BishopAccountability.org
 
 

Ein Steg Uber Den Gemeinsamen Domspatzen-sumpf

By Robert Werner
Regensburg Digital
December 15, 2015

http://www.regensburg-digital.de/ein-steg-ueber-den-gemeinsamen-domspatzen-sumpf/15122015/

Kurzlich hat der Verein der „Freunde des Domchors“ dem sadistischen Gewalttater Johann Meier die Ehrenmitgliedschaft aberkannt – heimlich, still und leise. Der ehemalige Domkapellmeister Georg Ratzinger hielt die Fahne fur den Exzess-Tater lange hoch und redete seine Verantwortung klein – mit erstaunlicher Unterstutzung. Zweiter Teil der Recherche von Robert Werner (Hier geht’s zum ersten Teil).

„Nach beinahe 40 Jahren selbstloser Tatigkeit … wurde sein Erziehungsstil in der modernen Zeit nicht mehr verstanden.“ Georg Ratzinger uber den Gewalttater Johann Meier.

Als der ehemalige Domkapellmeister Georg Ratzinger im Marz 2010 zu den korperverletzenden Erziehungsmethoden des Internatsdirektors Johann Meier nach Tagen der Verweigerung doch noch Stellung beziehen musste, gab er sich in einem Exklusiv-Interview in der PASSAUER NEUEN PRESSE (PNP) vom 9. Marz 2010 teils reumutig, teils unwissend. Zwar habe er wahrend seiner Zeit als Domkapellmeister (1963 bis 1994) auf Konzertreisen von Schulern uber die Prugel in Etterzhausen erfahren. Ihre Berichte seien bei ihm aber nicht so angekommen, dass er „glaubte, etwas unternehmen zu mussen“. Das Ausma? der brachialen Methoden Meiers sei ihm nicht bekannt gewesen. So Ratzinger im PNP-Interview.

Wenn er gewusst hatte, mit „welch ubertriebener Heftigkeit“ Direktor Meier von 1953 bis 1992 vorging, so Ratzinger weiter, „dann hatte ich etwas gesagt“. Die Methoden Meiers verurteile er, die Opfer bitte er um Verzeihung.

Allerdings, so Ratzinger weiter, sei die Internatsvorschule in Etterzhausen und spater in Pielenhofen „eine vollig selbstandige Institution“ gewesen, die sein Vorganger Theobald Schrems „auch bewusst so geschaffen“ habe. Da habe man nicht einfach hineinregieren konnen. Fazit: Hatte er was gewusst, hatte er was gesagt, es hatte aber eh nichts gebracht. Wohlweislich unterschlagt Ratzinger, dass er damals als Domkapellmeister und Mitglied im Kuratorium der Stiftung Etterzhausen der Regensburger Domspatzen eine verantwortungsvolle Aufsichts- und Uberwachungsfunktion bekleidet hat.

Ohrfeigen aus Frust – die nachstgelegene Reaktion

Seine eigenen und wiederholt geschehenen gewalttatigen Ubergriffe gegen Domschuler bewerte Ratzinger freilich anders und mit gro?em Verstandnis. Ratzinger exkulpierend uber Ratzingers aus Frust verpasste Ohrfeigen und Schlage: diese seien eine „nachstgelegene Reaktion auf eine negative Leistung oder ein Versagen“ gewesen. Er habe „aber eigentlich immer ein schlechtes Gewissen dabei gehabt“ und sei dann froh und innerlich erleichtert gewesen, „als 1980 korperliche Zuchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurden.“ An dieses Verbot habe er sich „striktissime gehalten“. Fur die von ihm verpassten Schlage und Ohrfeigen hat sich Ratzinger im Interview im Ubrigen nicht entschuldigt.

Das Thema sexueller Missbrauch bei den „Domspatzen“ wurde von der PNP nur vage angesprochen. Ratzinger will davon nichts gewusst haben: „Bei uns im Haus ist uber diese Dinge nie gesprochen worden“, erwiderte Ratzinger knapp, ohne hinterfragt zu werden.

Wie glaubhaft ist all das? Dass es dem Priester und Domkapellmeister Ratzinger, der selber aus Frust Schutzbefohlene schlug, nur an der naherer Kenntnis der Jahrzehnte andauernden und strafrechtlich relevanten Gewalttatigkeiten seines geistlichen Kollegen Meier fehlte, um „etwas zu sagen“, ist schlicht abwegig. Eine unglaubwurdige Schutzbehauptung. Dass, wie Ratzinger vorgibt, uber die sexuellen Ubergriffe in seinem Haus nicht gesprochen worden sei, ist ebenso abwegig. Der Pressesprecher des Bistums hingegen stellte die Realitat (ausnahmsweise und anlasslich der Filmaufnahmen von Mona Botros „Sunden an den Sangerknaben“) anders dar: Er konstatierte, dass uber die in den Einrichtungen der „Domspatzen“ der 1950er und 1960er Jahre geschehenen schwerwiegenden Straftaten offentlich in Zeitungen berichtet wurde und die „Gerichte auch die entsprechenden Tater verurteilt“ haben.

In der Ruckschau fallt auf, dass Domkapellmeister Ratzinger mit seiner im Interview vorgetragenen fadenscheinigen Erklarung und Entschuldigung aus der medialen Schusslinie kam. Diverse Presseerklarungen des bischoflichen Ordinariats bliesen ins selbe Horn, fast so, als ob das Ratzinger-Interview Teil einer bischoflichen Verteidigungsstrategie gewesen ware. So behauptete der damaligen Bischof G.L. Muller fast zeitgleich im papstlichen Organ L’Osservatore Romano, Meiers Grundschulinternat sei „eine von den Domspatzen unabhangige Einrichtung, bei der es nur punktuelle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Musikerziehung“ gebe (Suddeutsche Zeitung vom 9. Marz 2010). Auch uberregionale Zeitungen wiederholten die teilweise falschen Angaben Ratzingers, ohne sie zu uberprufen. Zu schlechter Letzt meldeten sich ehemalige Dom-Schuler zu Wort und nahmen Ratzinger sogar in Schutz.

Ein Interview unter Freunden

Doch wer fuhrte dieses wegweisende Interview mit Ratzinger? Einer, der nicht nur die Stiftungs-Zusammenhange aus eigener Beteiligung eigentlich besser kennen musste: der ehemalige „Domspatz“ Karl Birkenseer, der innerhalb der Journalistenschaft wohl das vertraulichstes Verhaltnis zu Georg Ratzinger hat. Dem aus Regensburg stammenden ehemaligen MZ-Redakteur Birkenseer (geb. 1955), der zu Papst Benedikt XVI. und den „Domspatzen“ bereits schon bebilderte Bucher veroffentlicht hatte, vertraute Georg Ratzinger offenbar als einzigem und gab ihm ein dreiseitiges Exklusiv-Interview.

Schwindelerregende Bezuge zu den Domspatzen: Der Journalist Karl Birkenseer (hier bei einem Gesprach mit Bischof Voderholzer im Regensburger Presseclub). Foto: Archiv

Das Ausma? der personlichen Bezuge Karl Birkenseers zu den „Domspatzen“ ist nahezu schwindelerregend: Er war Internatsschuler unter Johann Maier in Etterzhausen, Dom-Schuler unter Ratzinger in Regensburg (Abitur 1975), ist seit rund zwanzig Jahren in der Vorstandschaft der Freunde des Regensburger Domchors und fast genauso lange Kuratoriums-Mitglied bzw. Rat in der Stiftung der Regensburger Domspatzen. Eine Anfrage von regensburg-digital nach moglichen Interessenkonflikten verneint Birkenseer. Er habe seinerzeit kein Gefalligkeitsinterview abgeliefert, sondern „alle Fragen, die journalistisch geboten waren, gestellt“. Er konne trennen, zwischen journalistischem Auftrag und der naheren Bekanntschaft mit seinem ehemaligen Lehrer Georg Ratzinger.

Interessensgeleitete Fragen an das Ehrenmitglied

Auf den ersten Blick sticht die Breite der Fragen Birkenseers an seinen ehemaligen Lehrer Ratzinger ins Auge. Bei naherer Betrachtung fallt allerdings auf, dass nur einmal, namlich bruckenbauend, nachgehakt wird („Haben Sie jemals einen Buben grun und blau geschlagen?“). Andererseits wird bei der Frage nach den Moglichkeiten einer glaubwurdigen Aufarbeitung nicht auf einer Antwort insistiert. Die Ratzinger-Bruder werden im Mittelteil als Prugel-Opfer und der papstliche von beiden als Aufklarer angesprochen. Am Interviewschluss steht die alles verbindende Betroffenheit der Domspatzenfamilie im Zentrum.

Die Moglichkeit Ratzingers Aussagen zu uberprufen, nutzte Birkenseer nicht, stattdessen fuhrte er zu anderen Themen weitere Interviews mit seinem Ex-Vorstandskollegen Ratzinger, der ubrigens auch Ehrenmitglied im Verein der Freunde des Regensburger Domchors ist.

Auf den Vorhalt von regensburg-digital, er hatte alle seine Verwicklungen und Funktionen hinsichtlich der „Domspatzen“ fur die Leserschaft offen machen mussen, entgegnet der PNP-Redakteur mit dem verbluffenden Hinweis, dass er sowohl in Regensburg als auch in Passau als ehemaliger „Domspatz“ bekannt sei. Nicht zuletzt, weil er sich wenige Tage zuvor in der PNP selber uber seine Zeit bei den „Domspatzen“ geau?ert habe. Hatte er andernfalls explizit daraufhin gewiesen, ware ja sofort der Verdacht auf ein Gefalligkeitsinterview im Raum gestanden. Dass die Leserschaft der uberregionalen und internationalen Presse, die sich, wie Birkenseer nicht ohne Stolz bemerkte, seinerzeit auf sein Interview mit Georg Ratzinger gestutzt hatte, nichts von seinen Amtern und Funktionen wissen konne, ficht ihn auch nach mehrfachem Nachhaken nicht an.

Das aktuelle und langjahrige Mitglied der Stiftung der Regensburger Domspatzen Karl Birkenseer hatte es wissen konnen, ja mussen, dass Ratzinger als Domkapellmeister stets einflussreiches Mitglied im Kuratorium der Stiftung Etterzhausen der Regensburger Domspatzen (ab 1981 Stiftung Pielenhofen der Regensburger Domspatzen) war und somit sehr wohl die Gelegenheit zur direkten Einflussnahme auf den Gewalttater Meier gehabt hatte. Von der fursorglich gebotenen Moglichkeit des Domkapellmeisters, die strafrechtlichen Vergehen unter Direktor Johann Meier zur Anzeige zu bringen, ganz zu schweigen. Leider gingen diesen Schritt – soweit bekannt – auch andere nicht.

Zugespitzt gesagt bleibt der Eindruck, dass Birkenseer neben relevanten Interviewfragen vor allem einen begehbaren Steg uber den gemeinsamen Domspatzen-Sumpf ausbreitete, den Ratzinger gerne beschritt. Entgegen allen journalistischen Standards hat er seine Abhangigkeiten und Verwicklungen im Verborgenen gehalten. Birkenseer ist ein treffliches Beispiel von „Ehemaligen“ in fuhrender Position, die auf ihre „Domspatzen“ nichts kommen lassen. Das gemeinsame leitende Interesse: Schutz der „Domspatzen-Familie“, der kirchlichen Institutionen, des eigenen Vereins und der jeweiligen Reprasentanten. Selbstvergewisserung. Es uberrascht nicht, dass Birkenseer auch beim Antrittsbesuch von Bischof Rudolf Voderholzer 2013 genehme Fragen vorgetragen hat.

Gefalligkeit hin, Abhangigkeit her. Angesichts einer konkreten Wurdigung, die Georg Ratzinger fur den bereits verstorbenen Direktors Johann Meier veroffentlichte, wird die Sachlage eindeutig.

Wurdigung des Taters

Wie Ratzinger das Lebenswerk des Gewalttaters Johann Meier und seine schwarzpadagogische Praxis in einfuhlsamen Worten bewertete, kann man in einer Festschrift aus dem Jahre 1998 nachlesen.

Grabplatte von Johann Meier auf dem Friedhof in Falkenstein. Foto: privat

„Hier ist wohl auch der Ort, ein Wort der Wurdigung und des Dankes fur den Grundungsdirektor der Vorschule Hans Meier anzufuhren. Seit 1953 leitete er unter schwierigsten Umstanden in einer finanziell und personell angespannten Situation die Institution und war beinahe rund um die Uhr im Einsatz. Er trug auch die Hauptlast bei der Schaffung des neuen Heims und der Ubersiedlung dorthin. Nach beinahe 40 Jahren selbstloser Tatigkeit, da seine Gesundheit stark angeschlagen war, zog er sich in den Ruhestand zuruck, zudem er spurte, da? sein Erziehungsstil in der modernen Zeit nicht mehr verstanden wurde. Am 13. Juli 1992 rief ihn der Herr uber Leben und Tod nach schwerer Krankheit, aber doch unerwartet in die Ewigkeit. RIP.“

Aus der Festschrift 50 Jahre Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen (1998), S. 206

Abgesehen von den sachlichen Fehlern: hier spricht ein Tater schutzend uber einen anderen Tater. Fur viele Hunderte von Meier-Geschadigten durfte dieser Taterschutz wie Salzsaure in kaum verheilten Wunden wirken. Ein preisgekronter Artikel der Suddeutschen hatte bereits Ende Marz 2010 auf Ratzingers Wurdigung hingewiesen, ohne die Zusammenhange naher auszufuhren.

Taten und Tater aus alten Zeiten und fernen Orten?

Nach den damaligen ersten Emporungswellen vom Marz 2010 stellte Bischof G.L. Muller Journalisten, die uber die „Domspatzen“ geschrieben hatten, global in die Nazi-Ecke. Und bald schlichen sich die korperverletzenden Straftaten im Grundschulinternat in Etterzhausen/ Pielenhofen aus dem Focus der Medien.

Im Zentrum der medialen Interessen standen dann die sexuellen Ubergriffe, die das Bistum und der vermeintlich schadlos gebliebene Teil der Domspatzen-Familie, etwa die Leitung des Chors, der Schule und des Internats, in langst vergangene Zeiten abschieben wollten. Die Einrichtungen in Regensburg seien aktuell davon nicht betroffen, hie? es aus dem bischoflichen Ordinariat. Ein diozesanes Anerkennungsverfahren wurde installiert. Fur erfahrenes Leid aus sexuellen Ubergriffen, die als solche von einem vom Bistum bezahlten und sich mit John Wayne vergleichenden Rechtsanwalt (ver)kannt werden mussten, zahlte man wenigen Betroffenen mit einer gewissen Willkur einen Betrag von 2.500 Euro.

In Regensburg Chefverschleierer, im Vatikan Chefaufklarer: Gerhard Ludwig Muller. Foto: Archiv/ Staudinger

Wer sich je tiefer auf das seelische Elend und die Folgen von personlichkeitsschadigenden Ubergriffen eingelassen hat, wei?, dass die daraus resultierenden finanziellen Kalamitaten keinesfalls mit 2.500 Euro bestritten werden konnen. Ein Beispiel aus der Praxis, ohne von Schmerzensgeld oder gar „Entschadigung“ zu sprechen: Besucht jemand mit post-traumatischer Belastungsstorung eineinhalb Jahre lang einen leider nicht vor Ort praktizierenden speziellen Therapeuten, muss er Ubernachtungskosten, die anfallenden Honorare und diverse Medikamente selber zahlen. Die Kosten belaufen sich schnell auf 10.000 Euro – der Hochstsumme, die der bundeseigene Fond Sexueller Missbrauch an Betroffene fur bewilligte Sachleistungen zahlt.

Salamitaktik

Fast funf Jahre zogen durchs Regensburger Bistumsgebiet, bis die selektive und verschleppende Vorgehensweise des Ordinariats Anfang des Jahres 2015 mit dem ARD-Film von Mona Botros „Sunden an den Sangerknaben“ schrittweise kollabierte. SMV-Funktionare des Domgymnasiums griffen daraufhin aus Grunden des Institutionsschutzes die Filmemacherin an und sprachen zugleich eine hohle Einladung aus, die sie spater einfach versanden lie?en.

Seit dem vielerorts vernehmbaren Entsetzen, das die Doku ausloste, spricht sogar Bischof Voderholzer von „Terrorsystem“ und „Holle“ in Etterzhausen/ Pielenhofen und distanziert sich ausdrucklich. Voderholzer redete zunachst allerdings nicht von Regensburg und auch nur von zwei Tatern. Vermutlich meinte er damit unter anderem Johann Meier. Daraufhin kundigte das Bistum im Februar 2015 an, erstmalig ebenso den Opfern von korperverletzenden Straftaten in allen Einrichtungen der „Domspatzen“ ein „Schmerzensgeld“ von 2.500 Euro zukommen zu lassen.

Den nachsten Ruckzugsschritt gab das Ordinariat im April 2015 bekannt. Der bereits erwahnte Rechtsanwalt Ulrich Weber soll die bisherige diozesane „Aufarbeitung von Vorwurfen von sexuellem Missbrauch und Korperverletzung“ bei den „Domspatzen“ als „unabhangige Stelle kritisch prufen“.

Keine generelle Aufarbeitung im Bistum

Es geht also nicht um Aufarbeitung oder Aufklarung generell. Dennoch hofft Generalvikar Fuchs, dass Webers Arbeit „nicht nur hilft, das Geschehene in rechter Weise zu sehen, sondern auch fur die Zukunft die richtigen Ma?nahmen zu ergreifen, denn Aufarbeitung und Pravention sind Zwillinge.“

Ob und wie Weber die Schicksale jener Betroffenen thematisieren wird, die sich nach seiner Beauftragung zum ersten Mal uberhaupt gemeldet haben oder noch melden werden, ist anscheinend unklar. Indes wird sich nicht jeder Geschadigte an den ehemaligen Vorstand eines hiesigen Fu?ballclubs wenden und seine Verletzungen preisgeben wollen. Die Scham der Betroffenen ist in der Regel gro?, die von arrivierten oder zuruckgezogenen „Domspatzen“ sicher nicht kleiner. Eine gro?e Anwaltssozietat, die nicht aus Regensburg stammt, ware von daher die bessere Wahl gewesen – ohne derzeit die Kompetenzen von Rechtsanwalt Weber anzweifeln zu wollen. Was daruber hinaus immer noch aussteht und von Betroffenen und Experten seit langem gefordert wird, ist eine umfassende Untersuchung durch ein externes Fachinstitut. Nur auf so einem Fundament konnte in serioser Weise an Konzepten der Pravention gearbeitet werden.

Soll fur Aufklarung sorgen: Der Rechtsanwalt Ulrich Weber. Foto: Archiv/ Staudinger

Rechtsanwalt Weber stellt sich und seine Arbeitsweise als „ transparent, offen, unabhangig“ dar. Sein offenbar unbefristeter Auftrag und dessen Ausrichtung kamen jedoch ohne Beteiligung von Betroffenen zustande. Sein Honorar soll nicht zu knapp sein. Die ersten Zeitplane sind langst verworfen, mit konkreten ersten Zwischenergebnissen konne fruhestens im Februar 2016 gerechnet werden. Dies teilte Ulrich Weber Mitte November 2015 in einer Presseerklarung mit, die punktgenau zum diesjahrigen „Ehemaligen-Treffen“ lanciert wurde. Die Erklarung trug zwar eine vielversprechende Uberschrift („Zuhoren braucht Zeit – Offenheit braucht Offentlichkeit“), blieb inhaltlich aber ohne Substanz.

Tatsachlich kann Weber auch nur das bewerten, was ihm sein Auftraggeber vorlegt oder was er von Betroffenen erfahrt. Einen uneingeschrankten personlichen Zugang zu allen bischoflichen Akten bekam Weber offenbar nicht. Schon gar nicht zum Bischoflichen Geheimarchiv, in dem die Sittlichkeitsdelikte abgelegt werden und der entsprechende Umgang des Ordinariats zu erkennen ware – sofern dort aussagekraftige Unterlagen vorhanden sind. Vielmehr muss Weber Akten „anfordern“, was er nur kann, wenn er Kenntnis von ihnen hat. Sein begrenzter Spielraum und die Abhangigkeiten von seinem Auftraggeber sind also unverkennbar.

Nimmt Rechtsanwalt Weber seinen Auftrag ernst, musste er sich unter anderen zum seriellen bischoflichen Versagen au?ern und etwa das Verhalten des vormaligen Bischofs G.L. Muller bewerten. Dieser ist derzeit Chef der Glaubenskongregation, die ihrerseits fur die Untersuchung der Regensburger Missbrauchsfalle zustandig ware, aber Tater in ihren Reihen duldet.

Was war mit den anderen Domspatzen-Direktoren?

Ebenso musste Weber das Verhalten von ehemaligen „Domspatzen“-Direktoren beurteilen, die zum Teil einen hochrangigen Altersruhesitz des Bistums bekleiden und noch berichten konnten, was Johann Meier und andere den Internatsschulern angetan haben. Aus dem Kreis der Betroffenen ist zu vernehmen, dass noch der eine oder andere ehemalige Internatsdirektor lebt und verdachtigt wird, selber ubergriffig geworden zu sein und Straftaten begangen zu haben.

Die in den Rechtsanwalt Ulrich Weber gesetzten Hoffnungen und Erwartungen sind hoch. Was das Bischofliche Ordinariat Regensburgs in den letzten funf Jahren nicht schaffte oder schaffen wollte, soll ein hiesiger Rechtsanwalt leisten konnen, der nicht auf Missbrauch und Korperverletzung in kirchlichen Institutionen spezialisiert ist.

Um Betroffene, die in nicht so mediengewichtigen kirchlichen Einrichtungen wie den „Domspatzen“ Ubergriffe erleiden mussten, kann sich Rechtsanwalt Weber auftragsgema? nicht kummern. Sie bleiben au?en vor. So haben etwa die an Seele und Korper Geschadigten der kirchlichen Kinderheime, der Einrichtungen der Katholischen Jugendfursorge, der von kirchlichen oder Ordensgemeinschaften getragenen Pflegeeinrichtungen oder die der bischoflichen Knabenseminare derzeit keinerlei Aussicht auf offentliche Aufklarung und kritische Untersuchung. Ihnen fehlen Selbstorganisierung, Lobby und offentlicher Druck. Fur diese Geschadigten hat der Bischof von Regensburg keinen Anwalt unbefristet beauftragt.

 

 

 

 

 




.

 
 

Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.