BishopAccountability.org

Zahl der Opfer könnte deutlich höher liegen

BR
June 01, 2015

http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/inhalt/domspatzen-missbrauchsopfer-zahl-hoeher-100.html


Gutachter Ulrich Weber

[The number of victims of abuse and mistreatment at the cathedral choir could be much higher than the previously known. The Regensburg diocese knows about some 70 cases. The independent expert Ulrich Weber, who worked the cases for four weeks speaks of a "domino effect". The diocese does not comment on this.]

Die Zahl der Opfer von Missbrauch und Misshandlung bei den Domspatzen könnte weitaus höher liegen, als die dem Bistum bisher bekannten rund 70 Fälle. Der unabhängige Gutachter Ulrich Weber, der die Fälle seit vier Wochen bearbeitet, spricht von einem "Domino-Effekt". Das Bistum äußert sich dazu nicht. Rechtsanwalt Ulrich Weber bestätigte dem BR (Studio Ostbayern) bereits "sehr viele" Kontakte mit Opfern von sexuellem Missbrauch oder Misshandlung bei den Domspatzen. Wie viele sich genau bei ihm gemeldet haben, will der Jurist nicht verraten. In der ersten Woche seien es zehn Kontaktaufnahmen gewesen, dann sei ein Domino-Effekt eingetreten.

Die Opfer brächten ihm gesundes Misstrauen entgegen, das er aber nach den ersten Gesprächen ausräumen könne. "Die Leute glauben mir", dass er unparteiisch und unabhängig aufklären wolle. Zudem deutet er an, dass sich auch potenzielle Opfer gemeldet hätten, die beim Bistum noch gar nicht als solche wahrgenommen oder registriert worden waren.

Auch die Leiter der "Gesellschaft gegen das Vergessen", die das "Unabhängige Archiv ehemaliger Regensburger Domspatzen" betreibt, vertrauen Ulrich Weber. In einem Schreiben schildern sie von einem gelungenen Treffen mit ihm und legen allen Opfern wie auch Gesellschaftsmitgliedern nahe, mit Weber zusammenzuarbeiten.

Das Bistum Regensburg äußerte sich entgegen seiner Zusage bislang nicht gegenüber dem BR.

Geheime Personalnotizen des Generalvikars

Gutachter Weber sagte dem BR, dass er vier Tage in der Woche mit der Aufklärungsarbeit beschäftigt sei, anfangs waren nur zwei Tage dafür vorgesehen. Bereits im dritten Quartal dieses Jahres könnte man in die nächste Phase eintreten und das Beratungskuratorium zusammenstellen. Es soll aus Vertretern des Bistums und der Institutionen der Regensburger Domspatzen sowie aus Betroffenen bestehen. Weitere Personen würden nur bei Bedarf von Ulrich Weber dazu geladen. Die Opferschutz-Organisation Weißer Ring hatte dem Bistum den Anwalt Ulrich Weber als unabhängigen Gutachter empfohlen.

Das Bistum kündigte vor vier Wochen an, dem Rechtsanwalt sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen zu wollen. Die unabhängige Aufklärung soll mit einem Gutachten enden, das nach einem Jahr fertig sein soll. Weber glaubt nicht, es in diesem Zeitraum zu schaffen, man könne durchaus zwei Jahre dafür veranschlagen. Nach ersten Gesprächen mit den Opfern überprüft Ulrich Weber sämtliche Unterlagen. Dafür stehen ihm auch geheime Personalnotizen des Generalvikars zur Verfügung.

Jesuit Mertes sieht "harten Block von Verweigerern"

Indessen hat der Jesuit Klaus Mertes fünf Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bei einem Auftritt in Regensburg eine gemischte Bilanz gezogen. Es sei zwar auf unterer und mittlerer Ebene viel an Aufklärungs- und Präventionsarbeit geschehen, trotzdem gebe es nach wie vor einen harten Block von Verweigerern, sagte der ehemalige Leiter des Canisius-Kollegs Berlin bei einer Veranstaltung von kirchlichen Reformgruppen am Sonntagabend (31.05.15).

Mertes, der als erster die Missbrauchsfälle in der Kirche öffentlich gemacht hatte, kritisierte in diesem Zusammenhang den Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Müller. Müller habe als Bischof von Regensburg bei den ersten Berichten über sexuellen Missbrauch von einer Pressekampagne gesprochen, heute würden viele Missbrauchsopfer vor einer Schweigemauer und vor Verleugnungsfronten stehen, wenn sie sich an die Glaubenskongregation als zuständige vatikanische Behörde wenden.

"Das ist ein echter Skandal, dass die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bei der Glaubenskongregation unter Kardinal Müller angesiedelt ist, hier gibt es ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem."

Jesuit Klaus Mertes

Mertes forderte in diesem Zusammenhang mehr Transparenz sowohl bei den Verfahren als auch im kirchlichen System allgemein. Er nannte in diesem Zusammenhang Stichworte wie Gewaltenteilung und eine unabhängige Rechtsprechung, an die sich Betroffene wenden könnten.




.


Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.