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Missbrauchs-skandal Im Bistum Wurzburg: "Ich Fuhle Mich Wie Erneut Missbraucht"

inFranken
April 1, 2016

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1988 sei sie als Teenager zum Sex gezwungen worden - von einem Priester, sagt Alexandra Wolf. Im "Spiegel" machte sie ihre Geschichte offentlich. Nun spricht sie uber die Reaktionen und daruber, wie sehr die Kirche sie verletzt habe.

Ihr Vater bereitete sich in einem Kurs im Exerzitienhaus Himmelspforten auf die Weihe zum Diakon vor. Seine 17-jahrige Tochter begleitete ihn. Was dann geschehen sein soll, erzahlte sie uber ein Vierteljahrhundert spater dem Spiegel-Redakteur Peter Wensierski. Er ubermittelte die Fragen dieser Redaktion an Alexandra Wolf. Im Herbst 2012 erfuhr der Wurzburger Bischof Friedhelm Hofmann erstmals von den Vorwurfen. Im Dezember 2015 wurde der Fall zu den Akten gelegt.

Was war der Ausloser, sich im Januar 2016 an Claudia Adams zu wenden, die in Trier den Missbrauchs-Blog ,MissBit' betreibt?

Alexandra Wolf: Ich war in einer sehr ohnmachtigen und hilflosen Situation, die mich bewog, einen Weg an die Offentlichkeit zu suchen. Ich habe Frau Adams Blog schon viele Monate still beobachtet und dachte mir, da ware jemand, der sich auskennt und dem ich vertrauen kann. Sie wusste dann, dass es jemanden im ,Spiegel' gibt, der sich schon seit Jahren mit Missbrauchsfallen befasst. Ich hab noch etwas uberlegt, mich dann aber gemeldet, und es war eine gute Entscheidung. So etwas ist nicht so einfach fur jemanden, der das, was er erlebt hat, eigentlich fur immer verdrangen wollte.

Konnten Sie damals noch nicht an die Offentlichkeit gehen, als ausgerechnet der Mann, den Sie der sexuellen Notigung beschuldigen, Missbrauchsbeauftragter des Bistums Wurzburg wurde?

Ich hatte mich seit dem Ereignis von der Obrigkeit in der Kirche entfernt, wahrend ich in meiner Gemeinde dabei war. Erst als 2010 andere Missbrauchsopfer ihr Schweigen brachen und es durch alle Medien ging, habe ich realisiert, wer in Wurzburg seit 2002 der Missbrauchsbeauftragte war. Ich meinte dann, man kann sich wohl schlecht bei seinem eigenen Tater als Opfer melden. Ich fand, ohnmachtiger kann man sich gegenuber der Kirche kaum fuhlen. Ich hab damals sogar versucht, so eine Hotline in einem anderen Bistum anzurufen, in Freiburg. Aber da gab es nur den burokratischen Hinweis, ich moge doch jemand in meinem Heimatbistum ansprechen.

Wie geht es Ihnen nun nach der Veroffentlichung ihrer Geschichte im "Spiegel"?

Nun, nach der Veroffentlichung fuhle ich mich befreit - es gibt aber auch Momente, in denen mich die Reaktionen und Meldungen des Bistums verletzen. Der Weg, in die Offentlichkeit zu gehen, war nicht einfach, aber die Kirche mochte am liebsten immer alles verschwiegen regeln, das funktioniert nicht. Geholfen hat mir aber auch die Zusammenarbeit mit einem bei diesem Thema erfahrenen Redakteur, Peter Wensierski, der die Geschichte recherchiert und aufgeschrieben hat. Es ist wichtig, dass die Medien in Deutschland nicht aufhoren, sich fur Missbrauch und uns Betroffene zu interessieren. Es betrifft ja doch so viele Menschen.

Was enttauscht Sie vor allem an der kirchlichen Aufarbeitung Ihres Falls?

Fur mich ist es keine kirchliche Aufarbeitung, was das Bistum Wurzburg in meinem Fall gemacht hat. Es ist nur ein Versuch, den Beschuldigten und das Ansehen der eigenen Institution mit allen Mitteln zu schutzen. Opferschutz, seelischen Beistand, Anerkennung von Leid, finanzielle Hilfe fur Therapien habe ich als Opfer nicht gefunden. Echte Aufarbeitung wurde fur mich Unbefangenheit, Transparenz, Wahrheitsliebe und Gerechtigkeit bedeuten und nicht Abwehr. Sie musste vor allem unter dem Stern christlicher Barmherzigkeit fur Hilfesuchende stattfinden. Ich habe vom Bistum Wurzburg das Gegenteil erlebt und daher mein Vertrauen verloren. Jetzt fuhle ich mich von der Kirche wie erneut missbraucht.

Was raten Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen anderen Missbrauchsopfern?

Bei der momentanen Praxis wurde ich jedem Opfer abraten, auf diese Institution zu hoffen. Stattdessen wurde ich raten: Macht die Taten offentlich, schreit sie heraus und schlie?t euch zusammen - nicht nur gegen Tater, sondern gegen ihre Helfer, die Vertuscher in den Institutionen, ubrigens nicht nur in den Kirchen.

Ein Gesprachsangebot mit Generalvikar Thomas Ke?ler besteht noch, hei?t es. Nehmen Sie es an?

Es wurde mir ein Gesprachsangebot von Seiten des Bistums Wurzburg erst gemacht, als die kirchliche Akte geschlossen war. Der innere Schaden ist inzwischen so immens gro?, dass ich mir im Moment nicht vorstellen kann, ein sinnvolles Gesprach zu fuhren, solange ich nicht das geringste Zeichen einer Entschuldigung fur das mir zugefugte Unrecht bekomme.

Die Fragen stellte

Christine Jeske

 

 

 

 

 




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