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Ackern im Weinberg der übergriffigen Herrn

By Ulrich Lange
Freitag
May 10, 2015

https://www.freitag.de/autoren/ulrich-lange/ackern-im-weinberg-der-uebergriffigen-herrn

Kath. Internate Fünf Jahre "Aufarbeitung" des Missbrauchs in katholischen Internaten - so skandalös wie der Missbrauch selbst. Jetzt bleiben die Schüler weg. Aus ganz anderen Gründen?

Deutschlandfunk ist auf facebook. Und fragt die Community: Eltern lassen "weniger leicht los" - Ist das die Erklärung für den Schülerschwund in den Internaten?

Verlinkt wird auf ein DLF-Interview von Sandra Pfister mit dem Vorsitzenden des Verbandes Katholischer Internate und Tagesinternate (V.K.I.T.), Dr. Christopher Haep, ausgestrahlt am 05.05.2015 in der Sendereihe "Campus und Karriere", das der Header folgendermaßen auf den Punkt bringt:

>> Vielen deutschen Internaten kommen die Schüler abhanden. Aber schon vor den Missbrauchsskandalen hätte bei den Internatsschulen ein "Umbruchprozess" begonnen, betonte der Vorsitzende des Verbandes katholischer Internate, Christopher Haep, im DLF. Der Schülerschwund habe sowohl mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung als auch mit einem veränderten Verhalten der Eltern zu tun: Sie ließen "weniger leicht los". <<

Welche Strategie die katholische Kirche in Sachen Missbrauchsbewältigung hier verfolgt (Interessante Frage zum Zustandekommen des Interviews: Wer hat dieses eigentlich angeregt? Der Sender oder die Kirche?), wird aus Pfisters Beitrag schnell deutlich. Es ist die alte Abwiegelungs- und Vernebelungstaktik unterhalb der amtskirchlichen Bußfertigkeits-Rhetorik, die mittlerweile sattsam bekannt und Teil eines skandalösen Aufarbeitungsgeschehens ist, das diesen Namen kaum verdient:

  • Andere haben doch auch...
  • Die Ursachen sind vielschichtig...
  • ...und vor allem ganz andere als die nahe liegenden.

So sucht man schnell weg zu kommen von dem unangenehmen Dauerthema, das beim publzistischen Kehraus so schnell wie möglich raus muss; erst aus den Schlagzeilen, dann aus den Köpfen. Doch der Weg ins letzthin Gute der Amnesie ist mit Fettnäpfen so dicht gepflastert wie der Weg einer Fronleichnamsprozession mit gottgefälligen Blumenteppichen.

Ach, wie ackert doch der Kehraus..., pardon: Missbrauchs-beauftragte der katholischen Kirche, der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann, im Weinberg des Herrn, um den Missbrauchsskandal "zu bewältigen", wie das immer so schön heißt.  Wobei es nie darum ging und gehen durfte, den tatsächlichen Umfang der Verfehlungen von Geistlichen zu dokumentieren. Dadurch würde man ja keine "Glaubwürdigkeit zurückgewinnen" (sprich: die Täterorganisation rehabilitieren), sondern allein schon durch die dokumentierte Zahl der Fälle die Glaubwürdigkeit der Opfer stärken, die in der Aufarbeitungsstatistik bislang verniedlichend als "noch nicht befriedigte oder zufriedenstellend  geregelte Einzelfälle" geführt werden.

Hier von Einzelfällen zu sprechen, ist ein beliebter Trick, mit dem folgsame Bürokraten oder Wissenschaftler die in desorganisierten Institutionen oder aus dem Ruder laufenden gesellschaftlichen Prozessen angelegten Systemfehler verharmlosen; weil nicht sein kann, was nicht sein darf, weil Gegenmaßnahmen zu teuer wären, weil gesellschaftliche Institutionen oder Zustände erhalten werden sollen, die aus organisationstheoretischer Sicht schlichtweg Missgeburten sind und abgeschafft gehörten.

Und mag die Summe der vermeintlichen Einzelfälle das gesamte System noch so sehr entlarven und in Frage stellen, so ermöglicht das Beharren auf der Einzelfallbetrachtung doch immer die euphemistische Schlussfolgerung: "Es war/ist nicht alles schlecht." Über die Zeit des Nationalsozialismus urteilen so laut Umfrage des "Standard" noch heute 42 Prozent der Österreicher. Und viele ehemalige DDR-Bürger teilen diese relativierende Sichtweise auch im Hinblick auf die Verhältnisse im untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat.

Bei Bischof Ackermann lautet die verharmlosende Zauberformel: "Kirche ist mehr als Missbrauch" (Ackermann im Interview mit der FR).  So kann man sich auch außerhalb der Eucharistiefeier die böse Welt schön trinken.  "Nich' lang schnacken, Kopp in'n Nacken" (beliebtes Internatsspiel)! Das hat sich ja schon als Verdrängungsritual bei den Missbrauchsopfern bestens bewährt. Und in dieser Körperhaltung sieht man dann auch nicht so viele Einzelfälle, dass dieser Begriff sich von selbst verbieten würde, sondern richtet die Augen zum Himmel, auf das Höhere, in die Zukunft - wo schon das zurückgewonnene Vertrauen grüßt. Statt Erbsen (sprich: Übergriffe, Täter, Opfer, Einrichtungen) zu zählen, wird  geschickt auf eine Agenda von Missbrauchsbe-wältigungsaufgaben abgelenkt (Quelle Interview FR ):  

  • "Wir müssen das, was wir zur verbesserten Prävention zu Papier gebracht haben, jetzt auch konsequent umsetzen."
  • "Und wir werden die Ursachen sexuellen Missbrauchs von Kriminologen und forensischen Psychiatern wissenschaftlich erforschen lassen." 
  • Aber vor allem: "Das braucht eine gewisse Zeit. 

Ja, Augen auf bei der Auswahl der richtigen Bewältigungs-strategie. Und da sehen wir sogleich, dass die listig durch ihre randlosen Brillen blinzelnden Kirchenmänner sich hier nicht etwa auf das Modell des "fleißigen Arbeiters im Weinberg des Herrn" geeinigt haben, wie dies der wohlwollende Beobachter voraussetzen würde, sondern auf das Vorbild einer noch bescheideneren Weinbergbewohnerein: Der Weinbergschnecke, einer gleich der ebenfalls äußerst geschmeidigen römischen Kirche perfekt angepassten "Überlebenskünstlerin" (Planet Wissen) aus der Gruppe der Weichtiere. Genial, diese Wahl! Denn über deren charakteristische Eigenschaften lesen wir:

"Zur Fortbewegung, die zumindest bei den Landschnecken sprichwörtlich langsam erfolgt, nutzen die Schnecken einen Fuß, mit dem sie an nahezu allen Untergründen Halt finden. 
[...] Der Körper vieler Schnecken wird durch ein Gehäuse aus Kalkverbindungen geschützt. Dieses ist häufig zu einer Spirale verdreht. Es gibt aber auch viele Schnecken, die dieses Schneckenhaus bis auf einen minimalen Ansatz zurückentwickelt haben, die sogenannten Nacktschnecken. Bei ihnen findet man oft andere Schutzmechanismen. Sie können bitteren Schleim absondern oder schützen sich sogar mit Giften."

So gut Weinbergschnecken mit ihren vier Fühlern auch zu riechen und zu tasten vermögen und mit ihrer Raspelzunge auch festere Nahrung zerkleinern  (hier sieht man  sowohl lüsterne Beichtväter, Ordensmänner und -frauen im aufopferungsvollen pädagogischen Alltag als auch die kirchlichen Aufklärer im Aktenarchiv förmlich vor sich!), so wenig entwickelt ist ihr Auge. Dessen Linse lässt sich nämlich nicht scharf stellen, da sie keinen Linsenmuskel besitzt. Außerdem enthält die Netzhaut einer Weinbergschnecke nur zwei Typen von Sehsinneszellen. Das reicht nicht aus, um Farben darzustellen. Da die Linse nicht scharf gestellt werden kann, ist weiterhin davon auszugehen, dass das Bild, das die Weinbergschnecke sieht, eher unscharf ist.  Wie einfache Versuche ergeben haben, können Schnecken Hindernisse aber gut vermeiden und kriechen darum herum. (Link zur Quelle).

Gibt es eine schönere Metapher für die kirchliche Missbrauchsbewältigung? Das volle Programm, Alter: Sich zeitlupenartig in der eigenen schleimigen Fußspur vorsichtig voran tasten, die Fühler blitzartig zurück ziehen, wenn man auf Hindernisse stößt, und dann drumherum kriechen. Hören kann und muss man nix. Und was ins Blickfeld gerät, bleibt unscharf und in schwarz-weiß. Was sind dagegen die berühmten "drei Affen der Weisheit"? Stößt man - rein zufällig - mit weinbergschneckenartiger Sinnesschärfe auf belastende Akten, dann heißt es: Kommando Pimperle! Oder besser Pimmele. Oder noch besser: "Kommando Raspelzunge"! Und weg sind die Akten mit den Nackten.

Stöbert man ein wenig in nichtkirchlichen Archiven, dann stößt man auf eine Missbrauchsdebatte, die bereits wesentlich älter ist als das Skandalkarussell seit März 2010.  "Als der Papst die amerikanischen Bischöfe für eine Vielzahl sexueller Übergriffe rügte, begann eine weltweite Debatte", schreibt DER SPIEGEL im Juli 2002. "Nur die deutschen Bischöfe taten, als gehe sie die Problematik nichts an. Tatsächlich gibt es Parallelen zu den USA - auch die deutschen Opfer wollen nicht länger schweigen."  

Ja, es "braucht alles eine gewisse Zeit". Und Zeit vergeht. Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die schönen Stunden nur. Ist eben ein Unterschied, ob man am Kreuz hängt oder zu dessen Füßen gemütlich betet. Und nach der ersten Missbrauchsdiskussion kommt eben die zweite. Und nach der ersten Untersuchungskommission zum sexuellen Missbrauch, die auch nur auf politischen Druck hin eingesetzt wurde,  kommt dann irgendwann mal die zweite. Und vor allem: Nur net hudele und nicht zu viele Details! Transparenz ist zwar machbar, Herr Nachbar - wie zum Beispiel in den benachbarten Niederlanden. Zehntausende Missbrauchsfälle seit 1945 hat da eine Untersuchungskommission zutage gefördert. Im Zwergstaat Holland, wohlgemerkt. Holla(nd) die Waldfee. Das rechne einer mal auf Großdeutschland hoch. Da wäre aber nicht nur Holland in Not.

Der mangelnde Aufklärungseifer der deutschen Bischöfe, nur das sollte mit unserem kleinen Abstecher in Fauna und Flora demonstriert werden, ist also beileibe kein Zufall. Und der treuherzig-gequälte Augenaufschlag eines Stephan Ackermann beim Thema Missbrauchsbewältigung, was mit Aufklärung ja nun wirklich rein gar nichts zu tun hat, erscheint infolgedessen nicht vertrauenswürdiger als der seines Namensvetters Josef von der Deutschen Bank. Geld verdirbt eben den Charakter - hier wie da. Daher sollte man doch bitte nicht glauben, dass die "Aufklärer" bei ihren Bewältigungsaktivitäten weniger planvoll vorgehen als die Täter.

Vielleicht sieht man ja bald auch den in der Kriechspur der Missbrauchsbewältigung bedächtig vor sich hin raspelnden Kirchenmann irgendwann mit dem Siegeszeichen seines Banknachbarn im Geiste, Josef. Zur Aufklärungsbewälti-gungsfeier im Jahr 2025 vielleicht, anlässlich des dann mindestens siebten "interdisziplinären Forschungsverbundprojekts" zum Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche, das dann aber wiederum die unter den katholischen Einrichtungen weit überweigende Zahl der Ordensschulen und -internate ausklammern müsste, wie Bischof Ackermann dies bereits im Zusammenhang mit der Kritik an der Zweitauflage der Expertenuntersuchung zu rechtfertigen versucht hat:  

>> Es geht um eine Erhebung quantitativer Daten zur Auftretenshäufigkeit und zum Umgang mit Missbrauchshandlungen an Minderjährigen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz", erläuterte Ackermann. Er räumte ein, dass damit entgegen den Erwartungen von Betroffenen die Fälle an Ordensschulen oder -heimen ausgeklammert bleiben: "Das überschreitet unsere Kompetenz. Zudem ist die Aufarbeitung etwa zum Aloisiuskolleg schon geleistet worden." <<

"Doch auch unsterblich ist die Pfaffenlist", heißt es in Goethes Drama "Des Epimenides Erwachen". Und so schafft der fromme Ackermann es nicht nur mit Hilfe des vorgegebenen Forschungsdesigns, die quantitativen Daten zur Auftretenshäufigkeit von Missbrauchshandlungen möglichst herunter zu manipulieren. Er überfrachtet den Untersuchungsauftrag der neuen Kommission noch mit so vielen zusätzlichen Fleißaufgaben, dass die Ergebnisse wohl erst unseren Enkeln vorliegen werden:

>> Als zweiter Schritt solle im neuen Projekt eine qualitative Aufarbeitung institutioneller Einflüsse im Sinne einer "Täter-Opfer-Institutionen-Dynamik" folgen, so Ackermann. Man wolle Einblicke in das Vorgehen der Täter und über das Verhalten von Kirchenverantwortlichen erhalten. Im dritten Schritt solle eine Zusammenführung empirischer Studienergebnisse mit den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen erfolgen. "Neu ist also der zusätzliche Vergleich mit außerkirchlichen Strafakten und die Einbeziehung vergleichbarer Studien", so Ackermann.<<

 So, so, Herr Ackermann. Da wird uns jetzt auch klar, warum "nicht der Wille zum Projekt, sondern die Form der Umsetzung [...] überdacht werden" musste.  ;) + ;) oder zwinker, zwinker! Dreister und unverblümter kann man seine unredlichen Absichten wohl kaum zum Ausdruck bringen. Hält dieser Kirchenfürst die Öffentlichkeit eigentlich für blöde?

Vielleicht will sich dieser Tebarz van Elst unter den Missbrauchsbewältigern zum St. Nimmerleinstag der Vorlage des Untersuchungsberichts  ja auch noch zum "brutalsmöglichen Aufklärer" (Roland Koch) krönen lassen, ähnlich wie der ehemalige Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin, der sich zwar rühmte, die Lawine 2010 ins Rollen gebracht zu haben, dies aber Jahre früher hätte tun können, als ihm die Missetaten seiner Amtsbrüder von Schülern anvertreut worden waren. 

Aktenberg und Faktenberg / wo sind sie geblieben? Aktenberg und Faktenberg / zerrieben in Cloud sieben. 

Und bis es so weit ist, unterhält uns ein Herr Haep im Deutschlandfunk mit seinen Verschwörungstheorien über die tatsächlichen Hintergründe rückläufiger Schülerzahlen in den katholischen Internaten. Die also hätten ihre Ursache weniger in den Missbrauchsskandalen als vielmehr im Ausbau der Ganztagsbetreuung und einer stärkeren Eltern Kind-Bindung.  Dieser "Umbruchsprozess" habe bereits vor 2010 begonnen, dem "an(n)us horribilis" für die katholische Kirche und eine Reihe teurer reformpädagogischer Internatsschulen.

Da machen wir doch gleich mal den Faktencheck, zu dem uns der Deutschlandfunk auf Facebook auffordert.  "Vielleicht gibt es auch nur einfach weniger Kinder", mutmaßt da ein Facebook-Nutzer. Klingt sehr simpel, macht aber Sinn. "Immer weniger Schüler in Deutschland", meldet beispielsweise die Augsburger Allgemeine unter Berufung auf das Statistische Bundesamt bereits im Schuljahr 2008/2009 angesichts eines Rückgangs von 1,3 %. Damit setze sich der seit 5 Jahren anhaltende Trend rückläufiger Schülerzahlen fort, berichtet das "Statistische Monatsheft Baden-Württemberg 2/2010, bezogen auf dasselbe Jahr. Bis 2030 wird eine kontinuierliche Abnahme der Gymnasialschüler um zuletzt 29% prognostiziert. Diese wenigen Daten erlauben den Schluss auf eine - wenn auch nicht dramatische - "Umbruchssituation" bei den Schülerzahlen bereits vor 2010 und natürlich erst recht für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte. Denselben Prozentanteil von Internatsschülern an den entsprechenden Schülerjahrgängen vorausgesetzt, müsste allein der demografische Faktor zu einer bis 2010 allmählichen, inzwischen aber schon fühlbareren  und in Zukunft dramatischen Verringerung der Internatsnachfrage geführt haben und noch führen.  Doch dieser demografische Aspekt kommt in Haeps Szenario gar nicht vor.  Dies gilt auch für einen weiteren Aspekt, nämlich den recht deutlichen Anstieg der Elternbeiträge für katholische Internate. Über 1000 Euro pro Monat sind keine Seltenheit. Gleichzeitig schrumpfen die Töpfe für Kostenermäßigungen und Stipendien, denn die Kirche ist klamm. Und dies nicht zuletzt wegen der massenhaften Kirchenaustritte infolge der Missbrauchsskandale. Dass letztere sich über diese Kausalkette zumindest mittelbar auf die Internatsbelegung auswirken, kann also gar nicht bestritten werden. So dass auch folgende Aussage einer Facebook-Nutzerin zur Erklärung der Internatsflaute beiträgt: "Das ist inzwischen auch eine Frage des Geldes."

Und im selben Atemzug wird noch ein weiterer möglicher Grund genannt: "Reiche schicken ihre Kinder gerne nach GB oder CH." In der Tat hat sich der private Bildungsmarkt globalisiert. So lange katholische Internate - neben den staatlichen - zu den absoluten Billigheimern gehörten, konnte ihnen die Konkurrenz in England und der Schweiz wohl kaum Kundschaft abjagen. Doch das hat sich offensichtlich geändert, denn immer häufiger steuern katholische Internatsschulen der Premium-Klasse mit "elitären" Angeboten wie einem "bilingualen Zweig" (Englisch als Unterrichtssprache), einem Hochbegabtenzweig oder anderen Features der Abwanderung potenzieller Kunden ins Ausland entgegen.   

Gründe für den Schülerrückgang an katholischen Internaten, insbesondere in den unteren Klassen, gibt es offenbar so einige. Ob allerdings die vielerorts verbesserte Ganztagsbetreuung oder elterliche Anhänglichkeit hierfür verantwortlich zu machen sind, wie Christopher Haep meint, erscheint doch höchst zweifelhaft. Viel eher scheint sich ein generell verblassender Glanz der Privatschule auszuwirken, der zumindest teilweise mit dem Ansehensverlust der Kirche durch inflationären Missbrauch in kirchlichen Bildungseinrichtungen korreliert. Katholische Privatgymnasien erlebten bis 2010 einen beispiellosen Boom, wurden geradezu idealisiert. Doch gab es sie eben nicht überall. Und viele Bewerber, die nach der Grundschule bei den kirchlichen Tagesschulen oder Ganztagsschulen um Aufnahme anstanden, mussten abgewiesen werden. Da blieb oft nur der Umweg über den Internatsbesuch. Denn dort waren die Unterstufen-Abteilungen von je her schwach belegt. Wer sich bei einem katholischen Gymnasium mit angeschlossenem Internat als "Interner" bewarb, wurde vielfach bevorzugt aufgenommen. Mit dem Abkühlen der Privatschuleuphorie sinkt aber auch die Zahl derjenigen, die ihr Kind "um jeden Preis" an einer katholischen Privatschule unterbringen wollen.       

Für den von Haep beschriebenen "Umbruchsprozess" finden sich - trotz mancher vom Missbrauchs-Stigma unabhängiger Faktoren - keine wirklich überzeugenden Belege. So bestätigt sich im Grunde die Eingangsthese von einem Ablenkungsmanöver. Das Missbrauchsthema soll durch die Gegenthese einer schon vor dem Skandal einsetzenden Umbruchphase von der Diskussion über die Nachfrageentwicklung in den "Tatorten" abgekoppelt werden. Dem steht allerdings die Tatsache entgegen, dass die Missbrauchsdiskussion und die Vorwürfe einer planmäßigen Vertuschung durch Rom und die Kurie schon vor 2010 in vollem Gange war.

Haeps Ablenkungsversuch fügt sich nahtlos ein in das bischöfliche Froschkonzert heuchlerischer Absichtserklärungen, den Missbrauchssumpf und seine Ursachen nun aber auch wirklich radikal austrocknen zu wollen.  Doch ist dies nicht glaubwürdiger als das "Wir tun was!" der Greenwashing-PR notorischer Umweltsünder und nicht aussichtsreicher als die NS-Durchhaltepropaganda  aus den Studios der guten alten Ufa. Soll so aus dem befleckten Schwarz das "neue Weiß" werden? Und aus dem Grau einer Trümmerwüste des Ansehensverlustes das Himmelblau wiedergewonnenen Vertrauens? Viel Spaß beim Wunschonzert! 

Wie heißt es doch so schön in dem Duett der beiden kleinen Detektive aus dem UFA-Klassiker "Der Mann, der Sherlock Holmes war"?

Wer hinterm Ofen sitzt
und die Zeit wenig nützt
schont zwar seine Kraft
aber wird auch nichts erreichen.

Wer aber nicht viel fragt
und geht los, unverzagt
für den gibt's kein Fragezeichen
und dergleichen, bis er's schafft.

Jawohl, meine Herren, so haben wir es gern
und von heut an gehört uns die Welt.
Jawohl, meine Herren, die Sorgen sind fern
wir tun, was uns gefällt.

Und wer uns stört, ist eh' er's noch begreift
längst von uns schon eingeseift.

Jawohl, meine Herren, darauf könn' sie schwör'n
Jawohl, Jawohl, Jawohl. 

Jawohl, meine Herrn, so hättet ihr's wohl gern.

 




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