Der Prozess wegen Geheimnisverrats vor dem vatikanischen Gericht ist vorerst vertagt worden; das hindert die beiden Hauptangeklagten aber nicht, in der Öffentlichkeit ausgiebig dreckige Wäsche zu waschen.

So behauptet der spanische Monsignore Lucio Angel Vallejo Balda in einem «Memorandum», das auf wundersame Weise den Weg aus seiner vatikanischen Zelle zur Römer Zeitung «La Repubblica» gefunden hat, dass seine mutmassliche Komplizin Francesca Immacolata (die Unbefleckte) Chaouqui regelmässige Teilnehmerin an Silvio Berlusconis Partys gewesen sei.

In den umfangreichen Ermittlungsakten zu den Sexorgien des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten war ihr Name freilich nie aufgetaucht. Aber Kontakte zur Familie Berlusconi hatte die 33-jährige Juristin und PR-Fachfrau sehr wohl: Wie der «Corriere della Sera» gestern berichtete, ermittelt die Römer Staatsanwaltschaft gegen sie und ihren Ehemann Corrado Lanino wegen Erpressung. Sie habe den Gebrüdern Silvio und Paolo Berlusconi im Jahr 2013 gedroht, sie werde mit ihrer einflussreichen Position im Vatikan dafür sorgen, dass einem italienischen Rechtshilfegesuch gegen den Ex-Premier stattgegeben werde, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden.

Journalist soll gehen

Chaouqui hatte laut «Corriere della Sera» gegenüber Paolo Berlusconi mit Nachdruck die Entlassung eines Journalisten verlangt, der in der zum Medienimperium des Ex-Premiers gehörenden Wochenzeitschrift «Panorama» einen wenig schmeichelhaften Artikel über sie geschrieben hatte. Unter dem Titel «Eine Sexbombe bringt den Vatikan in Verlegenheit» hatte der Vatikan-Experte Chaouquis erstaunlichen Weg aus ihrem bescheidenen Elternhaus in Kalabrien bis in die von Papst Franziskus eingesetzte Untersuchungskommission für die Vatikanfinanzen (Cosea) nachgezeichnet. Angereichert war der Bericht mit freizügigen Fotos der jungen Vatikan-Mitarbeiterin und pikanten Zitaten aus ihren Facebook- und Twitter-Accounts.

Der von der Römer Staatsanwaltschaft vermutete Erpressungsversuch gegen die Berlusconis ist nicht die einzige neue Wendung in der Vatileaks-2-Affäre. In seinem «Memorandum» beschreibt Monsignore Balda die mitangeklagte Chaouqui als eine Art Mata Hari des päpstlichen Hofes: Sie habe ihm anvertraut, dass sie für den italienischen Geheimdienst als Spionin arbeite; ausserdem sei sie mit dem ultrakonservativen Geheimorden Opus Dei verbandelt, über den sie mit zahlreichen einflussreichen Politikern und mit den Römer Adelsfamilien in Kontakt gekommen sei. Zum Schluss gesteht der spanische Kurienprälat zerknirscht, was die Spatzen in Rom ohnehin schon seit längerem von den Dächern pfeifen: Ja, er habe mit der jungen Frau eine Affäre gehabt, «und ich schäme mich dafür».

«Er mag doch gar keine Frauen»

Und Chaouqui? Die ehemalige Vatikan-Mitarbeiterin gibt täglich Interviews, in denen sie wortreich alles bestreitet, was man ihr vorwirft. Als besonders infam empfindet sie die Unterstellung, sie habe mit dem 54-jährigen Balda Sex gehabt: «Balda hat, so wie er veranlagt ist, keinerlei Freude daran, mit mir ins Bett zu steigen. Und ich wiederum kenne Milliardäre und Emire – wenn ich meinen Mann betrügen wollte, dann würde ich das nicht mit einem alten Priester tun, dem Frauen nicht gefallen.»

Der Papst hat am Montag eingeräumt, es sei wohl «ein Fehler» gewesen, Chaouqui und Balda bei der Cosea anzustellen. Selten hat ein Papst so untertrieben. «Aber», fügte Franziskus an, «sie ist ja Gott sei Dank nicht Lucrezia Borgia.»