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Bis Zu 700 Gewaltopfer Bei Den Domspatzen

Regensburg Digital
January 8, 2016

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Der Zwischenbericht von Rechtsanwalt Ulrich Weber zu Gewalt und Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen straft den in der Vergangenheit behaupteten Willen des Bistums Regensburg zur Aufklarung erneut Lugen.



Ich bin unabhangig und ich sag, was ich will. Ohne es explizit auszusprechen, ist das die Botschaft die Ulrich Weber sowohl an die Verantwortlichen im Bistum als auch an die Betroffenen von Gewalt und Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen sendet. Am Freitagvormittag hat der als Aufklarer eingesetzte Rechtsanwalt nach acht Monaten Recherche seinen ersten Zwischenbericht vorgelegt. Und es sind nicht nur die nackten Zahlen, die erneut ein beschamendes Licht auf das Verhalten des Bistums werfen. Weber legt auch klar: Die gewalttatigen und sexuellen Ubergriffe waren intern bekannt, ohne dass daraus Konsequenzen gezogen worden waren. Es fallt der Name Georg Ratzinger, aber auch – auf Nachfrage – jener der Domspatzen-Ikone Theobald Schrems.

Fur die Zeit zwischen 1945 und 1992 liegen Weber 231 konkrete Meldungen korperlicher Gewalt vor – der Gro?teil davon an der Domspatzen-Vorschule in Etterzhausen/ Pielenhofen. Es gibt uber 40 Beschuldigte. Allerdings geht Weber nach seinen bisher 70 Gesprachen mit Betroffenen von einer weitaus hoheren Zahl aus.

„Es zeichnet sich ab, dass rund 30 Prozent der Schuler in Etterzhausen bis 1992 von korperlicher Gewalt betroffen waren.“

Zehn Mal so viele Betroffene wie bislang eingeraumt

Das waren mehr als 700 Kinder und Jugendliche – zehn Mal mehr Betroffene, als das Bistum selbst bislang eingeraumt hat. Er habe keinen Grund an den Schilderungen der Opfer zu zweifeln, so Weber. In seinem Zwischenbericht (hier als PDF) hei?t es wortlich:

„Die Misshandlungsfalle beziehen sich unter anderem auf Prugelattacken bis zum ‚blutig Schlagen‘, Schlagen mit Stock oder diversen Gegenstanden wie Siegelring oder Schlusselbund, Flussigkeitsentzug und Zurschaustellung von Bettnassern, Zwang zur Essensaufnahme oder Verweigerung von Nahrung.“

Der Stiftungsvorstand der Domspatzen, dem damals auch Georg Ratzinger angehorte, wusste von diesem Gewaltregime, das im Wesentlichen unter Schuldirektor Johann Meier herrschte. Das geht unter anderem aus einem Schreiben aus dem Jahr 1975 hervor, in dem der Vorstand Meier mitteilt, dass Prugel und uberma?ige Gewalt nicht mehr geduldet wurden. Meier ignorierte diese Anweisung nicht nur. Er gab dem Vorstand gar zu verstehen, dass das Domspatzen-Gymnasium in Regensburg sich an Etterzhausen zu orientieren habe und nicht umgekehrt. Konsequenzen hatte dies fur Meier ebensowenig wie ein zwolf Jahre spater zusammengestelltes Dossier, das erhebliche Vorwurfe gegen den Schuldirektor auffuhrte. Er blieb bis zu seinem Tod ein hochgeachtetes Mitglied der Domspatzen-Familie.

Ulrich Weber: „Ich habe keinen Grund, an den Schilderungen der Betroffenen zu zweifeln.“ Foto: Werner

Uber 60 Betroffene sexuellen Missbrauchs in Etterzhausen und Regensburg haben sich bislang bei Weber gemeldet. Es gibt 14 Beschuldigte.

„Die Bandbreite der sexuellen Ubergriffe reicht nach Aussage der Opfer von Streicheln bis hin zur Vergewaltigung.“

Auch hier geht der Rechtsanwalt von einer hoheren Dunkelziffer aus. Eine konkrete Einschatzung sei allerdings bisher nicht moglich, weil uber das Erfahrene – im Gegensatz zu korperlicher Gewalt – untereinander gro?tenteils nicht kommuniziert worden sei, so Weber. Ein Gro?teil der Taten konzentriert sich Weber zufolge auf den Zeitraum bis zu den 70er Jahren, doch aus den 90ern und 2000ern gebe es Falle.

Vorgange waren bekannt und fuhrten zu keinen Konsequenzen

Der Umgang der Verantwortlichen bei Domspatzen und Bistum ist – das kann man mehreren Beispielen, die Weber in seinem Bericht auffuhrt, entnehmen – von Schweigen und Untatigkeit gepragt. Webers Fazit:

„Die Vorgange waren sowohl intern bekannt als auch kritisiert, fuhrten aber praktisch nicht zu personellen Konsequenzen oder gar strukturellen Umbauten. Hier stellt sich ganz klar die Frage nach Strukturen und deren Mangel. Diese zu beurteilen und Handlungsempfehlungen zu geben, wird allerdings erst zum Ende der Untersuchung moglich sein.“

Namen er aktuell Verantwortlichen fur das Verschweigen und Kleinreden der Taten – allen voran Kardinal Gerhard Ludwig Muller und den nach wie vor im Amt befindliche Pressesprecher Clemens Neck, der hierbei eine tragende Rolle spielte – nennt Weber am Freitag nicht. Bei der Pressekonferenz ist auch niemand von ihnen anwesend. Lediglich Domchor-Manager Christof Hartmann hat sich unter die zahlreich vertretenen Journalisten gemischt.

Als nachsten Schritt kundigt Weber nun die Einrichtung eines Kuratoriums an, dem sechs Betroffene auf der einen sowie Bischof Rudolf Voderholzer, vier Mitglieder des Stiftungsvorstandes der Domspatzen und Generalvikar Michael Fuchs angehoren sollen. Vom Bistum gab es zu dem Zwischenbericht bislang keine Stellungnahme.

Rolle der Ratzingers schon langer bekannt

Die Rolle und das Wissen der Gebruder Ratzinger wurde von der Betroffeneninitiative intern-at ubrigens schon vor langer Zeit besprochen. Bislang habe sich aber kaum jemand darauf bezogen, sagt Sprecher Michael Sieber unserer Redaktion.

 

 

 

 

 




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