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"Die Grundlage Des Vertrauens in Gott Zerstort"

Kirchensite
March 17, 2016

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Bistum. Der Jesuit Hans Zollner, Mitglied der Papstlichen Kinderschutzkommission in Rom, hat beim letzten Geistlichen Themenabend im St.-Paulus-Dom dazu aufgerufen, die Herzen, Turen und Ohren fur die Missbrauchsopfer zu offnen. "Kinder sind das kostbarste Gut, das wir haben", sagte Zollner in seiner Fastenpredigt zum Thema "Kinder schutzen" am Mittwoch (16.03.2016). "Wir sollten uns auf alle erdenkliche Weise dafur einsetzen, dass sie geschutzt aufwachen konnen."

In seiner eindringlichen Ansprache in einem nur sparlich besetzten Dom warnte der Experte mit gro?em Nachdruck davor, das Thema Missbrauch und sexuelle Gewalt in der Kirche abzuhaken. "Die Vertuschung hat die Verbreitung des Bosen begunstigt", unterstrich Zollner. "Die Frage ist jetzt, ob wir eine Kirche sein wollen, in der die vom Missbrauch Betroffenen einen Platz haben."

"Hort das nicht endlich auf?"

Zollner, der Professor am Institut fur Psychologie der Papstlichen Universitat Gregoriana in Rom sowie seit 2010 akademischer Vizerektor der Gregoriana und Vorstand des Instituts fur Psychologie ist, verwies in seiner Ansprache darauf, dass sich in letzter Zeit vermehrt Stimmen zu Wort meldeten mit Fragen wie: "Hort das nicht endlich auf? Wann ist es genug damit? Warum mussen Menschen heute noch daruber reden? Konnen wir nicht endlich wieder zur Tagesordnung ubergehen?"

Bei den Reaktionen auf Missbrauchs-Enthullungen mischten sich oft tiefes Entsetzen, gro?e Verwunderung, abgrundtiefe Scham und Schockstarre. "Das ist auch nicht verwunderlich, denn das ist ein zutiefst schmerzliches, argerliches, beschamendes Thema", raumte Zollner ein.

Verantwortung fur die Opfer ubernehmen

"Aber die zentrale Frage, die noch niemand beantwortet hat, bleibt: "Was will uns Gott mit diesem Skandal sagen? Warum sagt er uns das heute und nicht vor 30 oder 50 Jahren?" In offiziellen Reaktionen werde stark auf die rechtlichen oder psychologischen Aspekte eingegangen, eine Antwort auf diese zentrale Frage aber vermieden. "In der Mitte unseres Glaubens empfinde ich das als eine Leere, so als ob wir vermeiden wollten, das vor Gott zu bringen, was uns bei diesem Thema umtreibt", mahnte der Prediger. Ausgerechnet jene, die beauftragt gewesen seien, Kinder zu schutzen, hatten ja Leben im fruhen und fruhesten Alter zerstort.

"Gott will uns dazu hinfuhren, ehrlich zu sein und unsere Schuld einzugestehen", betonte der Prasident des "Centre for Child Protection" der Gregoriana. Es konne durchaus sein, dass er eine wichtige Botschaft vermitteln wolle, was das Evangelium eigentlich bedeute, und alle in die Pflicht nehmen wolle, Verantwortung fur die Opfer von Missbrauch und sexueller Gewalt zu ubernehmen.

Es geht um Macht, Geld und das Verstandnis von Kirche-Sein

"Bei diesem Thema bundelt sich sehr viel von dem, was zum Himmel stinkt in der Kirche", hob Zollner mit gro?em Nachdruck hervor. Es gehe dabei um Macht, Geld und das Verstandnis von Kirche-Sein. "Eine Haltung funktioniert heute nicht mehr und ist nicht mehr akzeptabel, namlich die, die sagt: Das regeln wir alles unter uns, machen wir alles unter uns aus", kritisierte der Jesuit. Jetzt stelle sich deshalb verscharft die Frage, ob man in der Kirche behaglich und abgeschlossen unter sich bleiben wolle oder ob Gott durch die Krise dazu aufrufen wolle, die sicheren Hauser zu verlassen und bei Wind und Wetter gleichsam auf die Stra?e zu gehen.

Das aber bedeute zugleich, dass die Kirche zu einer Art "Feldlazarett" oder Provisorium werde, wie Papst Franziskus es formuliert habe. "Was will uns Gott damit sagen, wenn wir von sexuellem Missbrauch sprechen, der von kirchlichen Mitarbeitern verubt wurde? Was sagt das uber das Amt und das Priester-Sein heute aus?", fragte der Redner bohrend nach. Die Priester heute, die eigentlich fur die Menschen da sein und Seelsorge betreiben wollten, mussten vieles machen, wofur sie nicht ausgebildet seien. "Ist das nicht ein Anruf Gottes, daruber nachzudenken, was Priester-Sein heute ist und sein sollte?", fragte Zollner.

Journalisten in Schutz genommen

Ausdrucklich nahm er Journalisten gegen Vorwurfe im Zusammenhang mit der Missbrauchs-Affare in Schutz. "Sie haben die Skandale nicht erfunden", so Zollner. Es fehle in der Kirche im Hinblick auf das Wahrnehmen offentlicher Verantwortung unter anderem daran, daruber zu reden, was die Kirche Gutes tue und dafur unternehme, um Kinder zu schutzen.

Bei der Aufklarung und Aufarbeitung aber seien Laien, insbesondere Frauen wichtig. "Sie sind der Stachel im Fleisch und halten uns in Bewegung", lobte der Jesuit. "Es geht darum, dass wir in der Wirklichkeit ankommen. Solange wir aber in der Defensive bleiben und das Thema abhaken wollen, ist unsere Energie gebunden." Um Kinder in den Raumen der Kirche und der gesamten Gesellschaft schutzen zu konnen, brauchten die Christen aber jede Menge Kraft.

"Die Reinheit des Herzens"

Zollner berichtete von einer Frau, die vor 50 Jahren im Alter von neun Jahren missbraucht worden sei und danach keine Partnerschaft habe eingehen und keinen Beruf ergreifen konnen. Dem Alkoholismus verfallen, sei sie schlie?lich in eine Sekte geraten. Irgendwann aber habe ein Therapeut, der ihr Herz habe offnen konnen, bei ihr einen Heilungsprozess und eine menschliche und geistliche Suchbewegung ausgelost. Schlie?lich sei sie sogar wieder in die Kirche eingetreten und habe im Ruckblick betont: "Das Schlimmste am Missbrauch durch einen Priester ist, dass er die Grundlage des Vertrauens in Gott zerstort."

Dieses psychische Trauma habe die Opfer am meisten verletzt, mehr noch als der rein physische Akt sexueller Gewalt, erganzte Zollner. Viele brauchten deshalb jemanden, der ihnen ganz einfach zuhore. "Gott will uns darauf hinweisen, dass es nicht darauf ankommt, Leitlinien abzuhaken und zum Alltag zuruckzukehren, denn das reicht nicht", mahnte der Prediger. "Worauf es wirklich ankommt, ist die Reinheit des Herzens." Ein Hoffnungszeichen sei, dass die Kirche in vielen Landern dieser Erde inzwischen die fuhrende Verteidigerin der Kinderrechte sei.

 

 

 

 

 




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