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Zwischen Zweifel Und Besturzung

Kirchen Zeitung
November 18, 2015

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Plausibel, aber auch wahr? Die Missbrauchsvorwurfe gegen Bischof Heinrich Maria Janssen werden von vielen Menschen im Bistum bezweifelt.

Das „Beben im Bistum“ ist weitgehend ausgeblieben. Nachdem bekannt geworden war, dass Janssen Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre einen Messdiener missbraucht haben soll, konzentrieren sich die Reaktionen vor allem auf eins: Kaum jemand halt das fur vorstellbar.

Ausdrucklich sagt auch Bischof Norbert Trelle: Die Zahlung von 10 000 Euro an den Mann sei weder ein Urteil oder gar ein Schuldspruch uber den beschuldigten Bischof. Bei einem Medienempfang des Bistums vergangene Woche pladierte Trelle fur einen differenzierten Umgang mit den Missbrauchsvorwurfen: „Eine Plausibilatsprufung und gesicherte Beweise sind zwei verschiedene Ebenen“, sagte der Bischof. Wenn etwas plausibel sei, bedeute dies nicht, „dass es so war“.

Weihbischof Heinz-Gunter Bongartz hatte bei der Veroffentlichung der Vorwurfe gegen Heinrich Maria Janssen mehrfach gesagt, die Missbrauchsvorwurfe seien plausibel. Deswegen habe das Bistum Hildesheim auf Empfehlung der zustandigen Stellen der Bischofskonferenz 10 000 Euro als „Anerkennung des Leids“ gezahlt. Mit dieser Zahlung sei grundsatzlich „kein Urteil in der Sache verbunden und auch keine Bestatigung der Tatablaufe“, sagte Trelle. Vielmehr solle diese Zahlung dem Opfer ein Signal geben, dass „wir ihm nicht aus Eigeninteresse misstrauen“. Es handele sich um eine Art „seelisches Schmerzensgeld“, auch wenn klar sei, dass Geld die seelischen Verletzungen nicht heilen konne.

Gegenuber dem NDR sagte Trelle, er konne den Fall nur nach Darstellung des Opfers beurteilen: „Wir glauben nicht von vornherein, dass er nur ein schlimmer Lugner ist. Wir glauben, da gibt es doch Zusammenhange.“ In einem Interview mit der KirchenZeitung zum Abschluss des Bistumsjubilaums (siehe Seiten 12 und 13) sagte Trelle: „Ich nehme eine ungeheure innere Spannung bei vielen Menschen in unserem Bistum wahr: hier das Wahrnehmen von schwerstem Leid eines Menschen, der nach seinen Angaben Opfer von sexuellem Missbrauch geworden, da die Sorge um das Gedenken an den verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen, der selbst nicht mehr Stellung nehmen kann.“

Unverstandnis und Bedenken uberwiegen

Die Missbrauchsvorwurfe gegen den fruheren Bischof von Hildesheim waren von Trelle nach Bekanntwerden in einem Brief an die Gemeinden thematisiert worden. Darin hie? es unter anderem: „Die Nachricht uber diesen Missbrauch besturzt mich. Das Leid, das dem Mann nach dessen Aussage zugefugt worden ist, erfullt mich mit tiefer Trauer.“ In etlichen Gemeinden waren weder die Vorwurfe ein Thema noch wurde uberall die Stellungnahme Trelles verlesen, zumal an dem Sonntag vielfach Kindergottesdienste zum Martinsfest gefeiert wurden.

Reaktionen auf die Missbrauchsvorwurfe beinhalten uberwiegend Zweifel und Unverstandnis gegenuber dem Vorgehen der Bistumsleitung. So haben sich inzwischen ehemalige Dom-Messdiener zu Wort gemeldet, zu denen zwischen 1958 und 1963 das Missbrauchsopfer gehort haben soll. Die ehemaligen Messdiener kritisieren vor allem, dass der Name des Opfers auch nach dessen Einschalten der Medien nicht bekannt gegeben wird. Damit stunden alle Dom-Ministranten jener Jahre unter dem Generalverdacht, die Beschuldigungen uber Bischof Heinrich Maria Janssen in die Welt gesetzt zu haben.

Offentlich geau?ert hatte sich gegenuber der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung Pastor Winfried Henze (86), der die Missbrauchsvorwurfe gegenuber Bischof Heinrich Maria Janssen als unvorstellbar bezeichnete. Er habe auf seine Au?erungen hin eine „Welle der Zustimmung“ erfahren, sagte der ehemalige Redakteur der KirchenZeitung. „Viele beziehen sich auf meine Aussage: Wer eine Beschuldigung erhebt, muss sie beweisen. Solange die Vorwurfe gegen Bischof Janssen nicht bewiesen sind, sind sie nichts als eine blo?e Behauptung.“ Henze weiter: „Ich habe Muhe, bei den Anrufern Verstandnis zu finden, dass die Mitarbeiter des Bischofs Menschen, die sich als Opfer von Missbrauch melden, zunachst Glauben schenken und sie keinem Verhor unterziehen, ja sogar ein seelisches ‚Schmerzensgeld‘ zahlen, wenn die Darlegungen irgendwie ernsthaft erscheinen. Man weist mich auf die Gefahr des Missbrauchs solcher Offenheit hin, ist dann aber doch in der Regel bereit zuzugeben, dass die Kirche so handeln muss, will sie nicht wirklich Betroffenen von vornherein die Tur zuschlagen.“ Scharf kritisiert werde allerdings: Die Kirche habe hier Regeln, die im Gewissensbereich gelten, in den offentlichen Bereich hinubergezogen. Was fur Seelsorger und Psychologen „plausibel“ genug sei, um sich mit einer Missbrauchsklage zu befassen, habe doch keinerlei Aussagekraft im rechtlichen Bereich.

In Sakristei herrschte ein Kommen und Gehen

Ihm gegenuber hatten Zeitzeugen, die sowohl mit der ortlichen als auch zeitlichen Situation vertraut seien, die im „Spiegel“ geschilderten Details bestritten. So sei es vollig absurd, von Missbrauch in der Laurentiuskapelle, die als Domsakristei diente, zu reden. Dort habe ein standiges Kommen und Gehen geherrscht, die Kuster und andere hatten eigene Schlussel und standigen Zutritt zu den Raumen gehabt, dem Bischof habe hier immer alle Aufmerksamkeit gegolten. Winfried Henze zieht daraus und aus anderen Fragen den Schluss: „Solange es nicht die Spur eines Beweises gibt, ist der Bischof Heinrich Maria Janssen fur mich unschuldig und genie?t meine uneingeschrankte Hochachtung.“

In der kommenden Woche befasst sich in Hildesheim der zustandige Ortsrat mit der Frage, ob die nach Bischof Heinrich Maria benannte Stra?e umbenannt werden soll. In Kevelaer, wo Janssen vor seinem Wechsel nach Hildesheim tatig war, ist uber dieses Thema bereits gesprochen worden. Der Standpunkt von Burgermeister Dominik Pichler: „Fur mich geben die Berichte zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass, mein Kreuz uber dem verstorbenen Bischof zu brechen, uber seine Ehrenburgerschaft oder eine Stra?enumbenennung nachzudenken.“

 

 

 

 

 




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