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Der Kardinal, Der Fur Einmal Nichts Tat

By Stefan Brandle
Aargauer Zeitung
March 18, 2016

http://www.aargauerzeitung.ch/ausland/der-kardinal-der-fuer-einmal-nichts-tat-130143819

Kardinal Philippe Barbarin Reuters

Kardinal Philippe Barbarin soll mehrere fehlbare Geistliche gedeckt und geschont haben. Der franzosische Premierminister Manuel Valls fordert, dass der Kardinal seine Verantwortung wahrnehmen musse. Barbarin selber betont, er habe «nie padophile Akte gedeckt».

Barbarin gilt als der hochste Wurdentrager der franzosischen Kirche: Der 65-jahrige Erzbischof von Lyon tragt zugleich den aus dem Mittelalter stammenden Titel «Primas von Gallien». Bekannt ist er als «Monseigneur 100 000 Volt», da er ebenso schnell zu sprechen wie zu agieren pflegt.

In einer Hinsicht soll Barbarin allerdings sehr langsam oder gar nicht gehandelt haben. Von mehreren Seiten wird ihm vorgehalten, er habe padophile Geistliche gedeckt. Ein 55-jahriger Priester seiner Diozese soll zwischen 1986 und 1991 mehrere Pfadfinder sexuell missbraucht haben. Die Opfer verstehen nicht, warum er nicht seines Amtes enthoben wurde, ist er doch gestandig und Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens.

Vorverfahren lanciert

Brisanter ist, dass die franzosische Justiz auch ein Vorverfahren wegen des Nicht-Anzeigens sexueller Angriffe auf Minderjahrige lanciert hat. Barbarin ist nicht direkt visiert, doch betrifft der Fall seine Diozese. Der Kardinal bekraftigte zum Wochenbeginn bei einer Pressekonferenz in Lourdes mit Nachdruck, er habe «nie padophile Akte gedeckt». Zugleich musste er einraumen, dass er seit 2007 von den Vorwurfen gegen den fehlbaren Geistlichen wusste. Premierminister Manuel Valls erklarte darauf, Barbarin musse «seine Verantwortung wahrnehmen». Damit kann nur der Rucktritt gemeint sein.

Fast zeitgleich wurde diese Woche ein zweiter Kirchenskandal bekannt, in den Barbarin verwickelt ist. Der Kardinal soll einen Priester im Amt belassen haben, obwohl er auch in diesem Fall wusste, dass dem Geistlichen sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Der Pfarrer soll 1990 in den Ferien im sudwestfranzosischen Biarritz auf einen damals 16-Jahrigen masturbiert haben. Das Opfer wollte 2009 Klage einreichen, diese war aber bereits verjahrt. Der heute 42 Jahre alte Klager, ein ranghoher Ministeriumsbeamter, gelangte darauf an Barbarin, doch dieser unternahm nichts. Heute rechtfertigt Barbarin diese Passivitat mit dem Hinweis auf eine Rechtsauskunft aus dem Vatikan, der ihm mitgeteilt habe, bei Verjahrung sei keine Amtsenthebung notig.

«Nicht sehr christlich»

Die Regierung halt den Druck auf den Kardinal ihrerseits aufrecht: Am Donnerstag verlangte die Staatssekretarin fur Opferfalle, Juliette Meadel, erneut Barbarins Demission. «Nicht in der Lage zu sein, um Verzeihung zu bitten, ist nicht sehr christlich», sagte sie am Radio. Barbarins Anwalt entgegnet, die Affare werde «politisiert». Sein Klient war 2013 gegen die von Prasident Francois Hollande propagierte und eingefuhrte Homo-Ehe angetreten.

Am Donnerstag brach in Lyon eine dritte Kirchenaffare neu auf. Sie dreht sich um einen Priester, der 2007 wegen «sexueller Aggression» zu achtzehn Monaten Haft auf Bewahrung verurteilt worden war. Er bestreitet die Vorwurfe weiterhin vehement, und Barbarin hatte ihn 2013 wieder in den Dienst aufgenommen. Um weiteren Vorwurfen entgegenzutreten, suspendierte ihn aber die Diozese von Lyon am Donnerstagabend provisorisch.

 

 

 

 

 




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