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Interview Mit Kardinal Muller Was Ist Im Islam Anders Als Im Christentum?

By Joachim Frank
Berliner Zeitung
March 2, 2016

http://www.berliner-zeitung.de/politik/interview-mit-kardinal-mueller-was-ist-im-islam-anders-als-im-christentum--23644526-seite3

Herr Kardinal, noch einmal zuruck zum Begriffspaar „Wahrheit und Freiheit“ im Hinblick auf die Kirche. Gerade lauft in den deutschen Kinos der fur sechs Oscars nominierte Film „Spotlight“ uber die Enthullung einer systematischen Vertuschung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Boston durch Journalisten des „Boston Globe“. In Deutschland jahrt sich die gro?e Erschutterung des Missbrauchsskandals zum funften Mal. Muss Ihr Pladoyer fur die befreiende Kraft der Wahrheit angesichts des kirchlichen Versagens vor dem Anspruch der Wahrheit nicht doppelzungig klingen?

„Die Kirche“, das sind mehr als eine Milliarde Glaubige, Hunderttausende Priester, Tausende Ordenschristen und Bischofe. Nicht die Gemeinschaft, sondern Individuen haben sich – und zwar nicht infolge ihres Amtes, sondern einer unreifen oder gestorten Personlichkeit – des Missbrauchs schuldig gemacht. Aber den allermeisten Geistlichen geschieht durch die Generalisierung bitteres Unrecht. Missbrauch gibt es im Ubrigen in allen Bereichen, wo Heranwachsende sind. Die Kriminalstatistik zeigt: Die meisten Tater kommen aus dem familiaren Umkreis. Es sind auch die Vater und andere Verwandte der Opfer. Daraus kann man jedoch nicht den Umkehrschluss ziehen: Die meisten Vater sind mogliche oder wirkliche Tater. Im Ubrigen habe ich Probleme mit dem leicht dahingesagten Vorwurf der „Vertuschung“.

Warum?

Vertuschen bedeutet meines Erachtens, die Ahndung eines als strafwurdig erkannten Tuns bewusst oder fahrlassig zu verhindern oder eine mogliche weitere Straftat nicht zu vereiteln. Nun wei? aber doch jeder, dass beim sexuellen Missbrauch der Wissensstand vergangener Jahrzehnte ein ganz anderer war als heute. Die Langzeitfolgen fur die Opfer waren damals leider nicht so im Blick, wie sie es heute - Gott sei Dank - sind. Und bei den Tatern ging man vielleicht etwas naiv davon aus, ihnen mit einer eindringlichen Ermahnung beikommen zu konnen. Heute sind die Humanwissenschaften viel differenzierter. Dementsprechend muss auch der Umgang mit Tatern und Opfern ein anderer sein. Entscheidend ist der Paradigmenwechsel, hinter den es kein Zuruck geben darf: Zuerst geht es um die Gerechtigkeit fur die Opfer, um ihr Leid und die Wiederherstellung ihrer Wurde. Entscheidend sind auch die von den Bischofskonferenzen beschlossenen Praventionsma?nahmen.

Hat die katholische Kirche die Krise gemeistert?

Die Glaubenskongregation, die fur Falle von sexuellem Missbrauch hier als Tribunal die zustandige Letzt-Instanz ist, hat seit ihrer Beauftragung mit hochster Verantwortung gehandelt. Gegen die Kritik von zwei Seiten (zu lax oder zu streng) halten sich unsere beiden gerichtlichen Instanzen an die vorgeschriebene Rechtsordnung. Nicht zuletzt zur Gewahrleistung eines fairen Verfahrens, in dem auch der Beschuldigte das Recht auf Gehor und Verteidigung hat. Hinter solche Prinzipien unserer Rechtskultur will wohl keiner zuruckfallen. Es gibt auch Personen, die zu Unrecht beschuldigt wurden, und die, wie sie berichten, eine Holle erlitten haben.

Die Opfer der zurecht Beschuldigten aber auch.

Ihr Leid ist entsetzlich. Aber dafur mussen die Schuldigen die Verantwortung tragen und nicht Unschuldige, nur weil sie ihnen verwandtschaftlich oder beruflich nahestehen.

Lesen Sie auf der nachsten Seite, warum der Kardinal als „Erzfeind“ von Papst Franziskus gilt.

 

 

 

 

 




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