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Bistum Relativiert Ratzinger-aussage

BR
January 13, 2016

http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/inhalt/regensburger-domspatzen-missbrauch-reaktionen-100.html

Im Zusammenhang mit dem Misshandlungs- und Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen versucht das Bistum Regensburg, den in die Kritik geratenen fruheren Domkapellmeister Georg Ratzinger aus der Schusslinie zu nehmen.

Ratzinger habe auf Nachfrage erklart, es sei richtig, alle Beschuldigungen ruckhaltlos aufzuklaren. Das teilte am Dienstagabend (12.01.16) der Sprecher der Diozese Regensburg, Clemens Neck, dem Bayerischen Rundfunk mit. Ratzinger sei mit dem Vorgehen des Bistums Regensburg uneingeschrankt einverstanden und er begru?e es, dass diese Aufgabe einem Rechtsanwalt ubertragen sei, der unabhangig vom Bistum vorgehe.

Ratzinger sprach von "Irrsinn"

zum Artikel Ein Kommentar: Nur Transparenz kann die Domspatzen retten

Bistumssprecher Neck sagte weiter, der 91 Jahre alte Ratzinger sei gesundheitlich angeschlagen. Damit relativiert das Bistum Regensburg Aussagen, die der Bruder von Papst Benedikt am Dienstagmorgen im Gesprach mit dem BR gemacht hatte. Georg Ratzinger hatte hier von einer "Kampagne" gesprochen. Wortlich hatte er gesagt:

"Diese Kampagne ist fur mich ein Irrsinn. Es ist einfach Irrsinn, wie man uber 40 Jahre hinweg uberprufen will, wie viele Ohrfeigen bei uns verteilt worden sind, so wie in anderen Einrichtungen auch."

Georg Ratzinger, 91

Eine kritische Bewertung kommt von Ratzingers Nachfolger, dem heutigen Domkapellmeister Roland Buchner: Die Misshandlungsvorwurfe seien seit Ende 80er-Jahre bekannt gewesen. Das damalige Fuhrungspersonal bei den Domspatzen sei blauaugig gewesen und hatte reagieren mussen.

20 neue Opfer melden sich

Ulrich Weber bei der Pressekonferenz.

Seitdem der mit der Klarung der Vorfalle beauftragte Rechtsanwalt Ulrich Weber einen Zwischenbericht uber Misshandlungs- und Missbrauchsfalle vorgelegt hat, haben sich knapp 20 weitere ehemalige Domspatzen bei ihm gemeldet. "Die neuen Opfer bestatigen die bisherigen Einschatzungen der Gesprachspartner", sagt Ulrich Weber. Er sprach am Freitag von 231 misshandelten Buben und 62 Opfern sexuellen Missbrauchs, aber auch von einer weit hoheren Dunkelziffer an Fallen. Weber stellt seine Zwischenberichte genau aus diesem Grund offentlich vor: Er will ehemalige Opfer von sexuellem Missbrauch und korperlicher Gewalt ermutigen, sich bei ihm zu melden. Die Reaktionen auf seinen Zwischenbericht seien sehr anerkennend gewesen, so Weber. Wann er einen Schlussstrich zieht und seinen Bericht als vollstandig erachtet, entscheidet er.

Ratzinger: "Ohrfeigen ja - Missbrauch nein"

Weber war von Bistum und Chor mit der Klarung des Skandals beauftragt worden. "Die sexuellen Ubergriffe reichten von Streicheln bis zu Vergewaltigungen", so der Anwalt. Weber geht davon aus, dass Georg Ratzinger von den Vorgangen gewusst hatte. Er habe zumindest im Jahr 1987 von Gewalt in der Vorschule erfahren. Der Anwalt betonte zudem, selbst wenn man die Prugel im zeitlichen Kontext der damaligen Erziehung sehe, zeige sich eine "grobe Unverhaltnisma?igkeit". Georg Ratzinger leitete die Regensburger Domspatzen von 1964 bis 1994. In jene Zeitspanne fielen die weitaus meisten Falle von Misshandlung im Chor. Der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI. sagte, er habe von "sexuellen Missbrauchen uberhaupt nichts gehort". Prugel seien damals dagegen ublich gewesen.

Forderung nach personellen Konsequenzen in der Diozese

Generalvikar Michael Fuchs

Derweil forderte Fritz Wallner, der stellvertretende Vorsitzende der kirchenkritischen Laienverantwortung Regensburg, personelle Konsequenzen, insbesondere den Rucktritt von Generalvikar Michael Fuchs. Der Grund: Fuchs stehe - obwohl er Anwalt Weber zum Sonderermittler berufen hatte - in besonderer Weise fur das "System Muller" in der Diozese Regensburg und trage als Vertreter des fruheren Bischofs "Mitverantwortung dafur, dass die Aufklarung der Missbrauchsfalle uber Jahre hinweg verzogert oder sogar verhindert" wurde. Wallner bezeichnete es in einem Brief, den er an mehrere Medien verschickte, "geradezu als Hohn", dass Fuchs einem Beratungskuratorium angehoren soll, das ab Februar Weber unterstutzend zu Seite steht.

"Ich will von den Domspatzen Schaden abwenden. Wenn man die Chronologie verfolgt, sieht man, dass immer von der Diozesanleitung verzogert, verharmlost, verniedlicht worden ist. Es muss klar sein, wer fur diese Handhabung wirklich die Verantwortung tragt."

Fritz Wallner, stellvertretender Vorsitzende der kirchenkritischen Laienverantwortung Regensburg

Clemens Neck, Sprecher Bistum Regensburg

Der Verein "Freunde des Regensburger Domchores" steht dagegen hinter Michael Fuchs. Der Vereinsvorsitzende Marcus Weigl hat keinen Zweifel am Aufklarungswillen des Generalvikars. Er habe den Eindruck, dass eine transparente Aufarbeitung in der Bistumsleitung unbedingt gewollt sei, so erlebe er den Generalvikar in Gesprachen. Aus der Diozesanverwaltung gibt es keine Reaktion auf die Rucktrittsforderung gegen den Generalvikar. Stattdessen Lob von Bistumssprecher Clemens Neck fur den Sonderermittler.

Stiftungsvorstand entsetzt

Auf Webers Zwischenbericht hatte der Vorstand der Domspatzen besturzt reagiert. Jeder einzelne Fall beruhre die Mitglieder des Gremiums "im Innersten" und mache sprachlos, sagte Roland Buchner, Chorleiter und Vorstand der Regensburger Domspatzen. Der Vorstand wiederholte deshalb auch "in tiefer Erschutterung und Scham" seine Entschuldigung "gegenuber allen Opfern von Missbrauchen und Misshandlungen in Einrichtungen der Domspatzen".

Zugleich gab es seitens des Stiftungsvorstands Lob fur Rechtsanwalt Weber. Man sei "froh und dankbar", dass er mit seiner Arbeit offenbar gut vorankomme und auch von den Opfern als Gesprachspartner akzeptiert werde. Seitens der Stiftung wolle man ihn auch kunftig in allen Belangen vorbehaltlos unterstutzen. Es sei wichtig, "dass er den eingeschlagenen Weg weiterhin unabhangig und transparent gehen" konne.

 

 

 

 

 




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