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Missbrauch Im Bistum Osnabruck: Opfer Erhalten 66.000 Euro

NOZ
January 20, 2016

http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/659670/missbrauch-im-bistum-osnabruck-opfer-erhalten-66-000-euro#gallery&0&0&659670

Osnabruck. Die Bistumer in Deutschland haben in den vergangenen funf Jahren mehr als 6,4 Millionen Euro an Opfer sexuellen Missbrauchs gezahlt. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion unter den 27 Diozesen. Die Summe wurde an mehr als 1000 Antragssteller ausgezahlt, die sich zwecks Anerkennung des erlittenen Leides an die katholische Kirche gewandt hatten.

Seit 2011 konnen Opfer sexuellen Missbrauchs bei der katholischen Kirche einen Antrag auf Anerkennung des Leides stellen. Mehr als 1000 Antrage sind seitdem bei den Bistumern eingegangen.

Die Bistumer haben in den vergangenen Jahren 6,4 Millionen Euro an Betroffene ausgeschuttet. Die Summe beinhaltet auch Kosten fur psychologische Betreuung.

Die Zahl der Beschuldigten Geistlichen oder Laien liegt bei weit mehr als 800. Nicht alle Bistumer machen dazu Angaben. Die Taten sind in aller Regel verjahrt.

Es ist mittlerweile sechs Jahre her, als eine gro?e Debatte in Deutschland uber sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener in staatlichen Einrichtungen wie Heimen und Internaten, in Sportvereinen aber auch in der Kirche losbrach. Uberall dort, wo Kinder in der Obhut Erwachsener waren. In vielen Fallen entwickelte sich diese Obhut zu einem Ausgeliefertsein.

In ungeahnter Dimension meldeten sich Opfer zu Wort, deren Missbrauchserfahrungen zum Teil Jahrzehnte zurucklagen. Besonders im Fokus stand damals die katholische Kirche.



„Bei den Opfern ist ein unausloschlicher Schaden entstanden“, sagt Heinrich Silies. Als Missbrauchsbeauftragter im Bistum Osnabruck ist der Domdechant erster Ansprechpartner fur Betroffene. Die Verbrechen lagen zwar zum Teil Jahrzehnte zuruck, die Traumata sa?en aber tief, so Silies. Nichts sei vergessen, hochstens verdrangt. Das bestatigt auch Bianca Biewer, Bundesgeschaftsfuhrerin beim Wei?en Ring: Die Folgen von Missbrauch bestimmten „nicht selten den gesamten Lebensverlauf“. (Weiterlesen: Missbrauch: Schreie verhallten an den Klostermauern)

14-seitiger Antrag

Im Marz 2011 verstandigten sich die Bistumer in Deutschland fur ihren Zustandigkeitsbereich auf ein einheitliches Vorgehen: Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs durch Angehorige der katholischen Kirche zugefugt wurde, lautete das Ziel.

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Fortan sollten sich Betroffene an Beauftragte wie Silies wenden konnen und hier einen Antrag auf eben diese Anerkennung stellen. 14 Seiten umfasst so ein Antrag, der an die Deutsche Bischofskonferenz nach Bonn geschickt wird. Von hier kommt eine Empfehlung zuruck.

17 Antrage im Bistum Osnabruck

17 solcher Antrage sind seitdem im Bistum Osnabruck gestellt und 14 anerkannt worden. Die Opfer erhielten insgesamt 66.000 Euro. Im benachbarten aber deutlich gro?eren Bistum Munster sind 129 Antrage gestellt worden - so viel wie nirgends sonst. 122 wurden auch anerkannt und 862.000 Euro ausgezahlt. Zum Bistum Munster gehort das Offizialat Vechta in Niedersachsen. Bundesweit waren es mehr als 1000 Antrage, und knapp 6,4 Millionen Euro inklusive Therapiekosten wurden gezahlt. Fast jeder Antrag wird auch anerkannt.

„Es geht um die Geste“

Es sei keine Entschadigung im juristischen Sinne, betont Silies. In den allermeisten Fallen seien die Vorfalle verjahrt und die Beschuldigten verstorben. Gerechtigkeit im juristischen Sinne kann den Opfern also nie zu Teil werden. Ebenso wenig wie die Schuldfrage geklart werden wird. Bei den Geldzahlungen – in der Regel 5000 Euro – gehe es „mehr um die Geste als die Summe“, sagt der Missbrauchsbeauftragte. Leid lasse sich nicht entschadigen, argumentiert die katholische Kirche.

Nicht jede Kontaktaufnahme endet mit einem Antrag. Manche Opfer scheuen die Muhe oder konnen nach wie vor kaum uber das Erlebte sprechen. Andere sehen nach Aussage von Silies die Moglichkeit, an Geld zu kommen. „Zur Wahrheit gehort auch: Das Angebot der Kirche lockt auch Menschen an, die es ausnutzen wollen.“ Alle Angaben wurden daher auf ihre Plausibilitat hin uberpruft.

Zahl der Antrage rucklaufig

Die Zahl der Antrage sei zuletzt rucklaufig gewesen, sagt Silies. Fur gro?e Aufmerksamkeit sorgten Ende 2015 Falle aus dem Bistum Hildesheim. Zum einen wurde bekannt, dass der ehemalige Bischof Heinrich Maria Janssen Ende der 50er und Anfang der 60er einen Jungen regelma?ig sexuell missbraucht haben soll. Das Opfer stellte einen Antrag auf Anerkennung. Zum anderen brachte ein Fall aus dem Jahr 2010 um einen Priester den amtierenden Bischof Norbert Trelle in Erklarungsnot. (Weiterlesen: Kirche weist Vertuschungsvorwurf im Missbrauchsskandal zuruck)

Bundesweit mehr als 860 Beschuldigte

Bundesweit richten sich die Vorwurfe gegen mehr als 860 Amtstrager der Kirche. Mal waren es Priester, mal Laien im Dienst der Bistumer. Nicht alle Diozesen machen auf Nachfrage Angaben zur Anzahl der Beschuldigten. Nicht enthalten sind zudem Orden, die ebenfalls Anerkennung leisten und eigene Missbrauchsbeauftragte ernannt haben. (Weiterlesen: Sexueller Missbrauch: Osnabrucker verklagt Orden)

„Eine heile Welt zerstort worden“

Osnabrucks Missbrauchsbeauftragter Silies sagt, er habe sich nie vorstellen konnen, dass so etwas unter dem Dach der Kirche passieren konne. „In gewisser Weise ist fur mich eine heile Welt zerstort worden.“ Auch wenn er sich seit mehreren Jahren mit dem Thema befasst, kann sich der Domdechant bis heute nur schwer erklaren, wie der sexuelle Missbrauch durch Amtstrager der Kirche so lange geheim bleiben konnte. „Es galt in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft die Ma?gabe: Was nicht sein darf, ist auch nicht.“ Silies berichtet von Betroffenen, die von ihren Eltern mit Schlagen zum Schweigen gebracht worden seien, als sie sich mit ihren Erlebnissen anvertrauen wollten.

[bst, aber auch fur die Kirche seien die Erkenntnisse schmerzhaft gewesen, sagt Silies. „In gewisser Weise hatten sie aber auch eine heilsame Wirkung.“ Viele Bistumer verweisen beispielsweise auf umfangreiche Praventionsprogramme, fordern mittlerweile polizeiliche Fuhrungszeugnisse von Zeltlager-Begleitern. Man sei wachsamer geworden, sagt Missbrauchsbeauftragter Silies. Weil das, was nicht sein kann, eben doch hundertfach passiert ist. Dafur, dass es nicht mehr vorkomme, wolle er seine Hand aber nicht ins Feuer legen. – 17 Antrage: Missbrauch im Bistum Osnabruck: Opfer erhalten 66.000 Euro | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http:]

 

 

 

 

 




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