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Jeder Dritte Domspatz Musste Dran Glauben

Deutsche Welle
January 9, 2016

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Der damalige Papst Benedikt und sein Bruder Georg Ratzinger bei einem Besuch der Domspatzen 2005 in Rom

Bei den Regensburger Domspatzen haben Priester und Lehrer uber Jahrzehnte mindestens 231 Kinder geschlagen, gequalt oder sexuell missbraucht. Das gab der Rechtsanwalt Ulrich Weber bekannt, der von der katholischen Kirche und dem weltberuhmten Chor mit der Aufklarung des Skandals betraut wurde. Die in seinem Zwischenbericht genannte Zahl der Misshandlungsfalle ist wesentlich gro?er als bisher angenommen. Weber geht davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich hoher liegt. Er rechnet damit, dass etwa jeder Dritte der rund 2100 Schuler der "Spatzen" zwischen 1953 bis 1992 unter korperlicher Gewalt litt.

Mit der Aufklarung betraut: Rechtsanwalt Ulrich Weber

Weber sprach seit Mai 2015 mit zahlreichen Opfern, Verantwortlichen und dem Missbrauchsbeauftragten des Bistums Regensburg. Zudem hatte er Einblick in die Geheimarchive, Personalakten des Bistums sowie die personlichen Notizen des Generalvikars. Nach seinen Recherchen wurden 50 der 231 bislang ermittelten misshandelten Kinder auch Opfer sexueller Gewalt. "Die sexuellen Ubergriffe reichten von Streicheln bis zu Vergewaltigungen." Viele Kinder hatten von Prugeln, blutigen Schlagen mit Rohrstock, Schlusselbund oder Siegelringen berichtet. "Bettnassern wurde die Flussigkeitsaufnahme verweigert", erlauterte Weber. Zudem seien Mitschuler bei Ermittlungen zu Falschaussagen gedrangt worden.

Ubergriffe ohne jede personellen Konsequenzen

Strafrechtlich sind die allermeisten Taten verjahrt. Die Ubergriffe waren intern bekannt, fuhrten nach Angaben von Weber aber nicht zu personellen Konsequenzen oder strukturellen Veranderungen in der Vorschule des Chores. Auch der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Georg Ratzinger, der den Chor von 1964 bis 1994 geleitet hatte, durfte laut Weber von den Vorgangen gewusst haben: "Davon muss ich nach meinen Recherchen ausgehen."

Vermutlich Mitwisser: Georg Ratzinger (Foto von 1989)

Georg Ratzinger hatte in einem fruheren Interview der "Passauer Neuen Presse" vor fast sechs Jahren eingeraumt, bis Ende der 1970er Jahre selbst hin und wieder Ohrfeigen verteilt zu haben. Zur Begrundung seiner damaligen Verhaltensweise hatte er gesagt: "Fruher waren Ohrfeigen einfach die Reaktionsweise auf Verfehlungen oder bewusste Leistungsverweigerung." Doch sei er froh gewesen, als zu Anfang der 1980er Jahre korperliche Zuchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurden: "Daran habe ich mich striktissime gehalten, und ich war innerlich erleichtert." Ratzinger beteuerte in dem Interview zugleich, dass er von den bekannt gewordenen Fallen sexuellen Missbrauchs bei den Domspatzen nichts gewusst habe - auch nicht geruchteweise.

Im vergangenen Februar hatte das Bistum Regensburg noch mitgeteilt, dass Berichte von 72 fruheren Domspatzen aus den Jahren 1953 bis 1992 vorlagen. Bischof Rudolf Voderholzer hatte erklart, die Straftaten anzuerkennen und den Opfern ein Schmerzensgeld in Hohe von jeweils 2500 Euro zu zahlen. Weber betonte, dass die jetzige Zusammenarbeit mit dem Bistum konstruktiv und zielfuhrend sei.

Gesprachsbedarf halt an

Wie geht es nun weiter? Anfang Februar tritt ein Beratungskuratorium zusammen, das den Rechtsanwalt unterstutzen soll. Ihm gehoren sechs Opfervertreter, zwei Mediatoren, vier Mitglieder des Domspatzen-Stiftungsvorstands, Bischof Voderholzer sowie Generalvikar Michael Fuchs an. Wann Weber seinen Abschlussbericht vorlegt, hangt davon ab, wie viele Opfer noch mit ihm reden wollen. Allein seit Montag, als er seine Pressekonferenz ankundigte, haben drei weitere Betroffene Gesprachsbedarf bei ihm angemeldet.

Die Regensburger Domspatzen sind Deutschlands altester Knabenchor. Sie blicken auf eine mehr als 1000-jahrige Geschichte zuruck. Seit 1994 leitet der Nicht-Geistliche Roland Buchner den Chor, der aus Knaben und jungen Mannern besteht. Zu den Domspatzen gehoren auch Schule und Internat.

 

 

 

 

 




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