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Missbrauch Bei Den Domspatzen: Demutigende Aussagen

By Sebastian Kaiser
Badische Zeitung
January 20, 2016

http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/missbrauch-bei-den-domspatzen-demuetigende-aussagen--116350291.html

Erneut wird die katholische Kirche von Berichten uber Falle von sexuellem Missbrauch erschuttert. Zwischen 1953 und 1992 sollen bei den Domspatzen des Bistums Regensburg mindestens 62 Jungen sexuell missbraucht und 231 misshandelt worden sein – die Dunkelziffer durfte weitaus hoher liegen. Wieder findet die Aufarbeitung der Falle erst Jahrzehnte spater statt, wieder sind die Taten langst verjahrt. Noch immer stehen der Aufarbeitung von Missbrauchsfallen innerhalb der katholischen Kirche vielerorts verkrustete Strukturen im Weg.

Regensburg ist ein gutes Beispiel dafur, dass in Einrichtungen der katholischen Kirche uber Jahrzehnte hinweg sexueller Missbrauch und Misshandlungen geschehen konnten und Taten lange Zeit vertuscht wurden – ohne dass die Verantwortlichen eingegriffen hatten. Es drangt sich der Eindruck auf, dass dies auch mit den handelnden Personen vor Ort zusammenhangt. Der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard-Ludwig Muller, der heute die Glaubenskongregation in Rom leitet, hat zu Beginn des Missbrauchsskandals 2010 zum Ausdruck gebracht, dass er die Medienberichte fur eine Kampagne gegen die Kirche halte. Lange Zeit ging unter Muller so gut wie nichts in Sachen Aufklarung – gleichwohl die Bistumsspitze daruber im Bilde gewesen sein durfte, was da bei den Domspatzen abgelaufen ist. Georg Ratzinger, der 92-jahrige Bruder von Papst Benedikt, der von 1964 bis 1994 die Domspatzen leitete, hat die Taten jahrelang verharmlost. Von Missbrauchsfallen will er nichts gewusst haben – gleichzeitig wird er selbst von Opfern bezichtigt, Misshandlungen geduldet und brutal zugeschlagen zu haben.

Von Kirchenvertretern, die mit demutigenden Aussagen von sich Reden machen, anstatt aktiv zur Aufklarung beizutragen, ist mit Empathie fur die Opfer kaum zu rechnen. Ahnlich verhalt es sich mit dem veroffentlichten Zwischenbericht. Dass die Verantwortlichen nun, da das wahre Ausma? der Taten ans Licht kommt, die Ergebnisse zunachst nicht kommentieren mochten, ist unverstandlich. Vor allem aus Sicht der Opfer, darunter auch derjenigen, die noch nicht dazu bereit sind, sich zu Wort zu melden.

Nach wie vor tut sich die katholische Kirche bei der Aufarbeitung schwer. Gleichwohl sich einiges getan hat, seit der Missbrauchskandal bekannt wurde und zahlreiche Glaubige der Kirche den Rucken kehrten: Zum zweiten Mal versucht sich die Deutsche Bischofskonferenz an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfalle, nachdem ein erster Versuch nach dem Ausstieg des Kriminologen Christian Pfeiffer 2013 krachend gescheitert war. Auch hat die katholische Kirche ihre Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch verscharft. Das alles geht in die richtige Richtung – auch in Regensburg ist eine unabhangige Untersuchung von der Kirche selbst in Auftrag gegeben worden – wenn auch viel zu spat. Dennoch ware mehr Transparenz dringend notwendig.

Vorgange wie die in Regensburg nahren den Verdacht, dass das Wesen der katholischen Kirche einer kompromisslosen Aufarbeitung noch immer im Wege steht. Nach wie vor ist sie zu sehr in alten Hierarchien verhaftet. Einige Bischofe und Kardinale konnen sich noch immer nicht von der Vorstellung verabschieden, die Kirche von au?eren Einflussen abschirmen zu mussen – auch um Funktionstrager zu schutzen. In den Bistumern der USA hat man sich zu einer Null-Toleranz-Politik gegen Missbrauchstater durchgerungen. Papst Franziskus unterstutzt diese Linie. Das ist folgerichtig. Auch die Kirche in Deutschland tate gut daran, Tater ohne Wenn und Aber aus dem Dienst der Kirche zu entlassen. Nicht nur Sexualstraftater, sondern auch andere Gewalttater. Kein Beschuldigter sollte sich sicher fuhlen durfen. Auch nicht der Bruder von Papst Benedikt.

 

 

 

 

 




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