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Die Offenbarung des Ulrich Weber

By Martin Stein
Regensburg Digital
January 10, 2016

http://www.regensburg-digital.de/die-offenbarung-des-ulrich-weber/10012016/


Hochglanz-Magazin des Bistums Regensburg zum Abschied von Gerhard Ludwig Müller nach Rom.

Werbung für die Domstadt mit den Domspatzen. Foto: Regensburg Tourismus GmbH

Dankesadresse der Kirchenbrauerei Bischofshof an Gerhard Ludwig Müller.

Festbankett mit Promis anlässlich Müllers Ernennung zum Kardinal.

[The revelation of Ulrich Weber]

Wie um Gottes Willen konnte das Einsetzen eines unabhängigen Aufklärers zu unabhängiger Aufklärung führen? Da wird der Messwein im Kelch sauer. Wie konnte es zu diesem Fehler kommen und was bleiben dem Bistum nun für Optionen?

Die Pressekonferenz des Ulrich Weber zu den Missbrauchsfällen unter den Regensburger Domspatzen stellt eine Zäsur in der deutschen Kirchengeschichte dar, einen Paukenschlag, einen Donnerhall, der hallt und hallt und immer noch hallt und noch lange hallen wird, und der in der Regensburger Diözese vor allem eine Frage aufwerfen wird, diese eine, einzige fragenswerte Frage: Wie, um Gottes Willen, konnte das Einsetzen eines unabhängigen Aufklärers dazu führen, dass unabhängig aufgeklärt wird?

So richtig mit Ergebnissen?
Unangenehmen Ergebnissen?

Wo doch im Zusammenhang mit kirchlichen Untersuchungen die Bezeichnung „unangenehmes Ergebnis“ sprachlich schon zu den Tautologien zählt.

Und dann hält dieser Weber da eine Pressekonferenz, und – Herr im Himmel. 700 Missbrauchsopfer! Erst mal! Da wird doch der Messwein im Kelch sauer. Damit konnte doch nun echt keiner rechnen! So viele. Und, vor allem, dass dieser Weber das dann auch noch erzählt.

Gleich jemanden zu engagieren, der dann am Ende was sagt! Wie kann das sein?

Dieses beispiellose Vorkommnis versetzt das Bistum in Aufruhr. Wie konnte es so weit kommen? Was ist aus der sorgfältigen und umsichtigen Personalauswahl geworden, wenn es um die Besetzung unabhängiger Aufklärerstellen geht? Gut, man konnte zwar bei allem Optimismus nicht davon ausgehen, wieder jemanden wie Geedo Paprotta aufzutreiben, jenen Anwalt aus Neumarkt, der mit seinen John-Wayne-Nerven und den grundsätzlichen Pistolero-Qualitäten warb, und von dem man sich ohne Weiteres vorstellen könnte, dass er sogar Erin Brockovich weinend nach Hause schickt.

Aber gleich jemanden zu nehmen, der dann am Ende was sagt! Auf einer Pressekonferenz! So mit Inhalt und allem drum und dran! Wo es doch gereicht hätte, im klassischen Grisham-Kontrapost hinter dem Bischof zu stehen und dessen Worthülsenergüsse feinbezwirnt zu dekorieren!

„Unsere Gebete sind bei … wir werden alles in unserer Macht stehende tun … bedauerliche Einzelfälle … schonungslose Offenheit … Geld kann kein Ausgleich für das erlittene Leid sein.“

So hätte das laufen können. Aber nein.

Was ist nur aus dieser Stadt geworden, dieser Papststadt, dieser Stadt des Kurt Krenn und des Gerhard Ludwig Müller! Krenn, der die päpstliche Unfehlbarkeit ganz problemlos auf seinen eigenen Dienstgrad herunterargumentieren konnte und sich später auch durch die Lawine an pornographischen Widerwärtigkeiten, die seine Pöltener Priesterazubis zu verantworten hatten, keinen Millimeter Selbstkritik hatte abringen lassen!

Müller, den seine legendär selbstgerechte Regensburger Regentschaft bis auf den Schlüsselposten der katholischen Realitätsbekämpfung gebracht hat! Und jetzt dieser Rudolf Voderholzer, der sich zwar ebenfalls nie in den Verdacht der Sünde allzu großer Toleranz gebracht hat, aber jetzt im Zuge des Domspatzen-Skandals auf der Suche nach einem Aufklärer war und dabei ausgerechnet jemanden gefunden hat, der dann tatsächlich was gefunden hat. Was ist da nur passiert?

Das Volk will glückliche Sakral-Heintjes!

Blauäugigkeit? Ein Versehen? Hat eine Sekretärin geschlampt? Gab es einen Namensdreher? Eine schlichte Verwechslung? Vielleicht wollte man einen ganz anderen Rechtsanwalt Weber anrufen und ist im Telefonbuch eine Zeile verrutscht? Schließlich gab es nicht den geringsten Grund, wirklich irgendwas auch nur irgendwie auf den Grund zu gehen.

Die Domspatzen sind weltweit angesehen, und junge Burschen mit schönen Stimmen passen nicht in einen Kontext aus Prügel und Vergewaltigung. Unschuld und Reinheit sind die übergeordneten Assoziationen, das ultimative Emotional-Sales-Argument, und so soll das auch bleiben. Glückliche Sakral-Heintjes will das Volk haben.

Und selbst wenn das als Vertuschungsgrund nicht reichen sollte: Der Dunstkreis der Ratzinger-Brüder, gar mit einer eventuellen Schuldhaftigkeit verbunden, müsste doch wirklich ein umfassendes Silentium allenthalben motivieren. Und was dann noch an Restskandal bleibt? Ein ARD-Film. Na ja. Nicht schön, aber beherrschbar.

„Unsere Gebete sind bei … wir werden alles in unserer Macht stehende tun … bedauerliche Einzelfälle … schonungslose Offenheit … Geld kann kein Ausgleich für das erlittene Leid sein.“

Als hätten die paar Jahrzehnte bösartiger Gerüchte eine echte Gefahr bedeutet. Schließlich stehen dagegen auch Jahrzehnte überaus erfolgreicher Wahrheitsunterdrückung. Damit hätte man doch noch ewig weitermachen können.

Entschädigungssummen, die nicht mehr aus dem Opferstock bezahlt werden können

Gut, auch so manche grundfromme Frau aus dem Landkreis hat dann doch dem heiligen Josephus Immaculatus ein Kerzlein gestiftet, nachdem sich glücklicherweise herausgestellt hatte, dass der Sohn keine schöne Gesangsstimme hat. Und auch die Aussage des ausschließlich Jungen zeugenden, sehr musischen Vaters ist mir noch gut in Erinnerung, wonach er, selbst wenn ihm ein halbes Dutzend Buben gelängen, keinen einzigen davon in die Obhut der Domspatzen geben würde. Was halt so geredet wird.

Aber was jetzt nach der Weber-Pressekonferenz passiert, weiß man eben nicht genau. Das Ansehen der katholischen Kirche könnte Schaden nehmen. Oder, noch schlimmer, es könnte Geld kosten. Nun hatte Bischof Voderholzer ja schon voriges Jahr ein großzügiges Schmerzensgeld von pauschal 2.500 Euro angeboten – ein Betrag, anhand dessen sich mancher junge Mann gewünscht hätte, selbst auch ein paar Jahre lang von seinen Erziehern verdroschen und befingert worden zu sein – wenn sich sowas finanziell derart rentiert! Bei den exorbitant steigenden Opferzahlen kristallisieren sich nun natürlich auch Entschädigungssummen heraus, die nicht mehr so ohne weiteres dem Opferstock entnommen werden können. Da muss gegengesteuert werden.

„Aufklärung“ ist ein sehr, sehr schmutziges Wort

Liturgische Sofortmaßnahmen werden ergriffen: Bis auf Widerruf drehen sich die Predigten thematisch um das erste Buch Mose, 9, 20-27, den ultimativen Petzen-ist-scheiße-Vers:

„Noah wurde der erste Ackerbauer und pflanzte einen Weinberg, Er trank von dem Wein, wurde betrunken und lag entblößt in seinem Zelt. Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und erzählte davon draußen seinen Brüdern. (…) Als Noah aus seinem Rausch erwachte und erfuhr, was ihm sein zweiter Sohn angetan hatte, sagte er: Verflucht sei Kanaan. Der niedrigste Knecht sei er unter seinen Brüdern.“

In der darauffolgenden Predigt wird dann aus verschiedenen Blickwinkeln und unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte theologisch einwandfrei dargelegt, weshalb erst durch das Erzählen aus Schweinkram Schweinkram wird und dass der Erzähler in jedem Falle, egal, worum es geht, samt aller ihm nachfolgenden Generationen der Verdammnis zu überantworten sei. Außerdem: „Aufklärung“ ist tatsächlich ein sehr, sehr schmutziges Wort.

Andreas Englisch rechnet jeden Augenblick mit dem Erleiden einer Epiphanie

Aber das Geschehene ist nun nicht mehr ungeschehen zu machen. Wahrscheinlich zumindest. Versuchen kann man es ja dennoch. Schließlich weiß die katholische Kirche am Besten, dass Historizität ein dehnbarer Begriff ist. Vergangenheit ist wie Kalbsbries: entscheidend ist die Zubereitung.

Die Krisenstäbe tagen jedenfalls. Andreas Englisch rechnet jeden Augenblick mit dem Erleiden einer Epiphanie. Ihn fröstelt bereits. Die Diözesanregierung hat alle Entscheidungsträger, Multiplikatoren, Spin-Doktoren und sonstigen Strippenzieher zum Arbeitsessen geladen. Das Catering übernimmt die Thurn-und Taxissche Reichenspeisung. Angesichts der ernsten Situation wird mit mindestens zwölf Gängen gerechnet.

 




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