 56- bis 65-Jährigen (35 Prozent), während die Über-76-Jährigen nur zu zehn Prozent unzufrieden waren.

Weg vom Großen und Ganzen der katholischen Kirche verändern sich die Werte mit Blick auf die eigene Pfarrgemeinde: Da zeigten sich fast die Hälfte der Befragten zufrieden, nämlich 46 Prozent. 37 Prozent kamen auf einen Mittelwert. 17 Prozent sagten, sie seien "unzufrieden".

Dem entsprechen exakt die Antworten auf die Frage, ob die eigene Pfarrgemeinde Halt in kritischen Situationen gibt. Für die Experten ein Alarmzeichen: Wenn nur 17 Prozent dies für sich in Anspruch nehmen könnten, sei dies "ein sehr schlechter und kritischer Wert".

22 Prozent sind "austritttsgefährdet"

Die Gründe der über 10.000 Menschen, die 2013 im Bistum Münster die Kirche verlassen haben, sind in der Studie zwar nicht erfasst; wohl wurden die teilnehmenden Katholikinnen und Katholiken danach befragt, ob sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, aus der Kirche auszutreten. Etwas mehr als die Hälfte (55,9 Prozent) gaben an, ein Austritt komme für sie "grundsätzlich nicht in Frage". 22,5 Prozent haben zwar schon mit dem Gedanken gespielt, würden es jedoch nicht tun.

Fast genau so viele allerdings sagten, sie dächten darüber nach oder hätten sich bereits dazu entschlossen. Die Marketing-Experten schlussfolgern daraus: "22 Prozent der Katholiken des Bistums Münster sind austrittsgefährdet."

Warum würden sie der Kirche den Rücken kehren? Die Kirchensteuer schafft es mit knapp 40 Prozent "nur" auf Platz zwei. Als Hauptgrund (55,5 Prozent) nennt die Studie vielmehr: "Die Kirche ist mir zu rückständig." Allgemeine "Enttäuschung" bewegt mit 36,5 Prozent an dritter Stelle womöglich zu einem Kirchenaustritt.

Die ganz andere Sicht der Hauptamtlichen

Soweit der Blick ins Innenleben von Gemeindemitgliedern im Bistum Münster. Einen spannenden Kniff hat die Studie darüber hinaus parat. Sie hat nämlich – nicht repräsentativ – auch rund 190 hauptamtlich in der Seelsorge tätige Menschen befragt, von denen 80 antworteten. Allerdings ging es dabei nicht um ihre eigenen Einschätzung, gefragt wurde vielmehr danach, was sie denn wohl glaubten, wie zufrieden oder unzufrieden die Gemeindemitglieder mit der Kirche im Allgemeinen und Konkreten seien.

Dabei kam heraus, dass die Mitarbeiter von teilweise gegensätzlichen Einschätzungen ausgehen. So glauben sie etwa, die Hälfte der Gläubigen wäre mit der Kirche als Ganzer unzufrieden – tatsächlich sind es rund 30 Prozent. Andersherum rechneten die hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger mit einer 56-prozentigen Zufriedenheit der Gläubigen bezüglich ihrer Pfarrgemeinde – in Wahrheit sind es zehn Prozent weniger.

Zufrieden mit eigener Leistung

Unterschiedliche Einschätzungen auch bei den Kernbereichen der örtlichen Pastoral: Was die Liturgie angeht, rechnen die Hauptamtlichen mit nahezu 90 Prozent mittlerer bis voller Zufriedenheit – dabei äußerten ein Viertel der Gläubigen Unzufriedenheit. Ähnlich sieht es mit den Bildungsangeboten der Pfarrgemeinde aus: Während die Mitarbeiter von einer 59-prozentigen Zufriedenheit der Gläubigen ausgehen, sehen das nur 37,3 Prozent der Gläubigen so.

Am eklatantesten zeigt sich die unterschiedliche Wahrnehmung im Bereich der sozialen und karitativen Leistungen in der Pfarrgemeinde: Nur 36 Prozent der Gläubigen zeigten sich damit zufrieden – die hauptamtlichen Mitarbeiter gingen von 88,5 Prozent aus.

Beim gemeinschaftlichen Miteinander in der Gemeinde gingen die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort von einer Unzufriedenheit von 15,6 Prozent aus – tatsächlich ist es fast ein Viertel der Befragten (23,8 Prozent)."




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