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Alles richtig gemacht?

By Christoph Fleischmann
Publik Forum
December 8, 2015

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Das Bistum Hildesheim will nichts falsch gemacht haben bei der Verfolgung eines Priesters, der des Missbrauchs beschuldigt wurde

Eilig wurde am Dienstag, dem 1. Dezember, eine Pressekonferenz einberufen; es war mal wieder Zeit fürs Krisenmanagement in der katholischen Kirche. Und die Verteidigungsstrategie lautete: Alles abstreiten. »Die Vorwürfe sind in keiner Weise haltbar«, gab sich der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günter Bongartz empört. Von Selbstkritik keine Spur. Worum es ging? Darum, wie er und Diözesanbischof Norbert Trelle 2010 mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen Priester des Bistums Hildesheim umgegangen waren.

Anlass des bischöflichen Ärgers war die ARD-Fernsehdokumentation »Richter Gottes. Die geheimen Prozesse der Kirche« von Eva Müller. Darin hatte die Journalistin unter anderem über den Fall des Paters R. berichtet.

Im März 2010 hatte sich ein damals 14-jähriges Mädchen zusammen mit seiner Religionslehrerin im Generalvikariat beim damaligen Personalchef des Bistums, Heinz-Günter Bongartz, gemeldet und geäußert, Pater R. habe sie einige Jahre zuvor sexuell missbraucht.

Das Gespräch mit dem Mädchen und seiner Lehrerin habe aber keine eindeutigen Hinweise auf sexuellen Missbrauch ergeben, erklärt das Bistum heute, um sich zu rechtfertigen, warum es nicht damals schon die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe. Das Mädchen erinnert sich im Film von Eva Müller freilich anders an die Begegnung: »Die wollten das sehr detailliert haben, das war schon nicht einfach.« Und: »Die haben das auch ziemlich runtergeschraubt, dass das doch gar nicht so schlimm war, und dass es anderen schlimmer erging.« Pater R. habe sich, als sie als damals 11-Jährige im Bett gelegen habe, auf sie gelegt, sie geküsst und berührt, erzählt die inzwischen junge Frau im Film. Kein Hinweis auf Missbrauch?

Zudem war Pater R. kein unbeschriebenes Blatt: Wenige Wochen vor dem Gespräch mit dem Mädchen war bekannt geworden, dass er einer der Haupttäter im jahrelangen Missbrauch am Canisius-Kolleg in Berlin war. So musste man im Hildesheimer Generalvikariat eigentlich alarmiert sein. War man auch. Denn es wurden interne Untersuchungen zu Pater R. angestellt. Zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft entschloss sich das Bistum aber erst, als die erziehungsberechtigten Großeltern des Mädchens im November 2010 im Generalvikariat vorstellig wurden. Allerdings teilte man der Staatsanwaltschaft nicht mit, dass es sich bei R. um einen mutmaßlichen Serientäter handelt: Man sei, heißt es heute aus dem Bistum Hildesheim, »davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft im Jahr 2010 über die Anschuldigung an Pater R. informiert war.« Warum hat das Bistum das verschwiegen?

Die Staatsanwaltschaft Berlin ging von einer einzelnen Tat aus. Sie bekleckerte sich freilich auch nicht mit Ruhm, als sie die Ermittlungen wegen geringem öffentlichen Interesse und gegen Zahlung einer Geldauflage einstellte. Danach führte die Kirche ein kirchenrechtliches Strafverfahren gegen Pater R. durch. Das endete damit, dass dem Priester die Ausübung seines priesterlichen Dienstes untersagt wurde und er eine Geldstrafe von 4000 Euro zahlen musste. Die Kirche habe aber nicht im Geheimen ermittelt, erklärt Bongartz dazu, es sei um eine zusätzliche disziplinarische Maßnahme gegangen. Aber die inzwischen junge Frau und ihre Großeltern erfuhren erst durch Eva Müllers Recherchen von dem Verfahren und der Verurteilung von Pater R.: Alles richtig gemacht, Herr Bongartz?

Aufgrund des ARD-Films prüft nun die Berliner Staatsanwaltschaft, ob sie noch einmal Ermittlungen gegen Pater R. aufnimmt. Und das Bistum Hildesheim erklärt, es würde dies »angesichts der jüngsten Entwicklung« begrüßen.

Welcher Entwicklung? Eva Müller hat das gemacht, was doch auch ein kirchliches Strafverfahren hätte leisten müssen: Sie hat mit den Betroffenen – dem Priester, dem Mädchen und seinen Großeltern – geredet. Warum hat das Kirchengericht in Berlin das Mädchen und seine Familie nicht angehört?

Bleibt noch die Zusatzfrage an den zuständigen Diözesanbischof von Pater R.: Wie will Norbert Trelle seine Verantwortung für den in Berlin lebenden Pater R. wahrnehmen, dass er nicht wieder zum Täter wird? Diese Frage, urteilte die Pressestelle des Bistums, gehe über die »eigentliche Thematik« hinaus. Deswegen wurde sie nicht beantwortet.

Es ist beklagenswert, dass auch nach dem Aufdecken weit verbreiteten Missbrauchs durch Geistliche Anfang 2010 das Verhalten der Verantwortlichen in der Kirche noch immer nicht erkennen lässt, dass es Ihnen wirklich um rückhaltlose Aufklärung geht. Aber es ist beschämend, wie die Verantwortlichen darauf reagieren, wenn man ihnen eigenes Versagen nachweist. Die letzten beiden Bischofsrücktritte – von Walter Mixa und von Franz-Peter Tebartz-van-Elst – waren nicht nur dem Fehlverhalten der hohen Herren geschuldet, sondern vor allem der Art, wie sie versuchten, dieses abzustreiten. Oder wie sehen Sie das, Herr Bongartz und Herr Trelle?




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