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Der Lange Weg Zur Aufarbeitung

BR
March 10, 2016

http://www.br.de/nachrichten/missbrauch-regensburger-domspatzen-katholische-kirche-102.html

Als einer der gro?ten Missbrauchs- und Misshandlungsfalle in einer katholischen Einrichtung sind die Regensburger Domspatzen schon seit Jahren in den Schlagzeilen. Doch lange Jahre warteten Opfer vergebens auf Anerkennung des ihnen zugefugten Leids. Was macht die Aufarbeitung bei dem weltberuhmten Knabenchor so schwer?

"Er setzt sich ans Bett, flustert, um dir zu sagen, wie toll du seist. Und dann fasst er unter die Bettdecke, beruhrt dich, zieht dir die Schlafanzughose runter." Alexander Probst kann sich noch genau an den Prafekten W. im Internat der Domspatzen in Regensburg erinnern. Im Schuljahr 1970/71 kam der damals zehnjahrige Probst nach Regensburg. Zuvor hatte er schon zwei Jahre die Vorschule des Knabenchors in Etterzhausen vor den Toren der Stadt besucht.

Alexander Probst, ehemaliger Domspatz

Dort erlebte er wie viele andere Betroffene ein System der Gewalt und Misshandlung. Peter Schmitt, der Ende der 1960er Jahre in die Vorschule kam, spricht heute von der "schwarzen Padagogik" unter Schuldirektor Johann Meier.



"Ich selbst hatte damals ein Trauma, ein Schlusselerlebnis, was mich bis heute verfolgt: Dass ich gewurgt wurde und zwar so, dass ich gedacht habe, ich erlebe den nachsten Tag nicht."

Peter Schmitt

Einigung in Ettal, Regensburg hinkt hinterher

All das wurde bereits im Jahr 2010 offen diskutiert, als der Missbrauchsskandal die katholische Kirche in Deutschland erreichte. Auch im Ettaler Klosterinternat hatte es Missbrauchsfalle gegeben. Auch dort wurden die Betroffenen zunachst nicht anerkannt, aber im Fruhjahr 2011 kam dann doch der Durchbruch: Unter Vermittlung eines ehemaligen Verfassungsrichters und Mediatoren einigen sich Betroffene und das Kloster darauf, die Vorgange wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Auch ein Entschadigungsfonds wurde eingerichtet.

Alexander Probst kam als Achtjahriger zu den Domspatzen. Drei Jahre spater, misshandelt und missbraucht, nahm ihn sein Vater von der Schule | Bild: Foto privat

In Regensburg ging dagegen fur viele Betroffene erst mal nichts voran. Anfang 2015 nahmen TV-Dokumentationen dann Betroffene wie Alexander Probst in den Fokus. Ehemalige Domspatzen suchten in der Offentlichkeit nach Unterstutzung fur ihren Kampf um Anerkennung. Tatsachlich kam nun Bewegung in die Angelegenheit: Ende Februar 2015 verkundete das Bistum, dass 72 Misshandlungsopfer ermittelt worden seien. Zwei Monate spater prasentierten Bistum und Domspatzen den Rechtsanwalt Ulrich Weber als unabhangigen Sonderermittler.

Opfer wurden jahrelang nicht angehort

Das alles funf Jahre nach Bekanntwerden des Skandals - dabei hatten sich Alexander Probst und Peter Schmitt bereits 2010 an das Bistum gewandt, ohne dass ihnen ein Gesprach angeboten worden ware. Das andert sich nun:

"Auf einmal habe ich einen Anruf bekommen. Auf einmal habe ich auch ein Gesprach beim Bischof bekommen, nicht bei Bischof Muller, der damals meiner Meinung nach gar nicht zuganglich war. Ich kenne niemanden, der bei ihm ein Gesprach gehabt hat, und aber das hei?t nichts, vielleicht hat er eines gehabt, auf jeden Fall, die Art und Weise, wie man jetzt damit umgeht, empfinde ich anders, wesentlich anders und wesentlich offener."

Peter Schmitt

Keine Antworten aus Rom

Gerhard Ludwig Kardinal Muller, als Prafekt der Glaubenskongregation zustandig fur Aufarbeitung der Missbrauchsfalle in der katholischen Kirche

Mit Bischof Muller ist Gerhard Ludwig Kardinal Muller gemeint, Bischof in Regensburg von 2002 bis 2012. Muller, seit Juli 2012 Prafekt der Glaubenskongregation im Vatiken, ist nun an hochster Stelle auch fur die Aufarbeitung der Missbrauchsfalle in der romisch-katholischen Kirche verantwortlich. Doch uber die Regensburger Falle mochte er nicht sprechen.

"Seine Eminenz Kardinal Muller hat ihre Interviewanfrage erhalten, aber leider kann er wegen zahlreicher Verpflichtungen innerhalb und au?erhalb der Glaubenskongregation Ihrem Ersuchen nicht nachkommen."

E-Mail an den Bayerischen Rundfunk

Der Jesuitenpater Hans Zollner leitet das Kinderschutzzentrum an der Papstlichen Universitat Gregoriana und ist in der Papstlichen Kinderschutzkommission. Fur ihn gibt es Grunde, weshalb sich die Kirche mit der Aufklarung immer noch schwer tut.

"Was das Spezifische ist, wenn katholische Institutionen so klaglich versagen, ist, dass sehr oft der Eindruck da ist, wir konnen das unter uns losen. Und das versteht keiner von drau?en, wir haben unsere eigenen Regeln, und lassen wir es bitte unter der Decke, das soll nicht offentlich werden, lass' es uns auf irgendeine Weise mitbruderlich losen. Und das geht halt nicht."

Hans Zollner, Papstliche Universitat Gregoriana

Regensburgs neuer Bischof sorgt fur Bewegung

Regensburgs neuer Bischof Rudolf Voderholzer

Mullers Nachfolger, Bischof Rudolf Voderholzer, treibt die Aufarbeitung in Regensburg voran. Er sprach personlich mit Opfern, auch mit Peter Schmitt. Und Voderholzer raumt am 24. Januar 2016 in einer Predigt ein, dass "die in der Vergangenheit immer wieder unternommenen Versuche einer Selbstkorrektur zu wenig wirksam" gewesen seien. Fur die Taten gebe es keine Rechtfertigung. Sonderermittler Ulrich Weber legt schon am 8. Januar 2016 nach achtmonatigen Recherchen einen ersten Zwischenbericht vor. Darin spricht er von 231 Opfern korperlicher Gewalt, vor allem in der Vorschule Etterzhausen, und von mindestens 50 Betroffenen sexueller Gewalt, vor allem bis Ende der 1970er Jahre in Regensburg.

Kuratorium sucht Losungen

Seit Anfang Februar sitzen nun Betroffene mit dem Bischof und den Domspatzen-Verantwortlichen in einem paritatisch besetzten Kuratorium zusammen. Die ersten Gesprache lassen hoffen, dass nun - sechs Jahre nach dem Missbrauchsskandal - die Aufarbeitung gelingt. Eine Garantie dafur gibt es aber noch nicht, die Wunden sitzen tief. In den nachsten Monaten wird sich zeigen, ob die Aufarbeitung wirklich gelingt.

 

 

 

 

 




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