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Land hat Heimopfer „billigst abgespeist“

By Von Brigitte Warenski
Tiroler Tageszeitung
January 31, 2016

https://www.tt.com/politik/landespolitik/11057862-91/land-hat-heimopfer-billigst-abgespeist.csp

In Tirol und Vorarlberg haben seit Ende des 2. Weltkrieges rund 8000 Kinder in Landesheimen gelebt, rund 4000 in katholischen Einrichtungen.

[Country home abuse victims in Austria were fobbed off cheaply.]

Innsbruck, Wien – Am 13. März 2010 hatte ein Artikel in der Tiroler Tageszeitung für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Erstmals erzählte ein ehemaliges Tiroler Heimkind (Erwin Aschenwald) über exzessive Gewalt, Demütigungen und sexuellen Missbrauch an Mitzöglingen in der Bubenburg der Kapuziner. Erstmals gestand die Kirche ein, „im Umgang mit Anschuldigungen Fehler gemacht“ zu haben, so Manfred Scheuer, bis vor Kurzem Innsbrucker Diözesanbischof.

In den folgenden Jahren kamen immer mehr unfassbare Details über seelische und körperliche Gewalt in städtischen und Landesheimen sowie kirchlichen Institutionen von den 50er- bis in die 80er-Jahre an die Öffentlichkeit. Aber nicht nur in den Heimen, in die vor allem Kinder von ledigen Müttern und gesellschaftlichen Randgruppen zwangseingewiesen wurden, gab es österreichweit Tausende Opfer. Der Missbrauchsskandal machte in Tirol, wo die Heimdichte bundesweit am größten war, auch vor Vorzeigeeinrichtungen wie dem Paulinum in Schwaz nicht Halt.

Sechs Jahre später sind die Stimmen der Betroffenen deshalb nicht verstummt, weil der Missbrauchsskandal noch lange nicht aufgearbeitet ist. Gegen das Land Tirol laufen vier Klagen von Heimkindern auf Schadenersatz, Entscheidungen in diesen Verfahren stehen aus. Dass nicht mehr Betroffene vor Gericht gehen, „weil sich das Land hinter der Verjährung versteckt, wo es nur geht“, ist für Erwin Aschenwald nicht verwunderlich. „Nur die Missbrauchsopfer, bei denen gar nichts zu holen ist, können den Rechtsweg wagen, weil andere fürchten müssen, auf den gesamten Verfahrenskosten sitzen zu bleiben.“ Nicht hinnehmen will Aschenwald, dass das Land keine wissenschaftliche Arbeit über die Verantwortung der Jugendfürsorge (heute Jugendwohlfahrt) als Amtsvormund bei den Heimwegweisungen in Auftrag gegeben hat. Scharfe Kritik am Land gibt es auch von den Menschen, die sich im Verein „Ehemalige Heimkinder Österreich“ austauschen. Ein Opfer, das im Landeserziehungsheim St. Martin zwei Jahre geschlagen und genötigt wurde und ohne Lohn arbeiten musste, erhielt wie viele andere Missbrauchsopfer nur 1000 Euro Schmerzensgeld.

Die Vollwaisenrente, die der Frau zugestanden hätte, die entgangenen Versicherungszeiten und den Lohn hat das ehemalige Heimkind nie gesehen. Härter als das trifft sie aber der Umstand, dass die Opferschutzkommission des Landes „nicht einmal die Zeit gefunden hat, mich anzuhören“. Es gab nie eine Befragung oder ein Clearing-Gespräch über „Erlittenes“ im Heim. Es gab nur einmal ein einstündiges Telefonat mit einer Mitarbeiterin vom Land“, erzählt sie. Für Aschenwald, Informationsdrehscheibe für Bubenburg-Opfer, ist die Vorgangsweise des Landes unakzeptabel. „Man will es einfach nicht so genau wissen und hat sich nie für die Einzelfälle interessiert gezeigt. Die Stadt Innsbruck hat bei der Aufarbeitung von Beginn an viel mehr menschliche Größe gezeigt. Dort hat die Opferschutzkommission mit jedem Einzelnen ein Gespräch geführt.“ Aber auch die Höhe der Schmerzensgeldzahlungen stoßen dem Verein und Aschenwald sauer auf. „Die Heimkinder wurden billigst abgespeist. 2010 hat die Steuerungsgruppe des Landes, die abgesetzt wurde, eine Mindestentschädigung von 15.000 Euro empfohlen. Im Endeffekt mussten sich Opfer für jahrelang erlittenes Leid oft mit einigen hundert Euro zufriedengeben.“ Das Land habe sich „aus fachlichen Gründen dafür entschieden, ein persönliches Gespräch nicht vorzuschreiben, da nicht alle Betroffenen mit ihnen unbekannten Menschen über diese Erfahrungen sprechen wollen“, kontert die heute für das Thema zuständige Landesrätin Christine Baur (damals Gerhard Reheis). Zudem wurde laut Baur bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft eine Hotline eingerichtet und vom Land die wissenschaftliche Aufarbeitung der Vorkommnisse in den landeseigenen Heimen in Auftrag gegeben.




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