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Kirche Gibt Sich Selbst Kredite Und Lasst Den Staat Die Zinsen Zahlen

HPD
April 11, 2015

http://hpd.de/artikel/11458

Durch die "Transparenzoffensive" der katholischen Kirche kommt langsam ans Licht, weshalb sich die Bistumer im Hinblick auf ihre Finanzen bisher eher bedeckt gehalten haben: So nimmt die Kirche in Nordrhein-Westfalen quasi Darlehen bei sich selbst auf – und lasst den Staat die Zinsen zahlen.

Diese Praxis, die zumindest fur das Erzbistum Koln und das Bistum Munster belegt ist (fur die anderen Bistumer in NRW reichen die veroffentlichten Informationen nicht aus), kommt bei Schulbauma?nahmen zum Tragen. Obwohl es am wirtschaftlichsten ware, diese Ma?nahmen durch Eigenkapital zu finanzieren (was die Bistumer bei allen anderen Investitionen auch tun), nehmen die Bistumer als Schultrager hierfur Darlehen (also Fremdkapital) auf, deren Zinsen das Land Nordrhein-Westfalen zu 94 Prozent erstattet. Die Kirche profitiert dabei gleich doppelt:

Zum einen brauchen die Bistumer in Hohe dieser Darlehen keine eigenen Mittel einzusetzen und legen die so "gesparten" Gelder als Finanzanlagen gewinnbringend an.

Zum anderen durften diese Darlehen von kirchlichen Banken stammen, so dass die Darlehenszinsen auch noch der Kirche zuflie?en.

Umgekehrt stellt diese Praxis fur das Land NRW die denkbar ungunstigste Variante der Schulfinanzierung dar:

Wenn die Finanzierung von Schulbauma?nahmen schon uber Darlehen erfolgen muss, so ware es fur das Land wirtschaftlicher, diese selbst aufzunehmen, weil es im Zweifel die gunstigeren Finanzierungskonditionen erhalt.

Daruber hinaus konnte das Land diese Mittel unter Umstanden (zumindest teilweise) auch ohne Kreditaufnahme finanzieren.

Alternativ ware es immer noch gunstiger, wenn das Land den Bistumern die entgangenen (geringeren) Guthabenzinsen auf das eingesetzte Kapital erstatten wurde statt den (hoheren) Darlehenszinsen.

Hintergrund

Wahrend sich fur gewinnorientierte Unternehmen die Finanzierung profitabler Investitionen auf Kredit (also durch Fremdkapital) lohnen kann (solange die Investition auch nach Berucksichtigung der Kreditkosten noch profitabel ist), ist es fur Non-Profit-Betriebe aus Grunden der Wirtschaftlichkeit geboten, Investitionen – solange man es sich leisten kann – durch Eigenkapital zu finanzieren, da dann keine Kosten fur die Kreditaufnahme (z.B. Zinsen) entstehen.

Das Erzbistum Koln weist in seinem Finanzbericht 2013 auch selbst auf diesen Umstand hin: "Weil das Erzbistum seine Ressourcen nicht in Produktionsprozessen wertschopfend einsetzt, um damit eigene Ertrage zu generieren, ist auch eine Finanzierung des Vermogens des Erzbistums durch Schulden problematisch. Sie muss deshalb hauptsachlich durch Eigenkapital erfolgen." (S. 8)

Konsequenterweise – und weil es uber mehr als genug Eigenkapital verfugt – nimmt das Erzbistum Koln demzufolge auch keine Darlehen auf – au?er fur Schulbauma?nahmen: "Darlehensverbindlichkeiten bestehen in Hohe von 2,5 Mio. Euro ausschlie?lich fur solche Schulbauma?nahmen, fur die das Land Nordrhein-Westfalen eine Refinanzierung der Zinsbelastung in Hohe von 94 Prozent zugesagt hat." (S. 23)

Auch die Haushaltsinformationen des Bistums Munster lassen erkennen, dass Darlehen dort praktisch "ausschlie?lich" (eine Formulierung, die sich in mehreren Vorberichten zum Bistumshaushalt findet) fur Schulbauma?nahmen aufgenommen werden. Und nicht nur das: Wenn das Land nach zehn Jahren nicht mehr weiter die Zinsen (zu 94 Prozent) ubernimmt, werden diese Darlehen regelma?ig sofort komplett zuruckgezahlt.

Das bedeutet, dass diese Darlehen letztlich gar nicht zum Zweck der Schulbauma?nahmen aufgenommen werden, sondern einzig zum Zweck der kirchlichen "Finanzoptimierung" – und das, obwohl das Erzbistum Koln sich in seinem Finanzbericht mehrfach vom Ziel der "Gewinnmaximierung" distanziert (S. 27 und 28). Obwohl sich die Kirche gerne "gemeinnutzig" gibt, ist diese Praxis eher "gemeinschadlich", da das Land vollig unnotig mit den Darlehenszinsen belastet wird.

Die Aufnahme dieser Darlehen dient namlich nur dazu, dass die Bistumer Gelder in Hohe dieser Darlehen (die in beiden Bistumern Millionenbetrage ausmachen) gerade nicht fur Schulbauma?nahmen ausgeben mussen, sondern diese Gelder stattdessen verzinslich anlegen konnen. Das Bistum Munster unterhalt hierfur eigens eine "Schulbautilgungsrucklage", "in der zur au?erplanma?igen Darlehenstilgung nach Ablauf der Zinseinsetzbarkeit von Schulbaudarlehen entsprechende Mittel angesammelt werden" (Vorbericht zum Bistumshaushalt 2015, S. 43). Das hei?t im Klartext: Diese Mittel werden fur 10 Jahre als verzinsliche Finanzanlagen "geparkt" – namlich gerade so lange, bis das Land nicht mehr fur die Darlehenszinsen aufkommt.

Wenn das Bistum Munster also in seinem Haushaltsflyer erklart, es investiere 2015 "rund 15,0 Mio. Euro in Schulbauma?nahmen" (S. 4), dann zeigt ein Blick in den Vorbericht zum Bistumshaushalt 2015 (S. 43) dass mindestens 2,78 Mio. Euro davon gar nicht "gemeinnutzig" eingesetzt werden, sondern gewinnbringend! Die 2,78 Mio. Euro stammen namlich effektiv gar nicht vom Bistum, sondern von einer (mit Sicherheit kircheneigenen) Bank, die sich die Zinsen auf dieses Darlehen zu 94 Prozent vom Staat bezahlen lasst. Und die dadurch "gesparten" 2,78 Mio. legt das Bistum Munster derweil in seiner "Schulbautilgungsrucklage" gewinnbringend an.

Gesetzesversto??

Die Grundlage fur diese bemerkenswerte Praxis findet sich in § 110 des Schulgesetzes NRW. Dort hei?t es:

§ 110: Forderfahige Schulbauma?nahmen

(1) Dem Trager einer genehmigten Ersatzschule werden auf Antrag die Zinsen fur ein Darlehen bezuschusst, das zur Finanzierung von notwendigen Schulbauma?nahmen aufzunehmen ist. Die Darlehenszinsen durfen im Haushalt nur veranschlagt werden, wenn die obere Schulaufsichtsbehorde der Bauma?nahme und der Darlehensaufnahme vor Baubeginn zugestimmt hat. Tilgungsraten durfen nicht veranschlagt werden.

Und weiter:

(5) Der bezuschussungsfahige Bauaufwand fur Schulbauma?nahmen nach Absatz 2 Nr. 1 bemisst sich nach den ermittelten tatsachlich notwendigen Ausgaben.

Es erscheint fraglich, ob die Zinsen fur diese Darlehen "tatsachlich notwendige Ausgaben" darstellen. Denn die Aufnahme dieser Darlehen erfolgt ja letztlich nicht, um die Schulbauma?nahmen zu finanzieren, sondern nur deshalb, damit die Bistumer weniger eigene Mittel einsetzen und diese stattdessen gewinnbringend anlegen konnen.

Argument der "Opportunitatskosten"

Zugunsten dieser Praxis lie?e sich vielleicht noch argumentieren, dass die Bistumer andernfalls durch die Investitionen fur Schulbauma?nahmen weniger Geld fur Finanzanlagen zur Verfugung hatten, und dass das Land ihnen hiermit gewisserma?en lediglich die “entgangenen Zinsen”, die sie auf diese Gelder hatten erhalten konnen, erstattet. Dies ist aber nicht der Fall, da das Land ja gerade nicht die entgangenen (niedrigeren) Guthabenzinsen erstattet, sondern die (hoheren) Darlehenszinsen.

Au?erdem verbietet sich die Ubertragung des betriebswirtschaftlichen "Opportunitatskosten"-Prinzips auf den Non-Profit-Bereich, also auf "gemeinnutzige" Organisationen: Denn bei den Opportunitatskosten werden ja gerade bereits "entgangene Gewinne" als "Kosten" betrachtet – was fur gewinnmaximierende Unternehmen auch Sinn macht. Wenn man aber anfangt, Non-Profit-Organisationen fur ihre "entgangenen Gewinne" zu entschadigen, erhalt man letztlich gewinnorientierte (also "For-Profit") Organisationen ohne unternehmerisches Risiko.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass diese Art der kirchlichen "Finanzoptimierung" ausgesprochen unsolidarisch ist: Obwohl die Kirche die Schulbauma?nahmen – wie alle ihre eigenen Investitionen – auch ohne Kreditaufnahme finanzieren konnte, handelt sie gezielt unwirtschaftlich, indem sie hierfur Darlehen aufnimmt und fur die Zinsen die – chronisch defizitare – offentliche Hand zur Kasse bittet.

Gemeinnutzigkeit sieht anders aus.

 

 

 

 

 




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