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Kindsmissbrauch durch Priester: Der «Ranger» wird zur Belastung für den Papst

By Dominik Straub
Aargauer Zeitung
March 2, 2016

http://www.aargauerzeitung.ch/ausland/kindsmissbrauch-durch-priester-der-ranger-wird-zur-belastung-fuer-den-papst-130101761

George Pell, Kardinal der katholischen Kirche aus Australien, musste einer Untersuchungskommission der australischen Regierung Auskunft zum Thema Kindesmissbrauch geben. Er war der Kommission per Video aus Rom zugeschaltet. Für den Papst wird er je länger je mehr zur Belastung.

Der von Franziskus vor zwei Jahren zum allmächtigen Finanzchef des Vatikans ernannte australische Kardinal George Pell wird von einem Missbrauchsskandal in seiner Heimat eingeholt. Im Kirchenstaat rumort es.

Der kräftig gebaute und einen rustikalen Umgangston pflegende Australier Pell wird im Vatikan von allen nur der "Ranger" genannt, auch vom Papst. Seit Februar 2014 ist der 74-jährige ehemalige Erzbischof von Sydney Präfekt des vatikanischen Wirtschaftsrats und damit Herr über die Finanzen und weltlichen Besitztümer des Kirchenstaats - einer der mächtigsten Männer im Vatikan.

Papst Franziskus hatte den theologisch dezidiert konservativen Pell, der auch Mitglied der päpstlichen Reformkommission ist, persönlich an die Spitze des neuen Gremiums gesetzt: Angesichts des desolaten Zustandes, in dem sich die vatikanischen Finanzen bei seinem Amtsantritt befanden, brauchte er einen unzimperlichen Mann fürs Grobe. Dafür schien der ehemalige College-Rugby-Spieler genau der Richtige zu sein.

Von der Vergangenheit eingeholt

Doch nun wird der "Ranger" von seiner Vergangenheit eingeholt. In der Nacht auf Montag musste Pell einer australischen Untersuchungskommission Red' und Antwort stehen, die sich mit dem massenhaften Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester befasst, der sich zwischen den Siebziger- und den Neunzigerjahren zum Teil in unmittelbarer Nähe des hohen australischen Prälaten abgespielt hatte.

Mit einem verurteilten Täter, der über hundert Kinder sexuell missbraucht hatte, hatte Pell sogar im gleichen Priesterseminar gelebt. Dem Kurienkardinal wird in seiner Heimat schon lange vorgeworfen, von den Vergewaltigungen gewusst, diese aber sowohl als Weihbischof von Melbourne als auch später als Erzbischof von Sydney nicht energisch genug verfolgt oder gar vertuscht zu haben.

«Schreckliche Fehler»

In der Befragung, die per Videoschaltung zwischen Rom und Melbourne erfolgte, räumte Pell ein, dass die Kirche Kindesmissbrauch jahrelang heruntergespielt und "schreckliche Fehler" begangen habe: "Ich bin nicht hier, um das Unhaltbare zu verteidigen", betonte Pell. Auch er selber habe damals "die starke Tendenz gehabt, eher einem Priester zu glauben, der die Taten bestritt, als dem Opfer, das ihn beschuldigte". Pell versicherte indessen, er habe selber nie von irgendwelchen konkreten Taten gehört und diese vertuscht. Stattdessen schob Pell die Schuld auf andere, etwa den Bischof von Ballart, Ronald Austin Mulkearns. Dieser sei "eine Katastrophe für die Kirche", betonte Pell.

Dass der damals höchste Geistliche Australiens trotz seiner Nähe zum Geschehen jahrzehntelang nichts Konkretes gewusst habe, wird ihm freilich je länger je weniger abgenommen, auch in Rom.

Schon im vergangenen Juni war es im Vatikan zu einem kleinen Eklat gekommen: Der Engländer Peter Saunders, Mitglied der von Franziskus eingesetzten vatikanischen Anti-Missbrauchs-Kommission und in seiner Kindheit ebenfalls Opfer eines pädophilen Priesters, hatte den australischen Kardinal frontal attackiert: "Pell spielt ein Spielchen mit der Kommission, aber vor allem mit allen Opfern. Deswegen müsste er vom Papst zurück nach Australien geschickt werden", forderte Saunders. Denn: "Wenn bezüglich sexuellem Missbrauch Nulltoleranz herrschen soll, dann muss sie für alle gelten." Saunders hat in der vatikanischen Missbrauchskommission vor wenigen Wochen aus Protest eine "Auszeit" angetreten.

Über eine halbe Million Euro Spesen

Kardinal Pell, der pädophile Priester zum Entsetzen der Opfer - und auch der Kurie - vor zwei Jahren mit LKW-Fahrern verglichen hatte, die Autostopperinnen belästigten, wird zunehmend zur Belastung für den Papst. Zum einen werden die Befragungen Pells durch die australische Untersuchungskommission noch die ganze Woche andauern. Zum anderen ist der "Ranger" auch anderweitig unter Beschuss. So war im Rahmen der "Vatileaks-2-Affäre" letztes Jahr aufgeflogen, dass der Australier, der für neues, transparentes und vor allem zurückhaltendes Finanzgebaren sorgen sollte, in den ersten sechs Monaten als neuer Wirtschaftspräfekt über eine halbe Million Euro an Spesen in Rechnung gestellt hatte, unter anderem für teure Business-Class-Flüge.




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