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Was Wusste Benedikt Xvi.?

BR
March 10, 2016

http://www.br.de/themen/religion/missbrauch-kirche-priester-papst-102.html

"Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." Diese Formel aus Gottesdiensten bekommt durch den Missbrauchsskandal neue Bedeutung: Die Katholiken warteten bei dem Thema lange auf ein Wort des Stellvertreters Christi auf Erden.



Erst am 11. Juni 2010 - vier Monate nach dem Bekanntwerden der ersten Missbrauchs- und Misshandlungsfalle in der katholischen Kirche - gab es eine Art "Mea Culpa" von Benedikt XVI. Der Papst bat die Opfer bei einer Messe auf dem Petersplatz in Rom um Vergebung.

"Wir bitten Gott und die betroffenen Menschen instandig um Vergebung und versprechen zugleich, dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen."

Papst Benedikt XVI. bei einer Messe auf dem Petersplatz

Papst: Kirche muss sich erneuern

Die Weihnachtswoche 2010 eroffnete der Pontifex dann mit einem Ruckblick auf den Skandal um den sexuellen Missbrauch durch katholische Priester. Das unvorstellbare Ausma? des Skandals habe Papst und Kirche erschuttert, sagte Benedikt in Rom auf dem traditionellen Weihnachtsempfang fur die Kurie. Minderjahrige seien tief verletzt und fur ihr ganzes Leben geschadigt worden. Die Kirche musse diese Vorkommnisse als einen Aufruf zur Wahrheit und zur Erneuerung nutzen, machte der Papst deutlich.

Papst em. Benedikt XVI.

Wochenlang stand Benedikt XVI. zunachst selbst unter Beschuss, weil er sich nicht zu den Missbrauchsfallen geau?ert hatte - und er wurde auch von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt: Als Erzbischof von Munchen und Freising stimmte der heutige Papst 1980 dem Umzug eines padophilen Priesters von Essen nach Oberbayern zu, wo dieser sich spater wieder an Kindern vergriff. An dem Fall entzundete sich eine heftige Diskussion um die Frage, wie viel Joseph Ratzinger wusste und wie gro? seine personliche Verantwortung konkret ist.

Eine Aktennotiz vom 20. Januar 1980

Es sei damals beschlossen worden, dem einschlagig verurteilten Kirchenmann Unterkunft in einem Pfarrhaus zu geben, damit er eine Therapie machen konne. "Diesen Beschluss hat der damalige Erzbischof mit gefasst", hie? es aus dem Erzbistum. Dennoch: Der padophile Priester wurde wieder in der Seelsorge eingesetzt. Dass Ratzinger das wusste, haben das Bistum und der Vatikan dementiert. Die New York Times erhob jedoch den Vorwurf, dass Ratzinger sehr wohl Kenntnis davon hatte, und fuhrte als Beweis eine Aktennotiz vom 20. Januar 1980 an.

In dieser wurde festgehalten, dass der padophile Geistliche mit Beginn der Therapie zur Seelsorgemithilfe in einer Munchner Pfarrei zugelassen sei. Lorenz Wolf, Chefjurist des Erzbistums Munchen-Freising, stellte die Niederschrift als Routinevorgang dar. Es sei daher "unwahrscheinlich", dass die Aktennotiz auf dem Schreibtisch Ratzingers gelandet sei.

Gutachterin Westpfahl zu Ratzingers Verantwortung

Rechtsanwaltin Marion Westpfahl

Rechtsanwaltin Marion Westpfahl analysierte die Akten des Erzbistums Munchen und Freising auf Misshandlung und Missbrauchsfalle. Auf einer Pressekonferenz sprach sie von einem "auffalligen" Priester, der in die Amtszeit von Ratzinger als Erzbischof fiel. Laut Westpfahl habe er sich damals personlich damit befasst, das sei aus den Akten ersichtlich.

Ratzinger habe dem Priester auf dessen Klagen hin in einem mehrseitigen Brief die Grunde fur die Abberufung aus der Pfarrei sudlich von Munchen dargelegt. Ob damals Strafanzeige erhoben wurde, sei aufgrund der schlechten Aktenlage aber nicht sicher, sagte Westpfahl. Sie bezweifelte es und gehe davon aus, dass sich der damalige Erzbischof nicht mit der Frage befasst habe. Die entscheidende Bedeutung in solchen Fallen komme vielmehr den Generalvikaren zu.

Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung

Rucktritt gefordert

Bei der Bundesversammlung von "Wir sind Kirche" in Wurzburg wurde sogar der Rucktritt von Benedikt XVI. gefordert. Kardinal Ratzinger seien seit 2001 mehr als 300 Missbrauchsfalle gemeldet worden. "Man muss sich fragen, ob er Mittater war, weil er nichts getan hat", sagte Hans-Peter Hurka, damals Vorsitzender der Kirchenreformbewegung in Osterreich.

Tilmann Kleinjung aus der Kirchenredaktion des Bayerischen Rundfunks unterscheidet hierbei zwischen Schuld und Verantwortung. Erzbischof Ratzinger treffe keine direkte Schuld an der Fehlentscheidung seines damaligen Stellvertreters. Aber als Bischof sei Ratzinger verantwortlich fur die Entscheidung seines Stellvertreters.

"Der Papst kann nicht bestreiten, dass er fur die Vertuschung mitverantwortlich ist", sagte auch Kirchenkritiker Hans Kung im April 2010 im Bayerischen Rundfunk. Er sei gut informiert gewesen: als Professor uber die Vorgange in Regensburg, als Erzbischof uber die Lage in Munchen, 22 Jahre als Prafekt der Glaubenskongregation in Rom und jetzt als Papst.

Bischofe fuhlen sich durch Papst bestarkt

Munchens Erzbischof Reinhard Marx

Wahrend es an der Kirchenbasis rumorte, lie?en die deutschen Bischofe keinerlei Enttauschung uber ihren Papst erkennen. Der damalige Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz, Munchens Erzbischof Reinhard Marx, sagte, die Bischofe fuhlten sich durch Benedikt XVI. bestarkt. Der Pontifex weise seit Jahren darauf hin, dass es gegenuber sexuellem Missbrauch keine Toleranz geben durfe.

"Ich spure kein Defizit bei der Unterstutzung des Papstes."

Erzbischof Reinhard Marx

 

 

 

 

 




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