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Weiber Ring Soll Missbrauch Aufklaren

By Christine Schropf
Mittelbayerische
April 27, 2015

http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/domspatzen-aeussern-sich-zu-missbrauch-21179-art1225896.html

Seit 2010 versucht das Bistum Regensburg, Missbrauch und Gewalttaten von Kirchenmitarbeitern aufzuklaren. Nun holt sich die Diozese externe Hilfe. Foto: dpa

Kurz vor Beginn der Pressekonferenz faltet Domkapellmeister Roland Buchner kurz die Hande – fast wie zum Gebet. Seit 2010 erschuttern Vorwurfe von sexuellem Missbrauch und gewalttatigen Ubergriffen bei den Regensburger Domspatzen den weltberuhmten Knabenchor. Trotz aller Aufklarungsversuche vermissen viele Opfer bis heute eine wurdige Anerkennung ihres Leids. Die Pressekonferenz am Montag ist ein neuer Versuch, Vertrauen zuruckzugewinnen. Das Bistum Regensburg hat eine unabhangige Institution eingeschaltet, die das Ausma? der Verfehlungen dokumentieren und Handlungsempfehlungen geben soll: die Opfer-Organisation Wei?er Ring, die in der Offentlichkeit unangefochtenes Vertrauen genie?t.

Buchner bittet um Vergebung

Buchner begru?t diesen Schritt. Er wei?, dass ein Teil der Betroffenen bis heute glaubt, dass Misshandlungen verheimlicht und vertuscht werden sollen – und widerspricht. „Ich mochte ausdrucklich betonen, dass uns jeder einzelne geschilderte Fall im Innersten beruhrt, zutiefst erschuttert und sprachlos gemacht hat“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Domspatzen-Stiftung und bittet die Opfer um Entschuldigung und Vergebung.

Der Regensburger Opferanwalt Ulrich Weber soll die unabhangige Aufklarung federfuhrend ubernehmen. Der 44-Jahrige ist einer breiteren Offentlichkeit bisher nur als fruherer Prasident des Fu?ballclubs SSV Jahn bekannt, doch seit Jahren engagiert er sich auch beim Wei?en Ring. Das Bistum gibt ihm vollig freie Hand. „Von Seiten der Diozese ist uns wichtig, dass er seine Arbeit unabhangig und ergebnisoffen gestaltet“, sagt Generalvikar Michael Fuchs. Im Bistum seien bei der Aufklarung in den vergangenen funf Jahren Fehler gemacht worden. „Wir haben sehr viel lernen mussen“, gesteht er ein.

Die Fehler haben Misstrauen gegenuber kirchlichen Institutionen gefestigt. Domkapellmeister Buchner erzahlt davon bei der Pressekonferenz: „Wir in der Institution der Domspatzen haben leidvoll erfahren mussen, dass in der offentlichen Diskussion bisweilen wenig differenziert wird und Geschehnisse von vor 40 oder 50 Jahre von manchen auf die heutige Situation ubertragen werden.“ Es gebe in der Offentlichkeit bis heute Verunsicherungen, ob Missbrauch und Misshandlung tatsachlich der Vergangenheit angehorten. Buchner verweist auf umfassende Sicherheitsmechanismen, Aufklarungsstunden und Praventionsma?nahmen, die es inzwischen bei den Domspatzen gibt. Auch ein erweitertes polizeiliches Fuhrungszeugnis sei fur alle Mitarbeiter Pflicht.

Der Regensburger Opfer-Anwalt Ulrich Weber, der im Wei?en Ring engangiert ist, soll als externer Experte die Ubergriffe bei den Domspatzen aufklaren.

Strukturen zu identifizieren, die Missbrauch begunstigen, zahlt auch zu den Aufgaben von Opfer-Anwalt Weber. Voraussichtlich in einem Jahr will er seinen Abschlussbericht vorlegen. „Warum blieb es so lange im Dunkeln? Darauf mochte ich eine Antwort geben“, sagt Weber. Ziel sei es, Transparenz zu schaffen, Defizite im Umgang mit Missbrauchsfallen aufzuzeigen und die Praventionsarbeit zu verbessern. Dazu will er mit Opfern sprechen, mit den Missbrauchsbeauftragten des Bistums. Unterstutzt wird er von einem Beratungskuratorium, dem auch Opfer angehoren sollen. Um in Kontakt zu kommen, hat Weber auch eine Homepage freigeschaltet.

Bezahlt wird er vom Bistum. Doch der Rechtsanwalt betont, dass seine Unabhangigkeit vertraglich festgelegt worden ist. „Mir werden auch Geheimarchive zur Verfugung gestellt. Das ist fixiert“, sagt der 44-Jahrige. Sollte er nicht uneingeschrankt agieren konnen, werde er die Arbeit sofort niederlegen. „Ich springe in ein kaltes Wasser – in ein Becken, dessen Tiefe ich nicht kenne.“ Bisher habe es allerdings keinerlei Beanstandungen gegeben.

Fuchs: Keine Geheimarchive

Webers Hinweis auf „Geheimarchive“ lasst Generalvikar Fuchs allerdings am Montag nicht stehen. Im Bistum Regensburg gebe es keine Geheimarchive, korrigiert er. Der Generalvikar verweist allerdings auf Akten und Notizen in seinem eigenen Buro, die nicht jedermann zuganglich sind, Weber aber zur Verfugung gestellt werden. In diesem Zimmer sind auch altere Unterlagen deponiert, die Fuchs vom fruheren Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner geerbt hat. Unvollstandig seien allerdings Akten aus der Zeit weiterer Vorganger. Warum das damals anders gehandhabt wurde, erschlie?e sich ihm nicht, sagt Fuchs. „Mir ist aber nicht bekannt, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Akten vernichtet wurden.“

Nach kircheninternen Ergebnissen sind seit 1945 rund 80 Kinder in der Diozese Regensburg von Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht worden, darunter auch Schuler der Domspatzen. Zuletzt hatte das Bistum Ende Februar einen Zwischenbericht vorgelegt, der sich auf korperliche Gewalt an der Vorschule des weltberuhmten Chores konzentrierte. 72 Opfer hatten von Schlagen mit Fausten, Stocken und einem Schlusselbund berichtet. Das Bistum beschloss, Betroffenen ein Schmerzensgeld von je 2500 Euro zu zahlen. In den vergangenen Wochen hatten sich viele weitere Opfer gemeldet. Auf eine konkrete Zahl wollte sich Fuchs nicht festlegen. Er kundigte dazu eine Pressekonferenz zu einem spateren Termin an, „sobald wir den Eindruck haben, dass die meisten Meldungen berucksichtigt sind“.

Zwei weitere Anwalte im Dienst

Unabhangig von der Arbeit des Wei?en Rings soll die Aufarbeitung im Bistum fortgesetzt werden. Zwei weitere Anwalte sind damit beschaftigt: Andreas Scheulen berat bei Fallen von Korperverletzungen, Gedo Paprotta bei sexuellem Missbrauch – auch was die Hohe konkreter Zahlungen angeht. Fuchs wertet es als Zeichen des Vertrauens, dass sich weiter Betroffene ans Bistum wenden. „Es ist hochste Zeit geworden, dass diese Wunde aufgeschnitten wurde“, sagt er.

 

 

 

 

 




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