BishopAccountability.org
 
 

Missbrauch in Der Katholischen Kirche: Geheime Paralleljustiz

Spiegel
November 30, 2015

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-geheime-paralleljustiz-a-1065203.html

Pater R. gilt als ein Haupttater im Fall des jahrelangen sexuellen Missbrauchs am Canisius-Kolleg in Berlin. Vor Gericht musste sich der katholische Geistliche jedoch nie verantworten, straf- und zivilrechtlich waren die Taten verjahrt. Nun stellt sich heraus: Ein Madchen erhob bei der Kirche auch schwere Vorwurfe gegen den Pater, die nicht verjahrt waren. Doch das Bistum Hildesheim, bei dem sich die Jugendliche gemeldet hatte, verschleppte die Aufklarung, wie die WDR-Dokumentation "Richter Gottes" zeigt.

Das Madchen hatte sich in Begleitung seiner Religionslehrerin im Marz 2010 an das Bistum gewandt und von einem Besuch bei dem Pater vier Jahre zuvor in Berlin erzahlt. Erst habe der Geistliche mit ihr ein Stra?enfest besucht und ihr eine Panflote geschenkt. Dann gingen sie in seine kleine Wohnung und a?en gemeinsam Abendbrot. Spater habe sie sich im selben Raum schlafen gelegt, schlie?lich sei der Pater mit ihrer Familie in Hildesheim befreundet gewesen. Sie war ihren Angaben zufolge noch nicht ganz eingeschlafen, da sei Pater R. wieder aufgestanden, habe sich auf sie gelegt und begonnen, sie zu kussen und zu befummeln.

Als das Madchen dies berichtete, kannte die Bistumsleitung Pater R. schon bestens, nicht nur als mutma?lichen Serientater vom Berliner Canisius-Kolleg. Auch auf einer eigenen Pressekonferenz, nur vier Wochen zuvor, hatte das Bistum zwei andere Missbrauchsfalle von Pater R. im Bereich des eigenen Bistums zugegeben, denen man "leider nicht nachgegangen sei".

Die Missbrauchsdebatte war da schon im vollen Gange. Das Bundesjustizministerium hatte die katholische Kirche ermahnt, enger mit den staatlichen Ermittlungsorganen zu kooperieren. Die Bischofe hatten sich gegen derartige Kritik verwahrt und ab sofort Besserung gelobt.

"Umso verantwortungsloser ist es da, was erst heute bekannt wird", sagt Matthias Katsch, Sprecher der Missbrauchsopfer vom Canisius-Kolleg. Denn wie die WDR-Doku zeigt, meldeten die Verantwortlichen aus dem Hildesheimer Bistum den Fall des Madchens nicht gleich an die staatlichen Ermittler in Berlin.

Erst als die Jugendliche im Oktober 2010 in eine Kinderpsychiatrie eingewiesen wurde und sich ihre Familie daraufhin beim Bistum Hildesheim meldete, informierte das Bistum Ende des Jahres auch die Ermittlungsbehorde. Dass es vermutlich kein Einzelfall war, sondern Pater R. bereits bekannter Hauptverdachtiger des jahrelangen Missbrauchs am Canisius-Kolleg, verschwieg die Kirche offenbar.

Die Staatsanwaltschaft habe damals keine Hinweise darauf gehabt, dass es sich bei dem Beschuldigten um eine der Hauptpersonen des Missbrauchsskandals um das Canisius-Kolleg handeln konnte, sagte der Berliner Oberstaatsanwalt Martin Steltner dem Filmteam.

"Das Verfahren lief geheim ab"

Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen damals wegen geringen offentlichen Interesses gegen Zahlung einer Geldauflage ein. "Wir haben es daher bis heute mit einem Serientater zu tun, der sich in keinem staatlichen Prozess einem Gericht stellen musste, obwohl diese Tat nicht verjahrt ist", sagt Katsch.

In der WDR-Dokumentation au?ert sich Pater R. auch erstmals selbst. Das Hildesheimer Madchen habe er vielleicht mal gekusst, mehr sei nicht gewesen. Ein Straftater sei er nicht. R. musste sich lediglich der kircheninternen Justiz stellen. 2014 wurde er auf Lebenszeit vom Priesterdienst ausgeschlossen und zur Zahlung von 4000 Euro an einen Kirchenfonds verurteilt. "Die kircheneigene Paralleljustiz brauchte vier Jahre, um dann nur Milde gegenuber Pater R. walten zu lassen", klagt Katsch.

Weder das Madchen noch andere Opfer seien als Zeugen vernommen worden, so Katsch. "Das Verfahren lief geheim ab. Das Bistum informierte am Ende nicht einmal das missbrauchte Madchen, es erhielt auch keine Entschadigung."

Katsch fordert nun den Rucktritt des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle. "Er und das Hildesheimer Bistum haben entgegen den Versprechungen der Kirche gehandelt und einen Serientater geschutzt, ohne sich um das Opfer zu kummern."

Die Kirche konne sich nicht darauf berufen, dass das Madchen Diskretion gewunscht habe: "Eine Schweigepflicht gilt in Deutschland nur fur Mitarbeiter von Fachberatungsstellen, Arzte und Anwalte", sagt Katsch. Die Vorgesetzten von Missbrauchstatern hingegen mussen handeln, auch um Schaden von moglichen kunftigen Opfern abzuwenden."

Die Staatsanwaltschaft will die Aufnahme neuer Ermittlungen prufen.

 

 

 

 

 




.

 
 

Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.